Die Aussichten für die Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr 2022 hängen maßgeblich von der weiteren Entwicklung in China ab. Die Lage ist dort aktuell sehr schlecht. Dennoch lässt ein Silberstreif am Horizont auf bessere Zeiten hoffen.
Lockdowns, sinkende Hauspreise und schwieriges globales Umfeld belasten
Die aktuelle Lage in China wird bestimmt von den strikten Corona-Maßnahmen: Der langanhaltende Lockdown in Shanghai und Einschränkungen des öffentlichen Lebens in vielen anderen Städten Chinas belasten die Wirtschaft in hohem Maße. Das Konsumentenvertrauen ist dramatisch abgestürzt und so gering wie noch nie zuvor. Die Einzelhandelsumsätze lagen im April mehr als zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau, die Industrieproduktion schrumpfte im Vorjahresvergleich, und auch die Importe nähern sich trotz der aktuellen Preissteigerungen der Null-Linie im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten.
Gleichzeitig haben die in jüngerer Vergangenheit ergriffenen Maßnahmen zur Abkühlung des teilweise überhitzten Immobilienmarkts dazu geführt, dass die Hauspreise seit nunmehr acht Monaten in Folge kontinuierlich sinken und auch die Anlageinvestitionen in Immobilien inzwischen unter den Vorjahreswerten liegen. Angesichts der sehr großen Bedeutung des Bausektors ist dies auch für die Gesamtwirtschaft eine schwere Hypothek.
Schließlich gestaltet sich das weltwirtschaftliche Umfeld für Chinas Exporteure im Angesicht globaler Unsicherheiten schwierig. Zwar sind die Exporte nach dem deutlichen Dämpfer vom April im Mai wieder gestiegen. Aber in den nominalen Werten sind auch erhebliche Preissteigerungen enthalten, und die kurzfristigen Aussichten lassen keine großen Wachstumsraten erwarten.
Alles in allem ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaft Chinas im zweiten Quartal spürbar schrumpfen wird – das offizielle Wachstumsziel von 5,5 Prozent für das Jahr 2022 rückt damit in weite Ferne. Wachstumsimpulse für die globale Wirtschaft sind damit von China vorerst nicht zu erwarten. Die anhaltenden Störungen von Lieferketten und die daraus resultierenden Knappheiten lassen vielmehr die Preise bis auf weiteres steigen und erhöhen damit den Inflationsdruck in den Industrieländern.
Perspektiven könnten sich mittelfristig aufhellen
Zwar ist eine generelle Änderung der Corona-Politik in China nicht in Sicht. Doch der von der Regierung abgeschlossene Vertrag mit Pfizer zur Produktion eines chinesischen Impfstoffs könnte den Schutz der Bevölkerung vor schweren Erkrankungen bis zum Herbst erhöhen. Die inzwischen spürbare Abwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar (knapp 6 Prozent seit März) dürfte die Exporte erleichtern. Die Senkung der 5-jährigen Loan Prime Rate der Zentralbank um 15 Basispunkte im Mai und verbesserte Möglichkeiten für Immobilienentwickler zur Begebung eigener Anleihen sind schließlich Anzeichen dafür, dass die Regierung gewillt ist, die Wirtschaft wieder aktiv zu stimulieren. Der Umfang der bislang ergriffenen Maßnahmen lässt allerdings keinen allzu kräftigen Aufschwung erwarten. Dass die Regierung in dieser Hinsicht aber noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt ist, gibt jedoch Anlass zur Hoffnung: 4 Prozent Wirtschaftswachstum wären im laufenden Jahr möglicherweise noch erreichbar, und verringerte Störungen globaler Lieferketten würden mittelfristig zumindest den von China ausgehenden Inflationsdruck mindern. Wenn dies der Fed eine etwas weniger strikte Straffung der Geldpolitik erlauben würde, wäre das auch für die Industrieländer eine gute Nachricht.
(FERI Gruppe)