Eine Vielzahl traditioneller Makro-Indikatoren deutet für 2021 auf ein besseres Wachstum der Weltwirtschaft hin. Einige dieser Indikatoren beinhalten den verzögerten Einfluss sinkender Anleihenrenditen, den kumulierten Effekt vergangener Konjunkturmaßnahmen, das niedrige Energiepreisniveau und hohe private Sparquoten in China, den USA und Europa, die eine aufgestaute Kaufkraft anzeigen. Die Erholung verläuft bereits unerwartet kräftig, doch die Wirtschaftspolitiker in den Industrieländern möchten jeglichen Konjunkturausrutscher infolge der neuen Kontaktbeschränkungen abfedern und legen ihr ganzes Augenmerk weiterhin auf die Unterstützung einer vollständigen Erholung am Arbeitsmarkt.
Die Pandemie hat einen umfangreichen Systemwechsel ausgelöst, der zumindest auf kurze Sicht ebenfalls für einen stärkeren Ausblick spricht. 40 Jahre lang bestand das Ziel der US-Makropolitik darin, die Rückkehr der Inflation zu verhindern, auf einen ausgeglichenen Haushalt hinzuarbeiten und Geld- und Fiskalpolitik voneinander getrennt zu halten. Dieses System besteht vorerst nicht mehr. Vor fast 40 Jahren setzte Paul Volcker mit seiner Ankündigung, dass die US-Notenbank (Fed) die Geldmengenaggregate zur Brechung der Inflation nutzen werde, einen Meilenstein. Der Fed-Vorsitzende Jay Powell setzte mit seinem Bekenntnis, die Zinssätze auf Null zu halten, bis die Inflation über zwei Prozent steigt, und seiner Ermutigung an den Kongress, dass die Risiken zu geringer Konjunkturanreize viel größer seien als jene zu hoher Anreize, einen eigenen Meilenstein. Das Vehikel zur Erreichung des Fed-Zieles einer höheren Inflation werden koordinierte Staatsausgaben sein. Dieses neue System ist wie der wahr gewordene Traum eines Politikers.
Die einzige bekannte Unbekannte, die diesem positiven Ausblick entgegensteht, ist das Covid-19-Virus und die Reaktion der Regierungen und Menschen darauf. Vielversprechende Impfstoffentwicklungen verstärken jedoch deutlich die Argumente für eine über den Erwartungen liegende Erholung im Jahresverlauf. China hat bereits gezeigt, wie es geht. Die Behörden des Landes brachten die Epidemie durch die strikte Befolgung von Kontaktbeschränkungen und umfassendes Testen wirksam unter Kontrolle. In der chinesischen Wirtschaft haben sich viele Sektoren wieder normalisiert, während andere an Fahrt aufnehmen. Der Fortschritt ist so groß, dass die chinesischen Währungsbehörden die Anreize bereits wieder drosseln. Falls sich die Impfstoffe als wirksam erweisen, könnte die weltweite Erholung bis Ende des kommenden Jahres sehr überraschend ausfallen.
Nachlassende Unsicherheit bei globalen Anleihen
Um in Bezug auf die Entwicklung von Anleihen 2021 eine Aussage treffen zu können, müssen drei wichtige Aspekte berücksichtigt werden: Erstens und vor allem ist dies der bleibende Einfluss von Covid-19 auf die Weltwirtschaft. Die Pandemie wird sich im ersten Halbjahr auf die Wirtschaftsaktivität auswirken. Im zweiten Halbjahr wird es zu einer deutlichen Wende kommen. Diese Auswirkungen werden jedoch nicht in allen Ländern gleich sein. Zudem wird es erst nach dem Gewittersturm aufklaren, denn die Infektions- und Mortalitätsraten werden hoch bleiben, solange es noch keine breit angelegte Impfkampagne gibt. Wir müssen jedoch bedenken, welches Szenario bereits in der Stimmung am Anleihenmarkt abgebildet ist. Der Markt für Staatsanleihen scheint seinen Blick auf 2021 zu richten, wenn der Impfstoff generell verfügbar sein wird. Als die Hospitalisierungsraten bei den beiden vorherigen Malen bei rund 60.000 Menschen lagen, gab es eine Flucht in die Sicherheit von Staatsanleihen. Dieses Mal nicht, obwohl die Hospitalisierungsrate bei 100.000 liegt und steigen dürfte. Diese Änderung signalisiert, dass der Markt für Staatsanleihen eher in die Zukunft blickt und beginnt, 2021 eine durch die allgemeine Verteilung der Impfstoffe gestützte Normalisierung einzupreisen.
Der zweite zentrale Faktor für die Einschätzung des weiteren Weges an den globalen Anleihenmärkten beinhaltet eine Ausweitung der Unsicherheitsanalyse auch auf „politische und wirtschaftliche“ Unsicherheit. Dieser Faktor ist eher auf die USA konzentriert, hat jedoch auch globale Tragweite. Anfang Januar kommt es im Bundesstaat Georgia zu einer Stichwahl um den Senat, die für die politischen und wirtschaftlichen Fragen in den USA große Bedeutung hat. Im Gegensatz zu Präsident Trump ist der designierte Präsident Biden nicht dafür bekannt, Unsicherheit als Waffe einzusetzen. Daher rechnen wir 2021 und danach mit weniger politischer Volatilität. Falls der Senat wie erwartet unter Kontrolle der Republikaner bleibt, wird es weniger „wirtschaftliche“ Unsicherheit geben. Die Blockade wird der Fraktion der „Problemlöser“, einer Gruppe gemäßigter Politiker, mehr Einfluss verleihen.
Der dritte Faktor umfasst die weltweite Geldpolitik, wo wir aufgrund von zwei entscheidenden Einflüssen ebenfalls mit weniger Unsicherheit rechnen. Erstens und vor allem dürfte die Inflation 2021 kein erhebliches Problem darstellen, sodass die weltweite Geldpolitik auf eine stärker akkommodierende Politik ausgerichtet sein wird. Diese Erwartung unterscheidet sich drastisch von der Zeit nach der globalen Finanzkrise, als es eine kollektive Eile zur Aufhebung der politischen Anreize gab. Die damaligen „unorthodoxen“ Maßnahmen schürten die Angst vor einer geldpolitisch bedingten Inflation. Dazu kam es jedoch nicht. Die Zentralbanken haben ihre Haltung zur Inflation seitdem geändert und würden einen Preisanstieg 2021 eher begrüßen. Im Gegensatz zu früher würden sie dies nicht bekämpfen. Falls die Marktzinssätze steigen sollten, erwarten wir vermehrte Äußerungen über eine mögliche Steuerung der Renditekurve. Doch so weit ist es noch nicht.
Welche Auswirkungen hat diese „Stufenfunktion“, die die medizinische, politische, wirtschaftliche und geldpolitische Unsicherheit verringert, auf den Markt? Sie bedeutet, dass die Volatilität am Anleihenmarkt niedrig bleiben wird. Dies wird die generelle Suche nach Rendite 2021 stützen. Mit dieser Entwicklung einher geht ein Mangel an Rendite. Derzeit weisen nominale Staatsanleihen im Wert von mehr als 17 Billionen US-Dollar negative Renditen auf. Unter dem Strich werden festverzinsliche Wertpapiere, die im Vergleich zu diesem riesigen Pool an negativ rentierenden Anleihen eine risikobereinigte Rendite bieten, enorme Kapitalzuflüsse verzeichnen. Die Spreads haben sich bei den meisten nicht-staatlichen Schuldtiteln bereits verengt, doch es gibt noch Spielraum. Wir erwarten jedoch, dass der Hauptnutznießer dieser Kapitalzuflüsse Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer sein werden. Auf Basis der realen Rendite erscheinen sie gegenüber Anleihen der Industrieländer absolut und relativ weiterhin attraktiv.
(Brandywine Global)