Das „alte“ Europa stünde nach einem Austritt Großbritanniens diversen Herausforderungen gegenüber (Flüchtlingsströme, Reformstau, Staatsverschuldung). Zudem ergäbe sich das Risiko weiterer Referenden in anderen EU-Staaten. „Großbritannien könnte als von EU-Lasten befreiter sicherer Hafen für Investoren gelten, allerdings hätte es mit dem Verlust des erleichterten Zugangs zum EU-Binnenmarkt wirtschaftlich einen hohen Preis in Form von Zöllen und Handelsbeschränkungen zu zahlen“, sagt Manfred Mühlheim, Bereichsleiter Asset Management bei der Südwestbank. Für Europa würde ein Brexit aufgrund des fehlenden Nettobeitrags von Großbritannien eine Lücke im EU-Budget von rund fünf Milliarden Euro bedeuten. Diese Kluft müsste durch die anderen Länder ausgeglichen werden.
Die kritische Zahlungsbilanz Großbritanniens aufgrund dauerhaft höherer Importe als Exporte, die damit verbundene Abhängigkeit von Kapitalzufluss sowie die schlechte Perspektive auf Neuverhandlungen mit der EU im Falle eines Austritts machen den Brexit für die Briten wirtschaftlich sehr unattraktiv. So weisen die aktuellen Umfragen und Quoten darauf hin, dass etwa 70 Prozent der Briten für einen Verbleib Großbritanniens in der EU stimmen würden. Dieser Wert hat sich zuletzt weiter verbessert, vor allem nach dem Besuch von US-Präsident Obama in London und seinem Werben für den Verbleib in der EU. Viele Analysten und Volkswirte geben ebenfalls Entwarnung für die Märkte, da die Risiken eines Ausstiegs bereits bekannt seien und daher in der Regel überbewertet würden. So sollte vor allem das Britische Pfund die möglichen Risiken bereits eingepreist haben.
„Der Brexit wäre dennoch eine Belastung für das britische Pfund. Aufgrund der Unsicherheiten zeichnet sich aktuell bereits eine deutlich schwächere Nachfrage für hochpreisige Immobilien in London ab“, führt Mühlheim aus. Allerdings könnten nach ersten Unsicherheiten die britischen Aktienmärkte zulegen, da sich in der Vergangenheit eine schwächere Währung hier deutlich positiv auswirkte.
Für Anleger dürften die Börsenbewegungen in den Wochen vor dem Referendum aufgrund der Unsicherheiten von erhöhter Volatilität begleitet werden. Die Entwicklung der Umfragewerte und auch die jüngste Stabilisierung des britischen Pfundes zeigen aber deutlich, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer von einem Verbleib in der EU ausgeht.