Der weite Weg nach Jamaika
Erfahrene Karibikurlauber wissen, dass türkisfarbenes Wasser und malerische Palmen manchmal trügen können. Schnell wird aus einer sanften Tropenbrise ein veritabler Sturm. Eine Erfahrung dieser Art scheinen gerade die Jamaika-Sondierer in Berlin zu durchlaufen, denn nach zwei Wochen intensiven Austausches sieht es an manchen Stellen doch sehr nach verhärteten Positionen aus.
Knackpunkte sind bisher vor allem die Klimapolitik (Abschied vom Verbrennungsmotor, Kohleausstieg etc.) und Migration (Familiennachzug, Obergrenze), aber auch das Thema Europa dürfte noch für harte Auseinandersetzungen sorgen. Für die Finanzmärkte ist besonders dieser letzte Bereich interessant, weil natürlich die Frage, ob Griechenland Teil des Euroraumes bleibt oder nicht, bzw. ob die neue Bundesregierung die Reformvorschläge des französischen Präsidenten unterstützt, erheblichen Einfluss auf die südeuropäischen Spreads haben dürfte.
Leider ist aber weder beim Klima noch bei den Themen Migration und Europa absehbar, dass sich die Jamaika-Sondierer ähnlich schnell einig werden könnten wie bei der Erkenntnis, dass Deutschland bezüglich Digitalisierung ein Entwicklungsland ist. Letzteres ist an OECD- und sonstigen Statistiken so eindeutig ablesbar (und darüber hinaus für jeden spürbar, der hierzulande einen Rechner einschaltet), dass die politischen Entscheidungsträger dem Problem nicht mehr aus dem Weg gehen können.
Die gute Nachricht ist also, dass es in der nun beginnenden Legislaturperiode endlich Investitionen in Breitband etc. geben dürfte. Was aber, wenn sich die Möchtegern-Koalitionäre bei den drei anderen Streitthemen nicht so einfach einigen können? Kommt es dann doch noch zur Neuauflage der allseits inzwischen so ungeliebten Großen Koalition?
Vermutlich nicht. Zwar könnte man darüber mutmaßen, ob das Angebot, den Finanzminister zu stellen, die SPD nicht doch an den Verhandlungstisch zurückbringen könnte. Es gibt wohl Teile der Partei, die bei einer derartigen Offerte nachdenklich werden würden.
Allerdings sprechen zwei gravierende Argumente dagegen:
Erstens fasst die Parteispitze den Wahlsieg in Niedersachsen, der auf einem konfrontativen Wahlkampf gegen die CDU basierte, als Lehrstück für Berlin auf. Zweitens dürfte die Angst, in einer erneuten Großen Koalition von der CDU/CSU vollends marginalisiert und bei der nächsten Bundestagswahl vielleicht zur 15%-Partei zu werden, viele SPD-Mitglieder von einem erneuten Zusammengehen mit der Union zurückschrecken lassen. Dies umso mehr, weil man für den Fall eines Regierungseintritts ausgerechnet der AfD die Rolle der größten Oppositionspartei im Bundestag und damit, nach den Regeln des Parlaments, eine noch größere Öffentlichkeitswirkung verschaffen würde. Vieles spricht also dafür, dass sich die SPD im Falle eines Scheiterns der Jamaika-Gespräche für Neuwahlen aussprechen würde. Umso größer ist der Druck auf Union, FDP und Grüne, die Regierungsbildung hinzubekommen.
Was bedeutet das für Anleger?
Indessen kämpft US-Präsident Donald Trump um hübsche Bilder seiner Asienreise und darum, doch noch eine einigermaßen versöhnliche Bilanz seines ersten Amtsjahres zu erreichen. Letzteres dürfte aber vom Erfolg beim Großprojekt Steuerreform abhängen, das nun im Kongress beraten wird. Die Zustimmung gilt nicht als sicher, denn bei der Gegenfinanzierung fehlen die rund 350 Mrd. Dollar, die Trump aus der Abschaffung von Obamacare eingeplant hatte.
Kommt die Steuerreform, bei der die Senkung der Unternehmenssteuern von 35 auf 20% ein Kernelement ist, dürfte dies also in Ermangelung sonstiger Gegenfinanzierungsquellen zu einer markanten Ausweitung der Staatsverschuldung führen. Platziert das Schatzamt dann mehr Anleihen und steigen die US-Zinsen, dürfte dies Anlagekapital in die USA saugen und den Dollar stärken. Wir sollten dies also genau im Auge behalten. Ein Schlüsselelement ist und bleibt, ob die mächtigen republikanischen Mehrheitsführer im Kongress Donald Trump diesen Erfolg gönnen oder nicht.
Derweil wird an der Spitze der Fed ab Februar 2018 mit Jerome Powell erstmals seit den 1970er Jahren wieder ein Jurist das Sagen haben. Das bisherige Mitglied des Fed Board of Governors dürfte darauf bedacht sein, für Kontinuität zu sorgen. Dafür spricht, dass Powell den vorsichtigen Normalisierungskurs der bisherigen Fed-Chefin Janet Yellen bislang mitgetragen hat.
Für eine Nuancierung des künftigen Kurses ist allerdings auch die Neubesetzung des Stellvertreterpostens, Nachfolge des zurückgetretenen Stanley Fischer, relevant. Hier gilt unter anderem der Ökonomieprofessor John Taylor, Volkswirten bekannt als Erfinder der ‚Taylor Rule‘, als einer der Favoriten. Sollte er seine eigene Regel künftig in der Praxis ausprobieren dürfen, könnten die Zinsen in den USA bald stärker steigen als die Märkte bisher annehmen. (BR)