Finanzberater kümmern sich nicht um junge Menschen. Das zumindest ließe sich folgern, wenn über Zielgruppen und Produkte, über Geldverdienen und Sparen gesprochen wird. Oder wenn Statistiker zitiert werden, nach denen Beraterkunden allesamt eher älteren Semesters sind. Dabei aber handelt es sich um ein Missverständnis, das dringend aufgeklärt werden sollte.
Denn eines vorweg: Junge Menschen, Studenten, Berufseinsteiger, junge Selbstständige, Familiengründer und Eigenheimbauer haben in der Regel weniger Geld frei für eine Anlage. Sie haben aber gleichzeitig einen erhöhten Beratungsbedarf. Aus Beratersicht gesprochen: Sie machen viel Arbeit, bringen aber kein Geld. Aus Kundensicht gesehen: Die echte Beratung kostet viel Geld, das ich nicht habe, da gehe ich lieber zu einem kostengünstigen Fintech oder Robo Advisor.
Also ein unauflösbarer Interessenkonflikt? Nein, im Gegenteil. Es ist entscheidend, dass sich Berater um junge Menschen kümmern, schon früh Vertrauen aufbauen und dann irgendwann auch Geld mit diesen Kunden verdienen. Junge Kunden wiederum brauchen professionelle Beratung bereits früh – und zwar durch den Rat eines echten Menschen.
Warum? Weil Millennials nicht mehr überwiegend die Lebensentwürfe der Eltern übernehmen: nach Ausbildung oder Studium einen Job antreten, nach und nach in den Gehaltsstufen steigen bis die Familie gegründet, das Haus gebaut und vielleicht abbezahlt ist, um dann für die Nachkommen zu sparen. Diese Generation nutzt sich bietende Freiheiten bei Jobs aus, arbeitet bereits während der Ausbildung in Projekten und setzt diese Arbeitsweise auch später fort. Einnahmen und Beförderungen sind weniger linear und weniger planbar.
Das aber bedeutet, dass diese Generation auch ihre Finanzen anders planen muss. Ein linearer Sparplan ist sicherlich schön, aber bei stark schwankenden Einnahmen nicht immer umsetzbar. Gleichzeitig bringen Projekte manchmal so viel Geld auf einmal, dass eine sinnvolle Entnahmeplanung durchgeführt werden muss. Oder eine Sparplanung, damit der Wunsch etwa nach einem eigenen Haus auch irgendwann realisiert werden kann, ohne der Bank ein festes Einkommen nachzuweisen.
Diese Beratung ist aufwendiger und erfordert Menschen, die sich im Markt und bei den Produkten wirklich auskennen. Die auch einen Blick über den Tellerrand werfen. Ein Vorteil: Seit die Regulierung immer mehr Transparenz verlangt und beispielsweise mit der Vereinbarung von Serviceentgelten neue Wege bei der Entlohnung der Beratungsleistung gegangen werden, ist die Preisgestaltung für Berater einfacher geworden. Sie müssen sich nicht an provisionsstarken Produkten orientieren, sondern können ihre Expertise nach Stunden oder auch pauschal abrechnen. So lässt sich auch bei Menschen mit geringen Anlagesummen Geld verdienen – und sehr gerechtfertigt noch dazu, denn Beratung ist wertvoll.
Außerdem werden sich die Ansprüche der jungen Kunden ja im Laufe der Zeit ändern: Sie werden älter, verdienen vielleicht mehr, steuern auf Investments zu und schließen Verträge ab, die auch für Berater interessant sind. Hier ist es entscheidend, die Kunden nicht erst in diesem Alter zu gewinnen, sondern das gegenseitige Vertrauen bereits vorher aufgebaut zu haben, denn Verlässlichkeit wird immer mehr die Basis für jede Beratungsleistung sein. Angesichts der Vielzahl von Robo Advisors oder Fintechs, die um die junge Klientel werben, lässt sich der Preiswettbewerb nicht wirklich gewinnen. So bieten gute Plattformen ihren Beratern zwar alle Services, mit denen sich das Geschäft ebenso effizient erledigen lässt wie es ein Robo tut. Aber Robos verkaufen nach einer bestenfalls oberflächlichen Beratung Standardpakete, die dem Kundenbedürfnis möglichst nahekommen. Individuell ist das nie, aber kostengünstig zu produzieren. Qualifizierte Beratung mit wirklich individuellen Lösungen ist mehr wert und kostet auch mehr.
Ein scheinbares Dilemma ist, dass Millennials keine hohe Beratungsgebühren bezahlen können oder wollen. Gleichzeitig sehen sie, dass Robos nur Standard bieten, der nicht immer ihren Bedürfnissen entspricht. Die Reaktion ist leider allzu oft: Kopf in den Sand stecken. Das aber bedeutet, dass ein großer Teil der Menschen nicht mehr beraten wird oder sich von der Marketingaktion einer Bank hier oder dem Werbeversprechen eines Produktanbieters dort zu Produktkäufen verleiten lässt, die keiner erkennbaren Strategie folgen.
Darauf kann die Antwort der Berater nur sein, verstärkt junge Menschen anzusprechen, den Wert der Beratung zu verdeutlichen – und eventuell auch bei den Gebühren am Anfang Abstriche zu machen. Das kann sich lohnen: Eine langfristig gute Beziehung zum Kunden ist allemal mehr wert als ein schneller Abschluss.
(Moventum)