Wirtschaft

BlackRock: Blick auf die Märkte

Von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, die Schweiz, Österreich und Osteuropa.

Europa

Ein Schuss vor den Bug

Donald Trump wollte um jeden Preis US-Präsident werden. Nun, nach gerade mal zwei Monaten im Amt, realisiert er, dass Präsident zu sein erheblich komplexer ist als in dieses Amt zu kommen. Beim ersten wichtigen Projekt, der Abschaffung von Obamacare, verweigert ihm ein Teil seiner eigenen Partei auf eine Weise die Gefolgschaft, die den neuen Präsidenten dazu zwingt, sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen.

Das Gezerre um das neue Gesetz zur Gesundheitsvorsorge verdeutlicht damit die tiefe Zerrissenheit des republikanischen Lagers, das nunmehr in einen traditionellen Flügel, die Tea-Party-Bewegung sowie Trumps eigene Anhängerschaft zerfällt.

Darüber hinaus gibt es – auch dies hat der Streit um Obamacare gezeigt – sehr unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung. So ging einigen republikanischen Kongressabgeordneten die neue, “Trumpcare” getaufte Version in ihrer Radikalität nicht weit genug, andere fanden sie schon in der vorliegenden Fassung schwer zu vermitteln und für weite Teile der eigenen Wählerschaft unzumutbar. Zweifel am Heilsbringer Trump führten letzte Woche zu den stärksten Tagesverlusten seit einem halben Jahr.

Das alles riecht nach Chaos und lässt für die Gesetzgebungsvorhaben der nächsten Monate nichts Gutes hoffen. Denn dort stehen genau die Reformen zur Abstimmung, mit denen Trump “America great again” machen und das Wirtschaftswachstum ordentlich ankurbeln möchte, nämlich eine mit erheblichen Entlastungen verbundene Steuerreform, staatliche Investitionen in die Infrastruktur in der Größenordnung Hunderter von Milliarden Dollar sowie die drastische Deregulierung umstrittener Sektoren wie Finanzen und Energie.

Aus Finanzmarktsicht stellt sich die Frage, was denn mit der Trump-Rally passiert, wenn diese Projekte scheitern, denn diese Frage muss man sich mit Blick auf das Obamacare-Debakel stellen.

Aus unserer Sicht gibt es hierbei eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte ist: Jawohl, es würde einen massiven Rücksetzer vor allem bei den amerikanischen Aktienpreisen geben, denn diese sind seit dem 8. November im zweistelligen Bereich gestiegen. Gut denkbar also, dass der größte Teil dieser Kursgewinne relativ schlagartig wieder ausgepreist werden würde.

Die gute Nachricht aber lautet: Nein, das wäre nicht das Ende des positiven Ausblicks für Aktien oder gar der Beginn eines Bärenmarktes. Zu positiv haben sich zuletzt die wirtschaftlichen Nachrichten entwickelt, und zwar im Gleichschritt in den USA, Europa und Asien.

Selbst wenn in Amerika der runde halbe Prozentpunkt, um den Volkswirte nach der Wahl Trumps ihre Wachstumsschätzungen für die USA nach oben revidiert haben, wieder aus den Prognosen herausfiele, bliebe mit der absehbaren Dynamisierung in Europa und Asien der globale Ausblick weitestgehend intakt. Und damit auch der positive Ausblick für Aktien, für die sich, vermutlich wohl nach einem erheblichen Rücksetzer infolge eines Auspreisens der Trump-Euphorie, eine erneute, fundamental getriebene Aufwärtsbewegung anschließen könnte.

Dies hat auch damit zu tun, dass in den letzten Monaten die Inflation deutlich zurückgekommen ist. Denn mehr Inflation bedeutet für Unternehmen endlich wieder die Aussicht auf Preisüberwälzungsspielräume und damit organisches Wachstum. Zuletzt hatten Unternehmen in Europa und den USA ja kaum noch auf organisches Wachstum gesetzt, sondern Cash-Bestände für Akquisitionen oder den Rückkauf eigener Aktien genutzt, rational in einer Welt in Angststarre vor Deflation. Dieses Bild scheint sich nun, zum ersten Mal seit der Finanzkrise vor gut acht Jahren, zum Besseren zu wenden.

Was bedeutet das für Anleger?

Aus dieser Perspektive mögen die Inflationszahlen dieser Woche ernüchtern, denn in Deutschland und der Eurozone als Ganzes dürfte sich im März die Preisentwicklung wieder etwas verlangsamt haben (in Europa etwa von 2,0% auf 1,8%).

Das hat zwar vor allem mit dem nachlassenden Basiseffekt der Energiepreise zu tun und liegt außerdem immer noch in einem für die EZB sehr gut annehmbaren Bereich, ist aber vor dem Hintergrund der lange gehegten Deflationsängste dennoch eine eher unerwünschte Nachricht. Dies umso mehr, als auch das wichtigste Inflationsmaß in den USA, der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben (core PCE), weiterhin bei 1,7% verharren dürfte und damit signalisiert, dass selbst in der dynamisch laufenden US-Wirtschaft mit ihrer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit Löhne und Inflation nur äußerst zögerlich zurückkommen.

Vor dem Hintergrund lohnt ein Blick auf die Frühindikatoren. Für Europa kamen die Einkaufsmanagerindizes am Ende der letzten Woche so stark herein wie seit Jahren nicht mehr. Sollten sich diese Vorgaben auch in den Wachstumszahlen wiederfinden, wäre auch aus ökonomischer Sicht ein positiverer Blick auf Europa gerechtfertigt. Dass ein solcher aus politischer Perspektive ohnehin eine reale Möglichkeit ist, hatte ja in der vorvergangenen Woche schon die Wahl in den Niederlanden angedeutet. Insofern wird auch in dieser Woche auf Nachrichten aus Frankreich zu achten sein und darauf, ob vielleicht auch die dortige Präsidentschaftswahl sich von einem Risiko zu einer echten Chance für Europa mausert. (BR)

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