Wirtschaft

20. Acatis-Value-Konferenz in Frankfurt am Main am 2.6. 2023

Die Zeit ist der Freund des guten Geschäftsmodells

mohamed_hassan / Pixabay

„Um als erster anzukommen, muss man vor allem erst einmal ankommen.“ Mit diesen Worten gab der Fondsmanager Dr. Hendrik Leber die Richtung für die von seinem Unternehmen veranstaltete 20. Acatis-Value-Konferenz in Frankfurt am Main am 2. Juni 2023 vor.

Rund 200 Teilnehmer konnten in der Frankfurt School of Finance & Management sieben Fachvorträgen folgen und die Themen diskutieren.

„Im Spannungsfeld zwischen faszinierenden technologischen Entwicklungen und deprimierenden politischen Tendenzen erleben wir heute, wie sich gute Unternehmen durchsetzen. Deren Rezept lautet, Fehler zu vermeiden, auf Trends zu setzen, die sich fast automatisch positiv entwickeln, und damit besser zu verdienen als die Konkurrenz. Gute Unternehmen schaffen es, Marktanteile zu gewinnen, indem sie die Perspektive des Kunden einnehmen und technologisch auf dem neuesten Stand sind und bleiben“, so Leber in seinem einführenden Vortrag, in dem er sich auch auf die US-Investment- Ikone Charlie Munger berief: „Das große Geld liegt nicht im Kaufen oder Verkaufen. Es liegt im Abwarten, um den richtigen Zeitpunkt für Ein- und
Ausstieg zu finden.“

Leber hat dazu mit seiner Investmentfirma Acatis rund 160.000 Datensätze börsennotierter Firmen weltweit im Zeitraum von 2001 bis 2023 ausgewertet und eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten gefunden. „Die Steigerung der operativen Marge beginnt im fünften Jahr nach Firmengründung und setzt sich bis zum 30. Jahr rasant fort, um dann im Schnitt der folgenden Jahrzehnte wieder leicht zu erodieren. Der Marktwert beginnt ab dem achten Jahr zu steigen und setzt das Wachstum nach einer Verschnaufpause ab dem 60. Jahr weiter fort.“

„Unsere spannende Aufgabe ist es, die nächsten großen Themen und richtigen Firmen zum richtigen Zeitpunkt entdecken. Diese Value-Konferenz stellt einige Kandidaten dafür auf die Bühne. Die Welt ist wieder physisch, besteht aus Fabriken, Anlagen und Leitungen, Bits und Bytes sind nicht alles.“

„Wir müssen frühzeitig in Firmen investieren, aber nicht zu früh. Nicht das Konzept ist wichtig, sondern der Markt, der zahlende Kunde. Wenn die Gewinnkurve nach oben dreht, bauen wir die Position auf, geht sie mit steigenden Umsätzen nach unten, gehen wir raus. Firmen, die Marktanteile kaufen, mögen wir nicht. Bessere, nicht billigere Unternehmen sind die erste Wahl.“ Deutschland aber sei in den vergangenen Jahren ein schlechter Wirtschaftsstandort geworden, die Behörden und Infrastruktur schwächelten, Genehmigungsprozesse seien zu lang geworden.

Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Zeitenwende

Mehr als ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine versuchte der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrates Prof. Lars Feld, heute Direktor des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg, in seinem Vortrag Antworten darauf zu geben, wie eine neue Weltordnung aussehen könnte. Die Notwendigkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik, zu reagieren, zeige sich kurzfristig hinsichtlich der Bekämpfung der Stagflation und langfristig in Bezug auf Handelsabkommen und Direktinvestitionen. Angebotsorientierte Politik, keine Steuererhöhungen, sei gefordert.

Im Energiebereich seien vor allem die Substitution von russischem Erdgas durch andere Energieträger und Einsparungen durch Verbesserung der Energieeffizienz vorrangig. Eine konsistente Energie- und Klimapolitik könne er aber noch nicht erkennen. Dafür sei eine durchgängige CO2- Bepreisung notwendig, damit der Markt und nicht bürokratische Vorschriften die Ressourcenallokation regelten.

Auf jeden Fall sei eine deutlich restriktivere Geldpolitik zwingend, auch auf Kosten einer Rezession – die jetzt noch lange nicht eingetroffen sei, womit er sich deutlich von anderen Wirtschaftswissenschaftlern abhob. „Wir erkennen aber gegenwärtig noch nicht, woher eine neue Dynamik für die deutsche Wirtschaft kommen sollte.“ Dabei müsse dringend etwas geschehen, um die demografische Entwicklung – mehr Rentner und weniger Arbeitskräfte – zu konterkarieren.

Megatrends und Umbrüche

Eine weitere Dekade der Disruptionen habe erst begonnen, vermutet Lars Thomsen, Gründer der future matters AG, einem Expertenpool für Zukunftsforschung in Zürich. Die nun folgenden Durchbrüche, so in künstlicher Intelligenz, Service-Robotik, funktionaler Biotechnologie und autonomer Mobilität in Verbindung mit Wendepunkten in Klima und Demografie führten in ihrer Kombination zu großem Stress für Gesellschaften, Unternehmen und Menschen. Doch in dem vermeintlichen Chaos bildeten sich bereits Muster und Chancen heraus, die auch für das Value Investing wichtig seien. „Deshalb ist es jetzt an der Zeit, diese Megatrends, ihre Wendepunkte und ihre Auswirkungen zu untersuchen. Wir müssen andere Blickwinkel finden, um Überforderung zu vermeiden.“ Strategisch könne besser geplant und investiert werden, wenn man heute schon einen Eindruck davon habe, wie unsere Welt im Jahr 2033 aussehen wird.

Trendbrüche bringen Chancen und Risiken, sie könnten Investoren arm oder reich machen. „Doch die Zukunft ist kein Zufall und kein Schicksal, sie wird gemacht.“ Die gegenwärtig boomende KI, insbesondere die sprachbasierte ChatGPT, hält er für fähig, „die Produktivität im Officebereich, auf die wir seit Beginn der Digitalisierung sehnsüchtig warten, nun endlich in den nächsten fünf Jahren enorm zu steigern.“ Wie bei vielen Dingen gebe es auch bei der KI eine helle und eine dunkle Seite, sie könne wie alles von Menschen Geschaffene auch missbraucht werden.

Auf die Liste von Thomsens Voraussagen gehören:

– Pflege wird günstiger und persönlicher durch KI und Robotik
– 80% der heute tödlichen Krankheiten sind bis 2035 heilbar
– Strom und Energie werden durch Erneuerbare mittelfristig billiger
– 2025 wird elektrischer Pkw-Antrieb günstiger sein als Verbrenner
– Kurzstreckenflüge sind ab 2030 elektrisch machbar
– Produktion von Milch- und Fleischersatz aus Pflanzen wird schon ab Ende
2023 günstiger und gesünder werden als herkömmliche Lebensmittel.

Chips und Leiterbahnen drucken statt ätzen

Einen Beitrag zur Zukunft wollen auch viele junge Deep-Tech-Unternehmen liefern; sie konzentrieren sich auf die Verbindung und Nutzung neuer Technologien. Wenn solche Unternehmen erfolgreich sind, können sie große Veränderungen bewirken. Welche Faktoren wiederum erforderlich sind, um solche Unternehmen dauerhaft erfolgreich zu machen, erläuterte aus seiner Sicht der polnische Wissenschaftler und Unternehmer Dr. Filip Granek. Er arbeitete fast zehn Jahre für Hightech-Forschungseinrichtungen und Unternehmen, darunter Fraunhofer ISE in Deutschland und ANU in Australien.

Nach seiner Analyse scheitern Startups in erster Linie daran, dass für ihr Produkt kein Bedürfnis auf dem Markt besteht. „Manche Startups begreifen nicht, dass sie zwar eine Technologie haben, aber noch lange kein Produkt.“ Die Konsequenz sind Kapitalmangel, Teamprobleme, bessere Wettbewerber und zu hohe Kosten.

Granek selber ist Erfinder der XTPL-Nanotechnologie, CEO und Mitgründer des Unternehmens, das Drucker und dazu passende flüssige Metalltinten entwickelt, mit denen ultrafeine Strukturen bis hinunter zur Auflösung im Nanometerbereich direkt und auch dreidimensional erzeugt werden können, womit elektronische Schaltungen sehr schnell, kostengünstig und auch in kleinen Auflagen und für Prototypen realisiert werden können. Grundsätzlich führten solche additiven Produktionsverfahren zu erheblichen Material- und Energieeinsparungen, da Strukturen direkt erzeugt werden könnten und nicht mehr mit viel Abfall aus dem Vollen geätzt oder gefräst werden müssten. Das treffe auf drei Megatrends des Elektronikmarktes: weitere Miniaturisierung bei höherer Effizienz und Produktionsgeschwindigkeit, flexiblere Formgebung und höhere Ökologie durch Material- und Abfallreduktion. Granek hofft mit seinem Unternehmen XTPL mit Sitz in Wroclaw auf Erlöse von über 22 Mio Euro in 2026.

Kunststoffrecycling durch Enzyme

Um Milliardenmärkte geht es bei der Recycling-Technologie des französischen Unternehmens Carbios. Grundsätzlich, so CEO Emmanuel Ladent, könnten sämtliche 460 Mio Tonnen PET-Kunststoff, die weltweit jährlich größtenteils aus Erdöl produziert werden (Stand 2019), problemlos mit der Carbios- Technik in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. Sie ermöglicht es, alle PET-Arten (Polyester, Polyethylenterephthalat) mit geringstmöglichem Energieaufwand zu recyceln, indem die beiden Ausgangsprodukte von PET, nämlich Terephthalsäure und Glykol, aus gebrauchten Verpackungen, gefärbten Textilien und anderen verschmutzten PET-Produkten bei niedrigen Temperaturen und Drücken ohne Lösemittel im Wasserbad mit enzymatischen Prozessen zurückgewonnen und getrennt gereinigt werden.

Aus diesen beiden Rohstoffen könne dann im selben herkömmlichen Prozess wie üblich neues hochreines PET gewonnen werden. Das Resultat habe dieselbe Qualität wie Neuware, löse das Abfallproblem und der Produktionsprozess
verursache nur halb so viel CO2.

Seit 2021 betreibt Carbios eine Pilotanlage in Frankreich. Zurzeit wird eine weitere Anlage mit einer Kapazität von 50.000 kt pro Jahr gebaut, die Anfang 2025 in Betrieb gehen soll. Mit PLA (Polylactic Acid) hat Carbios bereits den nächsten Kunststoff auf dem Prüfstand, der ähnlich wie PET enzymatisch in die beiden Ausgangsstoffe zerlegt, gereinigt und wieder zu PLA zusammengebaut werden soll, darüber hinaus aber auch biologisch abbaubar sei. Massenkunststoffe wie Polyolefine (Polyethylen und Polypropylen) stehen langfristig ebenfalls auf der Agenda. Zu den Kooperationspartnern gehören Firmen wie L’Oréal, L’Occitane oder Patagonia.

Familienunternehmen als Weltmarktführer bei Kupferlackdraht

Nicht nur Forschung und Technik, auch Unternehmensstrukturen können wesentlich für den Erfolg sein, auch wenn sie manchen Lehrbüchern widersprechen. Der Wirtschaftsingenieur und Maschinenbauer Peter Schildbach ist seit 2019 in dritter Generation im Management des Familienunternehmens Elektrisola tätig. Die Firma mit Hauptsitz in Eckenhagen im Bergischen Land hat 19 Produktionsstandorte auf 3 Kontinenten und ist der weltgrößte Hersteller dünner isolierter Kupferlackdrähte für die Elektroindustrie. „Lackdraht wird überall dort gebraucht, wo Elektrizität in ein Magnetfeld umgewandelt wird und umgekehrt.“ Schildbach berichtete über den Zeitaspekt im Familienunternehmen – in zwei Ausprägungen: schnelle Entscheidungen und langfristiges Denken. Mit welchem Zeithorizont wird geplant? Wie langfristig denkt das Management? Welchen Werten fühlt man sich verpflichtet und welche Freiheiten in der Geschäftsentwicklung hat man? Er traf sich dabei mit Leber auch in der Einschätzung, dass die kontinuierliche Verbesserung unter Berücksichtigung der Kundenperspektive einer der Erfolgsfaktoren von Firmen sei.

„Langfristiges Denken ist das erste Gebot bei Elektrisola. Ein gutes Beispiel dafür ist die Investition in die eigene Maschinenbaukompetenz. Wir haben bis heute über 2000 Lackdrahtmaschinen selbst gebaut und können uns durch guten Austausch zwischen Maschinenbau und Drahtproduktion kontinuierlich weiterentwickeln, auch wenn das hohe Fixkosten für 20 Ingenieure und 100 weitere Mitarbeiter in dieser Sparte mit sich bringt.“

Vom Manager zum Extremsportler

In einer multivisuellen Präsentation berichtete der Extremsportler Jonas Deichmann, 36, bis 2018 in einer schwedischen IT-Firma als Manager tätig, von seinem Triathlon einmal um die Welt. In 14 Monaten schwamm er ab September 2020 durch die Adria, gegen tückische Strömungen und teils in der Dunkelheit, radelte 20.000 Kilometer von Dubrovnik in Kroatien bis nach Wladiwostok im Südosten Russlands bei klirrender Kälte, und durchlief anschließend Mexiko in 120 Tagesmarathons. Er gab Einblick in seine Denkweise und Motivation, in seine Zielsetzung und den Umgang mit Rückschlägen. Einige seiner Kernsätze, seiner Ansicht nach auch im Management anwendbar, lauten:

– Ich beginne meinen Tag immer mit der unliebsamsten Aufgabe;
– Ich zerlege gedanklich jeden Tag in kleine Teile und habe so mehrere Erfolgserlebnisse;
– Mein Triumph ist der Start, nicht das Ziel;
– Jedes Teilziel muss anspruchsvoll, aber erreichbar sein;
– Nicht übertreiben – wenn das Tagesziel erreicht ist, auch aufhören.

Die Kapitalverwaltungsgesellschaft Acatis Investment mit einem auch 2023 weiter gewachsenen Anlagevermögen von über 12 Mrd. EURO und rund 40 Mitarbeitern konzentriert sich auf wertorientiertes Investieren und veranstaltet jährlich die Value-Konferenz zum Ideenaustausch in der Investmentbranche.

(Acatis Investment)

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