Die Corona-Pandemie hat den Spareifer der Deutschen beflügelt. Im vergangenen Jahr ist das Geldvermögen der Privathaushalte um rund 7 Prozent auf einen Rekordwert von sieben Billionen Euro gestiegen (2019: 6,5 Billionen Euro). Trotz anhaltend niedriger Zinsen setzen die Sparer weiter vor allem auf Bargeld und Sichteinlagen, deren Bestände um 229 Milliarden Euro gewachsen sind.
Insgesamt lagern mit 2,8 Billionen Euro über 40 Prozent des Gesamtfinanzvermögens in Zinsprodukten. Das geht zu Lasten der Ertragskraft: Der Anteil, den Renditen am Vermögensaufbau ausmachen, ist im Vergleich zu 2019 noch einmal von 24 Prozent auf 19 Prozent gesunken.
Vor dem Hintergrund anziehender Inflationsraten droht Sparern ein realer Vermögensverlust in Rekordhöhe. Dies zeigt eine Auswertung von Prof. Oscar A. Stolper von der Philipps-Universität in Marburg im Auftrag von Union Investment.
Nullzinsblock weiter angewachsen
Die vergangenen anderthalb Jahre waren für Sparer eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Einerseits kletterte die Sparquote der Deutschen in Corona-Zeiten von 10,9 Prozent im Jahr 2019 ein Jahr später auf 16,2 Prozent. Andererseits zahlte sich das Sparen für viele Bundesbürger kaum aus, weil sie das Geld auch während der Pandemie überwiegend in niedrig- bis negativverzinste Anlageklassen anlegten.
Zwar ist der Anteil von Termin- und Spareinlagen am Gesamtfinanzvermögen von 2019 auf 2020 leicht um einen Prozentpunkt auf 11,7 Prozent zurückgegangen. Insgesamt ist der Nullzinsblock aber weiter gewachsen. Allein 2020 parkten deutsche Sparer knapp zwei Billionen Euro an Bargeld, auf Giro- oder Tagesgeldkonten, über 229 Milliarden Euro mehr als noch 2019.
Mittlerweile machen Bargeld und Sichteinlagen fast ein Drittel des Geldvermögens aus (28,7 Prozent), obwohl diese Anlageformen seit Jahren kaum oder keine Renditen abwerfen. „Das Girokontosparen liegt weiter im Trend. Viele Deutsche haben die Möglichkeit, mehr Geld auf die hohe Kante zu legen, aber sie vernachlässigen dabei die wichtige Frage nach dem Wie“, sagt Stolper.
Rund 79 Millionen Euro Verluste zwischen 2017 und 2020
Das zieht immer stärkere Implikationen nach sich. Denn die Kombination aus niedrigen Zinsen und einer – wenn auch nur vorübergehend – anziehenden Inflation sorgen dafür, dass der Kaufkraftverlust deutscher Sparer in diesem Jahr einen Rekordwert erreichen dürfte.
Rund 1,7 Billionen Euro des gesamten deutschen Finanzvermögens sind Sichteinlagen, deren Realverzinsung (Differenz von Nominalzins und Inflationsrate) bereits in den letzten 20 Jahren fast durchgehend negativ war. Allein zwischen 2017 und 2020 haben Sparer mit Geld in Sichteinlagen etwa 79 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren.
Dieser Wertverlust dürfte sich noch verschärfen: Denn der Inflationsanstieg drückt deutlich auf die Erträge. Tatsächlich kletterte die Inflationsrate in Deutschland im Mai 2021 um 0,5 Prozent auf 2,5 Prozent und bleibt auch im Juni mit 2,3 Prozent weiterhin hoch.
Eine Beispielrechnung zeigt, wie stark angespartes Vermögen innerhalb von nur 10 Jahren abschmelzen kann: Wer zu Beginn 10.000 Euro bei einer Inflationsrate von zwei Prozent und einem Zinssatz von null Prozent anlegt, verliert im Laufe einer Dekade rund 1.797 Euro an Kaufkraft – und damit annähernd ein Sechstel seines Vermögens. „Sparern, deren Geldanlage stark zinsabhängig ist, steht ein realer Vermögensverlust bevor, den viele so noch nicht kannten“, resümiert Stolper.
Ertragskraft von Zinsprodukten nimmt weiter ab
Die Zahlen zeigen, dass sich die Tektonik im Vermögensaufbau massiv verändert hat. Während sich das Vermögen der Sparer früher vorrangig durch Zinsen vermehrt hat, trägt bei einem Vermögensaufbau im Nullzinszeitalter lediglich das Sparaufkommen zum Wachstum bei. Aufgrund der niedrigen Verzinsung von Girokonten, Tages- und Festgeldern dürfte es Anlegern zunehmend schwerfallen, die Folgen der Teuerungen allein durch Sparanstrengungen zu kompensieren.
Der Anteil, den Erträge an der Vermögenszunahme ausmachen, nahm noch einmal gegenüber 2019 um fünf Prozentpunkte auf magere 19 Prozent im Folgejahr ab. Zum Vergleich: 2011 konnte der Vermögensaufbau noch zu 87 Prozent aus Erträgen generiert werden. Betrachtet man nur die Ertragskraft von Zinsprodukten und klammert etwa kapitalbildende Versicherungsprodukte aus, ergibt sich 2020 ein Kapitalzuwachs von gerade einmal einem Prozent (2011: 47 Prozent).
„Die Deutschen sparen weiter viel, aber ineffizient“, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment. „Im Niedrigzinsumfeld gilt, dass höhere Sparquoten nicht zwangsweise zu höheren Erträgen führen. Damit sich die Sparanstrengungen der Anleger lohnen, müssen sie effizienter und damit höherrentierlich anlegen“, so Gay.
Anleger zeigen sich renditeorientierter
Hoffnung machen die Sparer, die zunehmend andere Anlageformen wie Direktanlagen in Aktien, Fonds oder anderes nutzen. Positiv falle Stolper zufolge auf, dass zumindest ein Teil der Anleger 2020 bereits renditeorientierter als in den Jahren zuvor anlegte.
So stieg der Anteil von Aktieninvestments am Gesamtfinanzvermögen der Deutschen um 0,7 Prozentpunkte auf 11,6 Prozent an (2019: 10,9 Prozent). Das sei der höchste Wert seit über 12 Jahren (2008 Q3: 12,3 Prozent). Auch der Anteil von Investmentfonds am Gesamtfinanzvermögen blieb im Vergleich zum Vorjahr mit 10,5 Prozent konstant.
Dennoch lagern noch immer über 40 Prozent des Gesamtfinanzvermögens in wenig rentierlichen Anlagen. „Wir sehen, dass der Trend zur Evolution des Sparens bei einer zunehmenden Anzahl von Anlegern Wurzeln schlägt. Klar ist aber auch, dass ein breiter Teil der Bevölkerung Unterstützung dabei benötigt, nicht unter Wert zu sparen“, so Gay. „Sparen heißt Konsumverzicht und ist für jeden mit Aufwand verbunden. Für diesen Einsatz sollten die Menschen nicht mit Kaufkraftverlusten bestraft werden, sondern sich mit einem realen Vermögensaufbau belohnen.“
(Union Investment)