Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft war im zweiten Quartal mit einem Plus von 1,3 Prozent recht robust, wird aber im dritten Quartal spürbar nachlassen. Nachdem die Wirtschaft Ende 2020 den Vor-Corona-Wachstumspfad wieder erreicht hatte und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie damit für China praktisch überwunden waren, begann die chinesische Führung mit der Rückführung der geld- und fiskalpolitischen Stimuli, mit denen sie zuvor die Bewältigung der Krise vorangetrieben hatte.
Die Aufmerksamkeit richtete sich wieder stärker auf die Eindämmung der enormen Ungleichgewichte innerhalb der chinesischen Wirtschaft und insbesondere der exzessiven Verschuldung.
Äußeres Zeichen für die veränderten Prioritäten war die für chinesische Verhältnisse ausgesprochen ambitionslose Vorgabe, im laufenden Jahr ein Wachstum von mehr als sechs Prozent anzustreben, was angesichts des niedrigen Vorjahresniveaus von vornherein praktisch kaum zu verfehlen war.
Geldpolitische Restriktionen zeigen Wirkung
Inzwischen sind die Folgen der restriktiveren Geldpolitik deutlich spürbar: Das Volumen der vergebenen Kredite liegt in Relation zum BIP wieder so niedrig wie Ende 2018, als ein ähnliches wirtschaftspolitisches Regime herrschte. Die Lokalregierungen haben deutlich weniger Anleihen begeben als in den beiden Vorjahren. Die Einkaufsmanagerindizes liegen zwar noch über der wichtigen Expansionsschwelle von 50 Punkten, sind aber seit Beginn des Jahres rückläufig.
Das Wachstum der Industrieproduktion ist um mehrere Prozentpunkte gesunken, während der Zuwachs der Einzelhandelsumsätze auf niedrigem Niveau verharrte. Positiv blieb bis zuletzt die Entwicklung der Importe. Die Exporte stagnierten hingegen auf hohem Niveau, was wieder zu einem geringerem Handelsbilanzüberschuss in Richtung des Vor-Corona-Niveaus führte.
Folgerichtig trugen sowohl der Konsum als auch die Investitionen und der Außenhandel schon im zweiten Quartal weniger zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei als im Vorquartal. Es spricht viel dafür, dass sich diese Entwicklung im dritten Quartal fortsetzt und die gesamtwirtschaftliche Expansion damit gebremst wird.
Chinas Führung auf schmalem Grat
Positive Impulse aus China für die Weltwirtschaft sind damit vorerst nicht zu erwarten, was sich insbesondere auf jene Länder auswirkt, die in erheblichem Maße von Exporten nach China profitieren, also viele asiatische Schwellenländer und in Europa besonders Deutschland.
Starke negative Effekte erscheinen aber ebenfalls unwahrscheinlich: Chinas Führung ist sich durchaus bewusst, dass ihr Vorgehen ein Balanceakt ist, der die Gefahr höherer Arbeitslosigkeit und sozialer Unruhen birgt. Die striktere Regulierung des privaten Bildungswesens beispielsweise dürfte auch darin begründet sein, die finanzielle Belastung der Haushalte für Nachhilfeunterricht zu begrenzen.
Noch wichtiger war zuletzt die Senkung der Mindestreservesätze, die die Banken bei der Nationalbank vorhalten müssen: Hiervon geht klar das Signal aus, die Rückführung der Kreditvergabe nicht um jeden Preis weiter vorantreiben zu wollen. Es spricht daher viel dafür, dass sich die Kreditvergabe auf dem jetzt erreichten niedrigeren Niveau stabilisieren wird.
Chinas Wirtschaft würde damit mittelfristig auf einen Kurs eines moderaten Wachstums etwas unterhalb der 6-Prozent-Marke einschwenken. Das größte Risiko liegt weiterhin darin, dass die bereits bestehenden Spannungen im Verhältnis zu den USA in eine Art kalter Wirtschaftskrieg münden.
Eine davon ausgehende zunehmende Abkopplung der beiden Wirtschaftsblöcke voneinander würde nicht nur die Globalisierung gefährden, sondern auch Europa in eine äußerst schwierige Lage bringen.
(Axel D. Angermann/FERI) / surpress