Nach dem Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas ist nicht alles neu, aber vieles noch einmal klarer als zuvor: Nationale Ziele wie eine deutlich größere Rolle in der Weltpolitik, die Stärkung des eigenen Gesellschaftsmodells als Gegenentwurf zum „Westen“ und nicht zuletzt die Wiederherstellung der Einheit mit Taiwan bestimmen mindestens für die kommenden fünf Jahre eindeutig das Handeln der politischen Führung. Umgekehrt bedeutet dies, dass wirtschaftliches Wachstum nicht nur keine Priorität hat, sondern Wachstumseinbußen und sogar eine dauerhaft schwächere Wachstumsdynamik bewusst in Kauf genommen werden, sofern dies den genannten politischen Zielen dient.
Wachstum unter Vorbehalt
Kurzfristig bedeutet dies zunächst eine Fortsetzung der strikten Null-Covid-Politik unter Inkaufnahme der damit verbundenen offensichtlichen wirtschaftlichen Risiken. Problematisch ist auch die andauernde Schwäche des Immobilienmarktes: Der Abbau der exzessiven Übertreibungen in diesem Sektor, sichtbar an erheblichen Leerständen, gehört ebenfalls zu den Zielen der chinesischen Führung. Vorerst erscheint es deshalb unwahrscheinlich, dass die wirtschaftliche Dynamik Chinas wieder an Fahrt gewinnt. Nach etwas mehr als 3 Prozent Wachstum im laufenden Jahr dürfte der Zuwachs auch im kommenden Jahr nur unwesentlich über 4 Prozent liegen, und die Risiken für diese Prognose sind in erster Linie nach unten gerichtet. Von China gehen also keine positiven Impulse für die insgesamt fragile Weltwirtschaft aus. Dass China die Weltwirtschaft zusätzlich belastet, bleibt ein signifikantes Risikoszenario.
Machtkonzentration als Risikofaktor
Zwar ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass Xi Jinping doch noch einen Kurswechsel in der Corona-Politik anordnet. Langfristig gesehen ist aber etwas anderes von entscheidender Bedeutung: Die nahezu unumschränkte Machtfülle für Xi und die Tatsache, dass im obersten Führungsgremium abweichende Positionen nicht mehr gewünscht und deshalb auch nicht mehr vertreten sind, erhöht die Gefahr gravierender Politikfehler erheblich. Damit ist festzuhalten: Erstens gehört eine größere Wachstumsdynamik nicht zu den wesentlichen Zielen der Führung. Zweitens muss weiterhin mit unvorhersehbaren politischen Interventionen mit schweren Folgen für einzelne Sektoren gerechnet werden. Drittens wird die wechselseitige Abkoppelung zwischen den USA und China an Dynamik gewinnen, wie die jüngsten Entscheidungen der US-Regierung hinsichtlich Hochleistungschips und der zugehörigen Technologie belegen. Viertens schließlich ist die Frage bezüglich Taiwans nicht mehr, ob China militärisch interveniert, sondern nur noch, wann das der Fall sein wird. Für die kommenden fünf Jahre ist dies ein Szenario mit einer signifikanten Wahrscheinlichkeit.
Das Potenzialwachstum Chinas dürfte deshalb in den kommenden Jahren zwischen 2 und 3 Prozent liegen. Phasen mit einer höheren Wachstumsdynamik sind dabei durchaus möglich, aber ebenso solche mit sehr niedrigem Wachstum oder sogar einer rückläufigen Wirtschaftsentwicklung. Sich von China unabhängiger zu machen ist also nicht nur aus geopolitischen Gründen vernünftig, sondern auch wirtschaftlich geboten.
(FERI Gruppe)