Mit Ende des Sommers tritt an den Finanzmärkten gern mal eine Phase erhöhter Nervosität ein. Zum Teil liegt das an der Historie, denn schon oft hat es im September Ereignisse gegeben, welche die bis dato erzielte Performance radikal verschlechterten – zu denken nur an 9/11 oder die Lehman-Pleite 2008 – und den September zu einem Monat mit eher zweifelhaften Ruf machten.
Zum Teil mag dies auch daran liegen, dass bis zum Sommer akzeptierte Gewinnerwartungen im September, nach dem Ende der Berichtssaison für das zweite Quartal, gern in Frage gestellt werden. Zumindest an dieser Front gibt es 2017 Entwarnung, denn das synchronisierte Wachstum quasi rund um den Planeten dürfte für stabile Gewinnschätzungen für den Rest des Jahres sorgen. Ungemach droht eher von anderer Seite.
Da sind zunächst die Zentralbanken. Vermutlich wird die Fed sehr bald verlauten lassen, wie stark sie demnächst ihre Bilanzsumme verkürzen will und ob sie in diesem Jahr noch einmal die Zinsen erhöht.
Bei der EZB ist eher die Frage, ab wann das Tempo des Anleihekaufprogrammes (QE) verlangsamt wird und ggf. um wie viel. Zu beiden Fragekomplexen hatten sich Marktbeobachter Aufschluss erhofft, denn die beiden beteiligten Zentralbankchefs befanden sich auf der Rednerliste der Zentralbankerkonferenz in Jackson Hole Ende letzter Woche. In der Tat sprachen auch beide, vermieden aber Aussagen zur Geldpolitik.
Janet Yellen erinnerte – durchaus mit Fingerzeig gegenüber dem Weißen Haus – an die Segnungen strafferer Finanzmarktregulierung, Mario Draghi lobte vor allem den Erfolg der bisherigen EZB-Maßnahmen und stellte klar, dass Europa noch lange sehr lockere Geldpolitik brauchen wird. Wichtig aus Sicht der Märkte war aber nicht so sehr, was Yellen und Draghi sagten, sondern eher, was sie nicht sagten. Allein daraufhin, dass Draghi die starke und aus Sicht der EZB unerwünschte Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar unerwähnt ließ, stieg die europäische Währung um knapp einen Cent.
Die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantik
Befindet sich die Geldpolitik also auf beiden Seiten des Atlantik im Selbstfindungsmodus, rüsten sich in Washington D.C. die fiskalpolitischen Entscheider zum Kampf. Bis spätestens 1. Oktober muss nämlich der US-Kongress den Haushalt 2018 beschließen (Appropriation Bill) oder das bestehende Gesetz verlängern (Continuing Resolution). Außerdem könnte Ende September, spätestens wohl Anfang Oktober erneut die Schuldenobergrenze erreicht werden. Auch hier müsste der Kongress eine Erhöhung beschließen.
Normalerweise würden Anleger wohl davon ausgehen, dass eine Regierung mit Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses diese Situation sicher umschifft. Aber mit einem Präsidenten, der offen mit dem ‚government shutdown‘, also der Einstellung von staatlichen Zahlungen für den Fall droht, dass der Kongress ihm die Mauer an der mexikanischen Grenze nicht genehmigt, ist eben nichts mehr normal. Auch innerhalb der republikanischen Partei hat das politische Durchsetzungsvermögen Trumps inzwischen so arg gelitten, dass ein glattes Durchwinken seiner Wünsche nicht als selbstverständlich gelten dürfte.
Es gibt in jedem Fall genügend Stolpersteine auf dem Weg zu einem neuen Haushaltsgesetz und einem höheren Schuldendeckel. Angesichts der noch jungen Erfahrungen mit der Reaktion um die Schuldengrenze 2011 oder das Zahlungsmoratorium 2013 kann da durchaus Unruhe auf die Finanzmärkte zukommen.
Was bedeutet das für die Anleger?
Angesichts dieser Drohkulisse ist es beruhigend, dass die Bundestagswahl, ein weiteres nicht ganz unwichtiges Ereignis im September, nicht das Zeug zum Aufreger hat. Am kommenden Sonntag erhält Herausforderer Martin Schulz anlässlich der TV-Debatte seine erste und vielleicht einzige Chance, Punkte gegenüber Angela Merkel gutzumachen. Die Kanzlerin, für die TV-Duelle nicht zu ihren stärksten Disziplinen zählen, hat sich durch ein straffes Korsett des Fernsehformats bereits dagegen abgesichert, allzu deutlich gegenüber Schulz abzufallen. Wir glauben mithin nicht, dass das Duell der SPD entscheidend nutzen wird.
Ansonsten schauen wir in dieser Woche auf wichtige Inflationszahlen in Europa und den USA. In Europa wird der harmonisierte Verbraucherpreisindex bei 1,4% erwartet, etwas stärker als im Juli (1,3%). Allerdings dürfte die Kerninflationsrate eher auf 1,2% nachgeben (von 1,3% im Juli). Durchwachsene Nachrichten also für die EZB.
In den USA steht der Kerndeflator der Konsumausgaben auf dem Programm. Er sollte vom bisherigen Niveau von 1,5% nicht weiter abbröckeln, um die Fed auf Kurs zu halten. Letztere wird mit Sicherheit auch auf den Arbeitsbericht am Freitag schauen. Enttäuschende Zahlen etwa, also neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft von weniger als 185.000 oder Lohnzuwächse von weniger als 2,5%, würden die Markterwartungen einer entschlossen einbremsenden Fed wohl erheblich dämpfen. (BR)