Kohl war leicht beleidigt, eingeschnappt, im Zweifel auch fähig zum Jähzorn. Hinter Kritik witterte er Intrige und Ablehnung, nicht Konstruktivität. Merkel hat ein viel differenzierteres Gespür für jene Menschen, die ihr vielleicht nicht nahestehen, ihr aber auch nicht übelwollen. Auch das hilft der Kanzlerin, bei sich zu bleiben, allem Höhenflug zum Trotz. Wenn ein Politiker authentisch ist im Fallgestrick der Berliner Republik, dann ist es Merkel. Auch deshalb hat sie viele Sympathisanten weit über das engere Umfeld hinaus. In der SPD. Bei den Grünen. Gegner findet man eher im eigenen Lager. Wenn man sie noch findet. Von Friedrich Merz redet schon keiner mehr. Vielleicht ist das eine Schwäche. Dass Merkel es nicht geschafft hat in den Jahren, in denen sie den CDU-Vorsitz innehat, auch die strenger Konservativen und Marktradikalen einzubinden in ihr Geflecht. Die misstrauen ihr weiterhin. Dass das Wahlergebnis der Union ausfällt, wie es jetzt zweimal ausgefallen ist, liegt auch an diesem Umstand. Es wird ein internes Ziel ihrer zweiten Amtszeit sein müssen, diesen Flügel der CDU nicht ganz zu verlieren. Unterm Strich aber: Es ist einer der großen Vorteile Angela Merkels, dass sie die Präsidentenkanzlerin nicht spielen muss. Sie ist die Präsidentenkanzlerin. Sie ist, wenn es so etwas überhaupt gibt in der deutschen Politik, weitgehend ideologiefrei. Naturwissenschaftlerin. Probleme sind durch Denken lösbar. Häufig gibt es sogar sehr unterschiedliche Wege, um an das richtige Ziel zu gelangen. Und so regiert sie auch. Ab heute weitere vier Jahre.
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