Unter dem Veranstaltungsmotto „PRO:CONNECT“ diskutierten knapp 1.200 Teilnehmende angesichts anhaltender Spannungen in den internationalen Lieferketten über passende Stellhebel für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung von Einkauf, Materialwirtschaft und Logistik.
Das Procurement muss seine Rolle als Game Changer für den nachhaltigen Unternehmenserfolg auch und gerade in Krisenzeiten voll ausspielen. Durch sein Wissen über geeignete Lieferoptionen verfügt der Einkauf dabei über einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Gleichzeitig sieht er sich mit einer steigenden Zahl an Herausforderungen konfrontiert. Sie reichen von Lieferkettenengpässen über das Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit bis zum wettbewerbsbedingten Innovationsdruck. Das sind zentrale Ergebnisse des 57. BME-Symposiums Einkauf und Logistik, das am Freitag (14. Oktober) nach zweitägiger Dauer erfolgreich zu Ende gegangen ist.
Die größte Netzwerkveranstaltung des BME stand in diesem Jahr unter dem Motto „PRO:CONNECT“. Damit signalisiert der Verband – gerade in Krisenzeiten – die besondere Bedeutung des persönlichen Austauschs und der Vernetzung. Auf dem traditionellen Fachkongress diskutierten knapp 1.200 Beschaffungsprofis über die gegenwärtigen und zukünftigen Einkaufsstrategien in einer sich dramatisch verändernden globalen Geschäftswelt.
In den täglichen Plenen, interaktiven Workshop-Formaten und themenbezogenen Chat-Foren sowie den Statements der Referent:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik wurde einmal mehr deutlich: Einkauf, Logistik und Supply Chain Management stellen sich nicht nur den Herausforderungen dieser Zeit, sondern sie halten mit ihrem vorausschauenden Denken und Handeln „die deutsche Wirtschaft am Laufen“, wie es BME-Bundesvorstandsvorsitzende Gundula Ullah in ihrer Eröffnungsrede am Mittwoch treffend formulierte.
Nach Meinung vieler Teilnehmender des diesjährigen Fachkongresses kann insbesondere der Einkauf nur dann zur Sicherung der Lieferketten beitragen, wenn er sein Lieferantenmanagement optimiert. „Schlüsselfaktor für die Sicherung der Lieferketten sind strategische Lieferanten“, betonte Tim Ranke, Head of Sales DACH der Proactis GmbH, auf einem der zahlreichen und gut besuchten Solution Foren. Es gehe dabei vor allem um Kostentransparenz, langfristige Vereinbarungen, Planungssicherheit und frühzeitige Einbindung der Lieferanten durch den Einkauf.
Sein Instrumentarium ist vielfältig. Es reicht von einem proaktiven Risikomanagement über konsequente Digitalisierung und Automatisierung möglichst aller Glieder der Wertschöpfungskette, umfassendes Scannen der für das Unternehmen relevanten Märkte (Stichworte: Rohstoffe, Devisen), die Wahl einer zeitgemäßen Beschaffungsstrategie bis hin zur Stärkung der Rolle des Einkaufs als Taktgeber und Schrittmacher einer nachhaltigeren Wirtschaft von morgen.
Das Thema Nachhaltigkeit in der Beschaffung steht auch bei der Deutschen Bahn ganz oben. Darauf verwies Jan Grothe, Chief Procurement Officer (CPO) auf dem Abschlussplenum am Donnerstag. „Mit unserer Strategie der Starken Schiene werden wir den Nachhaltigkeits- und Wachstumszielen gerecht“, sagte Grothe, der auch Mitglied im BME-Bundesvorstand ist. Ohne eine massive Verkehrsverlagerung auf eine starke Schiene seien seiner Ansicht nach die ehrgeizigen Klimaziele nicht zu erreichen. Die starke Schiene sei zudem ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für den zukünftigen, wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands.
Grothe stellte einen Stufenplan für eine nachhaltige, transparente Lieferantenlandschaft durch das Prinzip „fordern und fördern“ vor. „Durch systematisches Erhöhen der Nachhaltigkeitsanforderung an unsere Lieferanten möchten wir in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit die Nachhaltigkeit voranbringen“, fügte er hinzu.
In Grothes Augen hat Nachhaltigkeit auch sehr viel mit dem Mindset der Mitarbeiter zu tun: „Will man Nachhaltigkeit in einem 250.000-Mitarbeiter-Konzern wie der Deutschen Bahn implementieren, muss massiv in Change investiert werden.“ Die Nachhaltigkeitsstandards des Unternehmens müssen nach Ansicht des DB-Einkaufschefs „verstetigt“ werden. Es sei ein wirkliches Change Management erforderlich – und das sowohl im eigenen Unternehmen als auch in der gesamten Branche. Aus diesem Grund habe die Deutsche Bahn ein „Kompetenznetzwerk Nachhaltigkeit“ mit aufgebaut und wirke in diesem aktiv mit.
Anna Riecken, Referatsleiterin Frauen in Führungspositionen im Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, kritisierte in Ihrem Statement, dass es noch immer keine gleichen Chancen für Männer und Frauen in der Wirtschaft gebe. „Selbstverpflichtungen sind nicht genug“ merkte sie an. So habe es 2015 zwar das erste Führungskräftegesetz in Deutschland gegeben, das die Besetzung von mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen beinhaltete. Sechs Jahre später sei dann in Bezug auf die Besetzung von Aufsichtspositionen tatsächlich eine klare Steigerung erzielt worden. Ohne Quote habe sich aber bei der Besetzung von Vorstands- und Geschäftsführungspositionen nur sehr wenig getan (neun Prozent Zuwachs).
Seit August 2022 gelte für deutsche Großunternehmen mit dem „Zweiten Führungspositionengesetz“ ein Mindestbeteiligungsgebot; das heißt: Eine Frau muss dem Vorstand angehören. Die Folge: Waren im vergangenen Jahr 24 deutsche Vorstände „frauenfrei“, seien es aktuell dagegen nur noch 16.
Riecken fordert drei konkrete Dinge, um Frauen weiter in Führungspositionen zu bringen: Gesetze, die Dinge anstoßen, Zahlen, Daten und Fakten, die ein Monitoring der Umsetzung ermöglichen sowie weibliche und auch männliche Vorbilder.
Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, hielt die mit Spannung erwartete Abschlussrede des diesjährigen BME-Symposiums Einkauf und Logistik.
Mit Blick auf die aktuelle Situation des deutschen Fußballs nach Corona erklärte er, dass während der Pandemie-Zeit mit Ticketing, TV, Sponsoring und Merchandising alle vier Erlössäulen des BVB eingebrochen seien. An jedem Heimspieltag des BVB, an dem nicht gespielt wurde, habe sein Verein jeweils vier Millionen Euro verloren. In der gesamten dreijährigen Corona-Zeit seien es insgesamt 150 Millionen Euro gewesen. Dieses Geld fehle noch immer in der BVB-Vereinskasse. Der Klub sei nur durch konservatives Sparen im Vorfeld der Krise glimpflich durch diese schwere Zeit gekommen.
Für ihn habe sich oft die Frage gestellt, wie er die 850 Angestellten des Klubs weiterbezahlen könne. Anderen Vereinen sei es ähnlich gegangen. Die unter dem Dach der Deutschen Fußball Liga organisierten Teams hätten während der Pandemie insgesamt rund eine Milliarde Euro eingebüßt. Watzke: „Dieses Geld ist verloren. Es kommt nicht wieder.“
Sein Ziel sei es in dieser Zeit gewesen, dass der Spielbetrieb wiederaufgenommen wird, betonte der 63-jährige Fußball-Experte. In engem Austausch mit der DFL habe er in dieser Zeit zahlreiche Abstimmungsgespräche mit relevanten Politikern geführt. Zusammen mit der DFL habe er auch ein Hygienekonzept für die Stadien entwickelt, blickte Watzke zurück.
Aktuell leide der BVB – wie alle anderen Unternehmen auch – massiv unter den explodierenden Energiepreisen. Aus diesem Grund habe der Verein ein Energiesparprogramm initiiert, das den Energieverbrauch um 20 Prozent senken soll. Dennoch mache er sich stark dafür, keinen seiner 14 Euro teuren Stadion-Stehplätze in 70 bis 80 Euro teure Sitzplätze umzuwandeln, erklärte Watzke. „Ein amerikanischer Investor würde dies sofort tun. Aus diesem Grund müssen 50 Prozent plus eine Aktie immer im Besitz des Vereins bleiben“, machte er deutlich.
Save the Date: Das 58. Symposium Einkauf und Logistik findet vom 18. bis 20. Oktober 2023 wieder in der STATION-Berlin statt.
(BME)