Die US-Präsidentschaftswahl im November wird den politischen Rahmen der USA für die nächsten vier Jahre bestimmen, und der Ausgang der Kongresswahl wird zeigen, inwieweit der nächste Präsident diese Politik umsetzen kann. Gleichwohl ist die Wahl nur einer der Faktoren, die die Aktienmärkte bewegen. Die aktuellen Corona-Entwicklungen werden in den kommenden Monaten die Märkte stärker beeinflussen, und mittelfristig werden die Gewinnentwicklung und die Geldpolitik wichtige Faktoren sein, so die Strategen von NN Investment Partners (NN IP).
US-Präsident Donald Trump und sein Kontrahent Joe Biden haben unterschiedliche Positionen zur Wirtschafts- und Regulierungspolitik, zum Klimawandel und zu internationalen Beziehungen. Einige Marktsegmente könnten sich in eine völlig andere Richtung entwickeln, je nachdem, ob Trump eine zweite Amtszeit gewinnt oder eine neue Biden-Regierung das Ruder übernimmt. Die Märkte werden voraussichtlich positiv reagieren, sobald das Ergebnis feststeht und die Ungewissheit kein Faktor mehr ist. Allerdings könnte dies länger dauern als bei vergangenen Wahlen, sollte die Stimmenauszählung mehr Zeit als üblich in Anspruch nehmen oder ein Kandidat das Ergebnis anfechten.
NN IP identifiziert Marktsegmente und Investmentthemen, die unter einer Biden- oder Trump-Regierung besser bzw. schlechter abschneiden werden. „In der Vergangenheit haben die Märkte unabhängig von der politischen Couleur des Präsidenten gut oder schlecht abgeschnitten. Was am Ende zählt, ist die Wirtschaftslage, die der Präsident vorfindet“, sagt Marco Willner, Head of Investment Strategy bei NN Investment Partners. „In den kommenden Monaten werden die Ausbreitung des Corona-Virus, der Umgang damit und die Verfügbarkeit eines Impfstoffs zweifellos wichtigere Markttreiber sein.“
Bidens Politik stellt Investitionen in Infrastruktur und Energiewende in den Vordergrund
Biden plant, die Unternehmenssteuern von 21 % auf 28 % zu erhöhen, was die Unternehmensgewinne schmälern würde, und über vier Jahre 2 Billionen US-Dollar in Infrastruktur- und umweltfreundliche Projekte zu investieren, um die Kohlenstoffemissionen zu senken und bis 2050 eine Null-Emissions-Wirtschaft zu erreichen. Das Investitionsprogramm käme Sektoren wie Baustoffen, öffentliche Nahverkehrseinrichtungen und anderen Investitionsgütern zugute sowie Unternehmen, die die Energiewende unterstützen, z. B. in den Bereichen Elektrizität, erneuerbare Energien und Versorgungsunternehmen. Diese Pläne würden auf Kosten der Unternehmen für fossile Energieträger und der Automobilhersteller gehen. Die Autobauer könnten strengeren Emissionsvorschriften unterworfen werden, was zu einem Investitionsanstieg bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen führen würde.
Zweite Trump-Periode würde bekannte Elemente von Steuervergünstigungen bieten
Trumps Politik richtet sich auf Unternehmenssteuervergünstigungen, mit denen Arbeitsplätze in die USA zurückgewonnen werden sollen. Es ist zu erwarten, dass der Schwerpunkt weniger auf der Regulierung des Finanzsektors liegt. Ein Sieg von Trump würde auch einen wohlwollenderen Umgang mit der Erdölindustrie bedeuten; die Bekämpfung des Klimawandels stünde möglicherweise nicht ganz oben auf der Tagesordnung. Energie-, möglicherweise Finanz- und wahrscheinlich Technologiewerte würden unter Trump besser abschneiden als unter Biden, obwohl Trump den marktbeherrschenden Technologieunternehmen sowie Kommunikationsdienstleistern voraussichtlich strengere kartellrechtliche Vorschriften auferlegen würde. Die Gesundheitsbranche wird wahrscheinlich unter beiden Wahlergebnissen leiden. Die Arzneimittelpreise werden unter die Lupe genommen werden, und beide Kandidaten wollen Änderungen am Affordable Care Act vornehmen, wenn auch auf entgegengesetzte Weise.
Auch in der Außenpolitik dürften wir unter einer Regierung Bidens einen konventionelleren, weniger konfrontativen Kurs erwarten. Bei den Beziehungen zu China hinsichtlich des Transfers von geistigem Eigentum sind sich beide Parteien jedoch einig. Unter dem Strich könnte eine Biden-Regierung den nicht-amerikanischen Aktienmärkten mehr nutzen als dem US-Aktienmarkt.
Wahlen sind nur ein Einflussfaktor auf die Aktienmärkte
Alles zusammengenommen kommen wir zu dem Schluss, dass eine Biden-Regierung für einen reflationären Handel von Vorteil wäre. Zyklische und Value-Sektoren könnten outperformen. Der Finanzsektor könnte, selbst wenn er stärker reguliert wird, durch eine Versteilung der Zinskurve unterstützt werden – soweit die Federal Reserve dies erlaubt. Wir erwarten auch einen kräftigeren Impuls für nachhaltige Investments. Aber der Realisierungsgrad der Wirtschaftsprogramme wird von der Zusammensetzung des Kongresses abhängen. Eine gespaltene Regierung würde die Pläne beider Regierungen schwächen und die Politik dem Status quo viel näher bringen.
Die US-Wahl ist ein wichtiges Ereignis, das den politischen Rahmen für die nächsten vier Jahre festlegt, aber sie ist nur einer der Faktoren, die die Aktienmärkte beeinflussen. Die wichtigsten mittelfristigen Aktientreiber bleiben die Gewinnentwicklung und die geldpolitischen Rahmenbedingungen. An beiden Fronten sehen wir Grund zum Optimismus. Die Konsenserwartung von 30 % für das Wachstum der Unternehmensgewinne im nächsten Jahr ist realistisch, wenn ein Impfstoff gegen Mitte 2021 eine Normalisierung der Wirtschaft ermöglicht. Es wird erwartet, dass die Federal Reserve Bank unter ihrem neuen durchschnittlichen Inflationsziel ihre Zinsen so lange wie möglich niedrig halten wird. Fügt man zu dieser Gleichung noch eine attraktive Risikoprämie für Aktien und eine vorsichtige Positionierung der Investoren hinzu, dann könnten die Märkte einen Aufschwung erleben, sobald die Ungewissheit der Wahlen hinter uns liegt. Hoffentlich in zwei Wochen – unabhängig vom Wahlergebnis.
(Dolphinvest)