Das Ende des Jahres 2018 verlief im Fintech-Sektor turbulent: Insolvenzen, Zusammenschlüsse, Neuausrichtungen bei Geschäftsmodellen – eine echte Konsolidierungswelle hat den Fintech-Markt durcheinandergewirbelt. Für 2019 sieht Hartmut Giesen, verantwortlich für das Business Development Fintech bei der Sutor Bank, im wesentlichen drei Trends im Finanztechnologie-Sektor: Etablierte Unternehmen ohne Banklizenz – digitale Plattformen, E-Commerce-Unternehmen, Industrie-Unternehmen – bieten vermehrt Finanzprodukte an, der originäre Fintech-Markt wird reifer und konsolidiert weiter, neue Startups entstehen vor allem im Blockchain-Krypto-Bereich.
Blick in den Sutor Bank „Maschinenraum“: Anfragen von Krypto- und Kredit-Startups steigen
Die Sutor Bank als Anbieter einer Banking-Plattform, über die Nichtbanken Finanzprozesse in ihre Abläufe einbinden oder eigene Finanz-Geschäftsmodelle entwickeln können, erhält laufend Anfragen von etablierten Unternehmen und Startups. Eine Analyse der 2018 eingegangenen Anfragen bei der Sutor Bank zeigt die aktuellen Trends auf: Nach wie vor kommen Anfragen zwar vor allem aus den beiden Bereichen Anlage und Sparen sowie Payment und Banking – doch das Interesse aus dem Kredit- sowie dem Kryptobereich steigt stetig.
Im Banking-Bereich geht es etwa darum, Kundenkonten über Schnittstellen in eigene Plattformen oder Systeme einzubetten. Hier zeigt sich, dass immer mehr etablierte Unternehmen aus anderen Branchen Finanzprozesse oder Finanzprodukte in ihre Angebote für Privatkunden oder Geschäftskunden einbetten möchten – der Trend zum „Kontext-Banking“ wird hier sehr sichtbar.
Die Anfragen im Kredit-Bereich gehen vor allem von Startups oder Digitalplattformen aus, die kleinen und mittelständische Unternehmen oder Privatkunden mit schwächeren Bonitäten Kredite anbieten möchten.
Vor allem gegen Ende des Jahres sind die Anfragen aus dem Krypto-Bereich stark gestiegen. Die Krypto-Industrie wird allmählich reifer und dringt auch nach Deutschland, wo nahezu jedes Krypto-Geschäftsmodell erlaubnispflichtig ist und Unternehmen eine Bank als Partner benötigen.
Immer mehr etablierte Unternehmen betten Finanzleistungen in ihr Geschäft ein
„Wir beobachten einen klaren Trend von jungen Startups hin zu etablierten Unternehmen und Later-Stage-Startups, die an Bankleistungen interessiert sind“, sagt Hartmut Giesen. „Daran ist zu erkennen, dass der Markt reifer wird, die Einstiegsfenster für Startups kleiner werden und sich in vielen Bereichen sogar schon geschlossen haben, wie etwa in den Bereichen Payments oder Robo-Advising. Einstiegsmöglichkeiten gibt es am ehesten dort, wo man in Nischen vorstoßen kann“, analysiert Giesen.
Dementsprechend sieht Hartmut Giesen einen wesentlichen Trend 2019 hin zum Kontext-Banking: Dabei werden etwa Zahlungsprozesse in Geschäftsprozesse „unsichtbar“ eingebettet oder Kredite können direkt am „Point of Sale“ für Reisen oder einen Autokauf abgerufen werden.
Krypto-Wirtschaft mit hoher Veränderungsdynamik
Die Krypto-Wirtschaft ist aktuell von besonders hoher Dynamik geprägt. „Die Musik, wie sie vor fünf Jahren im Fintech-Markt spielte, kann man 2019 in erster Linie im Krypto-Blockchain-Areal beobachten. Hier sind viele kreative Entrepreneure unterwegs. Unsere Prognose ist, dass sich der Ansatz der dezentralen Verwaltung digitaler Assets sowie die Idee der Blockchain durchsetzen werden“, sagt Hartmut Giesen. So würden etwa Security Token verstärkt genutzt werden, das heißt Blockchain-basierte Systeme, auf denen reale Werte wie Unternehmensanteile, Immobilien oder auch Flugzeuge oder Schiffe abgebildet und handelbar gemacht werden. Dadurch entstehen ganz neue Möglichkeiten für Investments, weil teure Mittler ausgeschaltet werden können.
In Deutschland werden nach Beobachtung von Hartmut Giesen im Krypto-Bereich verstärkt Unternehmen aus dem Ausland aktiv: „Einige Anbieter sind bereits außerhalb Deutschlands mit etwas weniger restriktiver Krypto-Regulierung erfolgreich und wagen nun den Schritt nach Deutschland.“
Konsolidierung bei Anlagethemen
In den eher traditionellen Fintech-Bereichen Anlage sowie Payment und Banking werde sich nach Ansicht von Hartmut Giesen der Markt mit Blick auf 2019 weiter konsolidieren. „Bei den Robo-Advisors werden nur wenige Startups neben den Banken überleben, im Payment-Bereich ist neben Paypal, Apple, Google und den Banken wenig Luft zum Atmen.“ Aber auch hier gilt, dass Nischen oder sehr spezifische Anwendungsfälle Einstiegsmöglichkeiten bieten: etwa Anlagemöglichkeiten in Assetklassen, die für Privatanleger bisher nicht erreichbar waren, oder Payments von Maschine zu Maschine und gekoppelt an Unternehmenssoftware.
Für die Kunden bedeutet die Konsolidierung gerade bei den traditionellen Fintech-Anwendungen, dass sie zu vielen Angeboten erstmals überhaupt Kontakt bekommen. Bislang waren die meisten Fintech-Angebote auf die „Early Adopters“ zugeschnitten. „Die Unternehmen, denen es gelungen ist, aus den Nischen heraus erfolgreich zu sein, zielen jetzt auf den Massenmarkt. Angebote wie Robo-Advice von einem mittlerweile ausgewachsenen Unternehmen wie Scalable Capital oder Banking von einem arrivierten Fintech wie N26 gewinnen erst jetzt das Vertrauen und die Reichweite, die sie aus der Perspektive des ‚normalen‘ Kunden nutzbar machen“, sagt Giesen.
Über 2019 hinaus: Finanzlandschaft wird vielfältiger
Die Finanzlandschaft werde nach Ansicht von Hartmut Giesen in Zukunft sehr vielfältig sein: Auf der einen Seite werde es erfolgreiche Fintechs geben, die zum Teil auch mit den erforderlichen Lizenzen zu regulierten Unternehmen geworden sind – vom Alt-Fintech Paypal über Challenger-Banken wie N26 bis zu hybriden B2C-B2B-Unternehmen wie Deposit Solutions/Zinspilot. Daneben würden Banken aktiv sein, die ehemalige Fintech-Produkte und -Dienstleistungen anbieten, zum Teil in Kooperation mit Fintechs. Des Weiteren dürften sich Fintechs in den Ökosystemen von Banken und regulierten Unternehmen bewegen.
(Sutor Bank)