Bereits im Sommer haben die Veranstalter das internationale Rückversicherungstreffen in Baden-Baden abgesagt. Das kann die Branche noch verschmerzen. Viel größere Probleme bereiten den Playern die aktuellen Marktentwicklungen aus höheren Schäden durch Naturkatastrophen, Prämienproblemen –
und natürlich Corona. Die Ungewissheit scheint viel größer als in der Vergangenheit.
Dennoch kommen die Rückversicherer dieser Tage wenigstens zu virtuellen Erneuerungsgesprächen zusammen. Branchen-Insider sehen in der aktuellen Corona-Pandemie zwar ein Phänomen, mit dem Erst- und Rückversicherer prinzipiell umgehen können. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit Großschäden wie Hurrikans oder Naturgefahrenereignisse anderer Art. Allerdings könnte COVID-19
wie ein „Katalysator für Preisanpassungen für Erst- und Rückversicherer“ wirken, glaubt Hannover
Rück-Vorstand Michael Pickel.
So hat die Nummer drei unter den Rückversicherern in „den zurückliegenden Erneuerungsrunden Preissteigerungen und Konditionsverbesserungen erreicht“. Insbesondere bei schadenbetroffenen Verträgen waren Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich zu verzeichnen.
Deutlich vorsichtiger zeigte sich jüngst hingegen Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Munich Re: „Dieses Jahr haben wir den höchsten Ratenanstieg seit über einer Dekade gesehen. Das ist ein Fakt.
Es ist aber auch ein Fakt, dass die Zuwächse 2005 nach der schweren Hurrikan- Saison noch stärker ausfielen“. Dennoch geht der Versicherungsmanager gegenüber dem Handelsblatt davon aus, dass
„wir 2021 und 2022 weiter viele Schäden durch Naturkatastrophen sehen werden, weshalb die Prämien
in der Rückversicherung kaum sinken werden“.
Christian Mummenthaler, CEO der Swiss Re, sieht sein Unternehmen trotz Corona und den damit ein- hergehenden Schäden gut kapitalisiert. Die Swiss Re-Strategie ist wohl am besten mit kontrollierter Offensive beschrieben, mit ihm wird es beim Rückversicherer keine gewagten Experimente geben:
„Das Ziel ist nicht Wachstum um jeden Preis, egal wie gut kapitalisiert die Swiss Re ist“. Dennoch rechnet Frank Reichelt, Deutschlandchef des Schweizer Versicherers, mit einer der härtesten Erneuerungsrunden, welche die Branche je erlebt habe.
DÜSTERE AUSSICHTEN BEI DEN RATINGAGENTUREN
Die Ratingagenturen zeichneten dieser Tage jedenfalls düstere Aussichten für die Branche. So hat Moody’s bereits Anfang September den Ausblick für die Rückversicherungsbranche von stabil auf negativ geändert. Die Gründe liegen nach Ansicht der Analysten in der schwächeren Rentabilität der Unternehmen durch die Corona-Pandemie.
Zudem rechnet die Ratingagentur S&P in einer aktuellen Analyse mit Milliardenverlusten durch die Corona-Pandemie. Allerdings betonen die Analysten, dass die Kapitalisierung der Branche weiterhin robust sei. „Wir glauben, dass zusätzliche direkte und indirekte COVID-19-bezogene Verluste in den nächsten Quartalen auftreten könnten“, heißt es bei S&P weiter.
NATURKATASTROPHEN SORGEN FÜR ZUSÄTZLICHE BELASTUNGEN
Hinzu kommen auch die alljährlichen Folgen durch die Naturkatastrophen. Nach Angaben von Geo- wissenschaftlern könnte die bevorstehende Hurrikansaison im Nordatlantik 2020 größere Schadenaus- wirkungen auf den Versicherungsmarkt haben als in den Vorjahren. Zusammen mit der Corona-Pandemie wären schwere Sturmtreffer auf Land besonders problematisch, warnte die Munich Re bereits Ende Mai.
Nach einer Analyse der Münchener haben die Naturkatastrophen um den Globus allein im ersten Halbjahr 2020 Schäden von insgesamt 68 Milliarden US-Dollar verursacht. Nach Angaben der Munich Re lagen sie damit leicht unter dem 30-jährigen Durchschnitt von inflationsbereinigt 74 Milliarden Dollar. Der Anteil der versicherten Schäden war mit etwa 27 Milliarden Dollar deutlich höher als üblich.
Dabei entfielen nach Angaben des Rückversicherers 47 Prozent der Gesamtschäden und 82 Prozent der versicherten Schäden, ein deutlich höherer Anteil als im langfristigen Durchschnitt (35 Prozent beziehungsweise 60 Prozent). Dagegen verursachten Naturkatastrophen in Europa und in Asien/Pazifik geringere Schäden. Insgesamt kamen in der ersten Jahreshälfte 2.900 Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben, deutlich weniger als im Schnitt der vergangenen 30 und der vergangenen zehn Jahre.
Bei den Rückversicherern hat diese Entwicklung daher in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres spürbare Folgen hinterlassen. So erzielte die Munich Re im zweiten Quartal trotz Corona-Belastungen einen Nachsteuergewinn von 579 Millionen Euro. Die Schadenbelastung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beläuft sich auf insgesamt rund 700 Millionen Euro. Allerdings profitierte der Rück- versicherer auch davon, dass abseits von Corona wenige Großschäden anfielen und die Erstversicherungs- tochter Ergo gut abschnitt.
Demnach verbucht der Düsseldorfer Versicherungskonzern im zweiten Quartal einen Gewinn von 173 Millionen Euro (Q2 2019: 135 Millionen Euro). Dabei profitierte die Ergo nach eigenen Angaben vor allem vom internationalen Geschäft. Immerhin: „Ökonomisch wird Munich Re gestärkt aus der Krise hervor- gehen“, gibt sich Wenning dennoch optimistisch.
Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re ist hingegen besonders stark von der Corona-Krise gebeutelt.
Mit einem Verlust von 1,135 Milliarden US-Dollar sind die Eidgenossen im ersten Halbjahr 2020 tief in die roten Zahlen gerutscht. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr stand zu diesem Zeitpunkt noch ein Gewinn von 953 Millionen US-Dollar.
Die wesentlichen Gründe für den Milliardenverlust sieht der Rückversicherer nach eigener Aussage in den Schäden und Rückstellungen im Zusammenhang mit COVID-19 von 2,5 Milliarden US-Dollar. Ohne die Auswirkungen durch Corona hätten die Eidgenossen einen Konzerngewinn von 865 Millionen US-Dollar verbucht.
Inwieweit sich dies auch in der bevorstehenden virtuellen Erneuerungsrunde wiederfindet, werden die kommenden Tage zeigen.
(MEIN GELD)