Die globalen Staatsanleihen rentieren zu einem großen Teil weiter nahe der Nulllinie oder sogar im Minus. Der Kreditzyklus scheint sich seinem Ende zu nähern und die britische Währung wertet weiter ab. In diesem Umfeld sind wir zunehmend wachsam, was den Ausblick für Risikoanlagen angeht.
Wir hatten zwar damit gerechnet, dass ein massiver Abzug globaler Anlagegelder aus Anlagen in britischer Währung das Pfund stark unter Druck setzen würde. Tatsächlich hat das Pfund aber stärker an Wert verloren als die Analysten erwartet hatten, und wir rechnen im nächsten Jahr mit einer weiteren Abwertung auf 1,10 US-Dollar. Andererseits haben sich sowohl die Aktien- als auch die Anleihenmärkte besser entwickelt als erwartet, was vor allem an der Fortsetzung der QE-Programme und weiteren Marktinterventionen der Bank of England und der Europäischen Zentralbank liegt.
Wie ich schon im letzten Monat angemerkt habe, wird jedoch zunehmend befürchtet, dass Theorie und Wirklichkeit in der Geldpolitik nicht zusammenpassen, d.h. dass die anhaltenden geldpolitischen Stimulusmaßnahmen nicht die erhoffte Wirkung entfalten, sondern die Märkte genauso schädigen wie sie ihnen helfen. In jedem Fall haben diese Maßnahmen bislang kaum zu einem nennenswerten Produktivitätswachstum geführt. Vor diesem Hintergrund könnten ein Anstieg der Inflation und Zinsen erhebliche Folgen für Risikoanlagen haben, die bislang von der Renditesuche der Anleger profitiert haben.
Die Zentralbanken haben die auf den ersten Blick sehr teuer erscheinenden Risikoanlagen in eine kuschelige Decke gehüllt. Das hat die Nerven der Anleger beruhigt, die Bewertungen gestützt und uns geholfen, mit einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld klarzukommen. Die Anleger haben sich daran gewöhnt, die sowohl absolut als auch im historischen Vergleich hohen Bewertungen mit dem ständigen Verweis auf die Anleihenmärkte zu rechtfertigen.
In meinen Augen ist das eine fragile Basis. Zudem wird immer deutlicher, dass die Geldpolitik nicht nur positive, sondern auch negative Auswirkungen hat. Vor diesem Hintergrund und angesichts der weltweiten sozioökonomischen Spannungen dürften die Rufe nach einer fiskalpolitischen Antwort lauter werden.
In den USA stehen die Präsidentschaftswahlen kurz bevor und beide Parteien zeigen eine größere Neigung als in der Vergangenheit, der Verlockung einer lockeren Haushaltspolitik nachzugeben. Angesichts der politischen Gräben im Land könnte es dazu kurzfristig jedoch nicht kommen. Nach einem sehr polarisierenden Wahlkampf scheint eine gespaltene Regierung vorprogrammiert – ganz egal, wie die Wahl letztlich ausgeht. In Großbritannien könnte der nächste Haushaltsplan („Autumn Statement“) die Weichen für eine wachstumsfördernde Fiskalpolitik stellen, nachdem die britische Regierung die Geldpolitik der Bank of England zuletzt eher kritisch bewertet hat. Am dringendsten werden fiskalpolitische Impulse aber vermutlich in Europa und Japan gebraucht. An den Anleihenmärkten dürfte eine Stabsübergabe an die Fiskalpolitik zu einer deutlich steileren Zinsstrukturkurve führen.
Unser Basisszenario ist das einer Fortsetzung des Status quo mit weiterhin niedrigen Inflations- und Wachstumsraten sowie Zinsen. Gleichzeitig behalten wir aber im Blick, dass es zu Marktverwerfungen kommen könnte, falls höhere fiskalpolitische Anreize das Wachstum ankurbeln und zu höheren Zinsen führen sollten. Dadurch könnte das aktuelle Bewertungsniveau von Risikoanlagen nicht mehr haltbar sein. Letztlich hängt alles davon ab, ob, wie schnell und wie weit die Anleihenrenditen steigen. Im schlimmsten Fall müssten wir uns in den nächsten sechs Monaten auf größere Turbulenzen bei Risikoanlagen einstellen.
Ein bedeutender Anstieg der Teuerung ist ein Faktor, durch den die Weichen neu gestellt werden könnten. Daher fragen wir uns aktuell, ob die Welt der Inflation mittlerweile zu wenig Beachtung schenkt. In Großbritannien trifft der durch die Pfund-Schwäche bedingte Teuerungsdruck die Lieferanten und letztlich auch den Einzelhandel. Hier lagen die Inflationsdaten im September bereits über den Erwartungen der Analysten. In den USA sind leichte Stagflationstendenzen zu beobachten. Das Wachstum ist stabil oder leicht rückläufig, während die steigenden Arbeitskosten und Basiseffekte für zunehmenden Preisdruck sorgen. So ist inzwischen eine Verdoppelung der Gesamtinflationsrate auf 2% bis Jahresende durchaus denkbar. Das könnte die Fed dazu ermutigen, im Dezember an der Zinsschraube zu drehen, was wiederum für einen Volatilitätsschub bei Risikoanlagen sorgen dürfte.
Vor diesem Hintergrund halten wir an unserem neutralen und vorsichtigen Ausblick für Aktienanlagen fest. Selektive Anlagechancen sehen wir allerdings durchaus noch, vor allem an den asiatischen Schwellenmärkten. Wir halten die Wachstumsaussichten in dieser Region für besser und stabiler, da sich die meisten Schwellenmärkte auf die globale Handelsschwäche eingestellt haben und weiter Spielraum für geld- und fiskalpolitische Stimulusmaßnahmen haben, die Wachstumssorgen in China nachlassen und zunehmend Kapital in die Region fließt. Vor allem aber sind die Bewertungen attraktiv, die Unternehmensgewinne werden durch die genannten Faktoren unterstützt und in 60% der asiatischen Länder sollen die Umsätze wachsen. Daher sehen wir interessante Anlagemöglichkeiten im Bereich der dividenden- und wachstumsstarken Schwellenländerunternehmen. Gleichzeitig bleiben wir jedoch wachsam bezüglich der Risiken durch mögliche Zinserhöhungen in den USA und die Entwicklung des US- Dollars.
Dies ist mein letzter Kommentar vor den US-Präsidentschaftswahlen. Wie auch immer die Wahl ausgehen wird: Aus der Vergangenheit wissen wir, dass es nach Amtsantritt eines neuen Präsidenten zumeist zu einem deutlichen, aber kurzfristigen Kurseinbruch an den Aktienmärkten kommt, bevor der Markt wieder zum Status quo zurückkehrt. Potenziell mehr Sorgen bereitet die Tatsache, dass die Märkte und die Volatilität keinen Trump-Sieg eingepreist zu haben scheinen. Das könnte ein Risiko darstellen, falls das Unerwartete doch eintritt.