Vor einem Jahr prägte noch synchrones Wachstum die Weltwirtschaft. Die Erwartungen aus Anlegersicht für 2018 waren zwar nicht euphorisch, aber doch positiv – zu positiv, wie sich im Laufe des Jahres herausstellte. Vor allem die Aktienmärkte in Europa und Asien, aber auch risikotragende Assets aus dem Zinsbereich enttäuschten. „Jetzt, kurz vor Jahresstart 2019, herrscht extreme Skepsis, die sich in den Kursen widerspiegelt. Anleger sind sehr vorsichtig, unserer Ansicht nach zu vorsichtig“, sagt Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland). Auch wenn der Konjunkturzyklus seine späte Phase erreicht hat, dürfte 2019 noch kein Ungemach drohen. „Wir erwarten keine Rezession im kommenden Jahr, weder weltweit noch in den größeren Staaten“, so Heger.
Niedriger Ölpreis und China verleihen der globalen Konjunktur Rückenwind
Für seine Zuversicht hat er gleich mehrere Gründe. So ist das Zinsniveau weltweit immer noch sehr gering, und es gibt keine restriktive Fiskalpolitik, die die Konjunktur ausbremsen könnte. Stattdessen dürften zwei neuere Entwicklungen das Wachstum zusätzlich stimulieren. „Der wichtigste Punkt ist der Rückgang des Ölpreises. Dieser hat einen entlastenden Effekt auf den Konsum in vielen Ländern“, so Heger. Er rechnet damit, dass der Ölpreis erst einmal auf seinem jetzigen Niveau von 60 bis 65 Dollar pro Barrel verharrt. Die Nachfrage ist nicht so stark gestiegen wie erwartet, und das deutlich gewachsene Angebot in den USA dürfte auch die jüngst vereinbarten Förderkürzungen der OPEC-Länder kompensieren.
Ebenfalls positiv bewertet er Chinas Rückkehr zu geld- und fiskalpolitischen Anreizen für die Volkswirtschaft. Diese Maßnahmen sollten das Wachstum über die nächsten Monate stabilisieren und vielleicht sogar etwas beschleunigen. Das hilft auch der Weltwirtschaft und vor allem der asiatischen Region.
USA bleibt vorerst Wachstumslokomotive, aber auch Europa wächst
In den USA stärken die rekordtiefe Arbeitslosigkeit und mit drei Prozent steigende Löhne weiterhin den privaten Konsum. Investitionen sind auf hohem Niveau, stimuliert durch Ölinvestitionen und die Steuerreform. „In der zweiten Jahreshälfte läuft der Fiskaleffekt jedoch aus und die Wachstumsdynamik dürfte abflauen“, sagt Heger.
In Europa sieht er Unterstützung durch den gesunkenen Ölpreis und den wieder schwächeren Euro. Wachsende Defizite in Italien, aber auch in Frankreich könnten zwar mittelfristig ein Problem darstellen, kurzfristig dürften sie aber eher zusätzliche fiskalische Impulse setzen. Hinzu kommen ein verbesserter Arbeitsmarkt und robustes Lohnwachstum, so dass Heger in der Eurozone mit rund ein Prozent Wachstum für 2019 rechnet. „Die weiteren Entwicklungen zum Brexit sind schwer abzuschätzen. Unsere Hauptszenario fußt aber weiterhin darauf, dass es zu keinem harten Brexit kommen wird“, so der Investmentstratege. Insgesamt erwartet er ein Weltwirtschaftswachstum von gut drei Prozent, und damit etwas weniger als 2018.
Liquiditätsumfeld verschlechtert sich, aber die Zinsen bleiben niedrig
Für die Kapitalmärkte spielt nicht nur die Konjunktur, sondern auch die Notenbankpolitik eine Rolle. Da sich die US-Konjunktur im zweiten Halbjahr abschwächen dürfte, rechnet Heger nur mit ein bis zwei Zinsschritten im kommenden Jahr. Entsprechend sollte der Dollar nicht weiter an Stärke gewinnen, sondern eher etwas verlieren. „Dies wäre eine deutliche Entlastung für die Emerging Markets und würde die Spannung in der Weltwirtschaft insgesamt lockern“, sagt Heger. Von der Europäischen Zentralbank erwartet er 2019 noch keine Leitzinserhöhung, lediglich die Einlagefazilität könnte aus dem Minusbereich auf null Prozent angehoben werden. Das Liquiditätsumfeld wird jedoch schwieriger für die Finanzmärkte. 2019 fließt keine zusätzliche Liquidität mehr in die Märkte, sondern es wird sogar durch die Bilanzkürzungen der US-Notenbank eher etwas abgeschöpft.
Kaufgelegenheit an den Aktienmärkten, Europa und Japan bevorzugt
Dennoch sieht Heger 2019 Chancen an den Aktienmärkten: „Wir erwarten weder kräftig steigende Geldmarktsätze noch eine Rezession. Die Unternehmensgewinne dürften daher stabil bleiben oder sogar leicht wachsen.“ In den USA rechnet er für 2019 mit einem Gewinnwachstum von fünf bis acht Prozent, in der Eurozone mit rund fünf Prozent. Ein starkes Argument liefern die günstigen Bewertungen, die in Europa und Asien unter den langfristigen Durchschnitten liegen – und das bei anhaltend niedrigen Zinsen. „Die Risikoprämie für Aktien ist daher mit etwa 650 Basispunkten in der Eurozone ungewöhnlich hoch. Asiatische Aktien liefern ähnliche Werte “, sagt Heger. Selbst US-Aktien sind seiner Ansicht nach nicht mehr überteuert. Die aktuelle Skepsis der Marktteilnehmer hält er daher für übertrieben und sieht die günstigen Preise als Kaufgelegenheit. Er rechnet mit zunächst wieder anziehenden Aktienbörsen, stellt sich aber gleichzeitig auf ein sehr volatiles Jahr ein.
Attraktive Anleihesegmente schwer zu finden
Für die Aktienmärkte spricht auch, dass an den Anleihemärkten kaum Wertpotenzial vorhanden ist und attraktive Anlagen rar gesät sind. „Wir halten zurzeit kurzfristige US-Staatsanleihen als Beimischung geeignet, sehen den Dollar im Jahresverlauf aber eher abwerten“, so Heger. Durch die Ausweitung der Risikoaufschläge haben zudem Unternehmensanleihen in der Eurozone wieder etwas an Attraktivität gewonnen.
(HSBC Trinkaus & Burkhardt AG)