Wirtschaft

Das Metaversum: Die nächste Welle digitaler Innovation?

Autor: Mark Hawtin, Investment Director für Aktien "Disruptives Wachstum" bei GAM Investments

Tumisu / Pixabay

Von Gucci-Handtaschen bis hin zu Flugzeugen: Das Metaversum hat eine Innovationswelle angestoßen. Wo liegen die Chancen in diesem Markt, dessen Wert auf 1 Billionen US-Dollar geschätzt wird?

Wer sich mit dem Hype um das Metaversum beschäftigt wird schnell mit einer Welt konfrontiert, in der wir alle in eine virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) bzw. erweiterte Realität (Augmented Reality, AR) eintauchen, ein Parallelleben führen, mit VR- bzw. AR-Headsets herumlaufen und uns nicht mehr mit den Menschen befassen, die uns in der physischen Welt umgeben, sondern uns auf die Charaktere in unserer virtuellen Welt konzentrieren. Auf diese Weise dürfte das Metaversum jedoch nur von einer sehr kleinen Minderheit genutzt werden. Das Metaversum ist weit davon entfernt, eine futuristische schöne neue Welt zu sein. Es wird vielmehr eine natürliche Erweiterung der bestehenden Online-Welt sein, mit der wir bereits leben – tagein, tagaus. Eine Definition zu finden, ist indes nicht leicht. Im Grunde ist das Metaversum eine virtuelle Welt, in der sich eine Vielzahl von Personen zusammenfindet, um zu spielen, zu arbeiten oder mit anderen in Kontakt zu treten.

Triebfeder des Metaversum: sein sozialer Aspekt

Einer der Gründe, weshalb das Thema einen schlechten Ruf hat, ist die Tatsache, dass viele der bestehenden und Erstanwender in der Gaming-Welt unterwegs sind. Wenn Sie jemanden fragen, was Roblox ist, wird die Antwort meines Erachtens zu über 90% lauten: eine Spiele-Website. Fragt man jedoch den Gründer und CEO, David Baszucki, so wird er Ihnen antworten, dass Roblox eine Plattform und viel mehr als ein Spiel ist. Es ist eine Plattform, die die Nutzer in die Lage versetzt, über das gesamte Content-Spektrum hinweg Inhalte zu erstellen. Allerdings war Basuckis erstes Unternehmen Interactive Physics ein immersives Online-Experiment für den Physikunterricht und hat zum Teil als Inspiration für die Vision von Roblox gedient. Der Name «Roblox» ist eine Verschmelzung der beiden Worte «Roboter» und «Blöcke» und beinhaltet eine Bau- bzw. Entwicklertätigkeit. Etwa 10 Millionen Entwickler erstellen Inhalte für die Plattform. Und dies ist der Punkt, an dem das Metaversum wirklich interessant wird: Nämlich als virtuelle Plattform, auf der sich eine Online-Avatar-Identität in verschiedenen Content-Bereichen wie Spiele, Bildung, Shops oder Fabriken bewegen kann. Und damit werden die Umrisse der immersiven virtuellen Welt deutlich, als die sich das Metaversum tatsächlich definieren lässt. Die Hardware-Plattform, durch die wir darauf zugreifen, ist weniger relevant – es könnte ein VR- bzw. AR-Headset, aber auch ein Smartphone, Laptop, eine Spielkonsole oder ein anderes Endgerät sein. Dies hat jedoch für gewisse Verwirrung gesorgt. So scheint etwa Mark Zuckerberg (Facebook) sein Augenmerk häufig stärker auf den Aspekt der Augmented Reality, also auf die Geräteplattform, zu legen. Die Plattform ist jedoch nicht die treibende Kraft für die Chance, die die immersive Welt bietet. Ihre Triebfeder ist der soziale Aspekt (im weitesten Sinne), der die Kommunikation und Zusammenarbeit von Menschen betrifft.

Wo liegen also nun die großen Chancen, die für die nächste Innovationswelle sorgen? Die Antwort lautet: Überall! Wir glauben, dass es neue Umsatzchancen und Produktivitätssteigerungen in zahlreichen Branchen bieten wird – im Einzelhandel durch virtuelle Verkaufsräume, aber auch bei der industriellen Konstruktion und Fertigung, der 3D-Analytik, bei Produktvorführungen und virtuellen Rundgängen. Das sind nur einige Beispiele von Bereichen, die stark aufgewertet werden dürften.

Auswirkungen des Metaversum auf Luxusmarken

Swetha Ramachandran, Investment Manager, Luxury Equities, hat untersucht, welche Auswirkungen das Metaversum auf Luxusmarken und folglich auch den Einzelhandel im Allgemeinen haben wird. Für den Einzelhandel sind zwei Bereiche interessant:

1. Die Entwicklung des Marktes für «virtuelle» Güter und das damit einhergehende immersivere Markenerlebnis
2. Die Auswirkungen auf den Verkauf physischer Produkte

Gucci eröffnete beispielsweise einen virtuellen Store auf der Roblox-Plattform, der 20 Millionen Besucher (1) anzog. Die Erfahrung ist wesentlich immersiver als eine Facebook-Seite oder ein kurzer Video-Clip. Im Jahr 2021 wurden schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar für virtuelle Produkte ausgegeben (2).

Laut Morgan Stanley könnte das US-Dollar-EBIT der gesamten Luxusmarkenbranche durch die Chancen des breiteren Metaversums bis 2030 einen Zuwachs von 25% verzeichnen (3). Image ist alles – insbesondere in der virtuellen Welt. Einer von fünf Roblox-Nutzern ändert seinen Avatar täglich, was die Strahlkraft des Luxusimage und der Marke verdeutlicht.

Adidas lancierte jüngst ein NFT-Angebot. 30 000 NFTs wurden für jeweils 0,2 ETH (1 ETH = rund 4.000 US-Dollar) verkauft. Diese Tokens wechselten nur wenige Wochen später für 0,8 ETH den Besitzer (4). Adidas erhebt für jede Transaktion eine Gebühr von 10%, wobei alle Transaktionen selbstreguliert durchgeführt und durch die Blockchain authentifiziert werden. Es ist durchaus möglich, dass Transaktionen mit virtuellen Produkten im Laufe der Zeit messbare Auswirkungen auf die Rentabilität haben werden.

Verbindung der physischen und die virtuellen Welt bei Design und Produktion

Auch im Bereich Design und Produktion dürfte das Metaversum eine große Rolle spielen. Boeing hat vor Kurzem die Schaffung einer auf VR und AR basierenden digitalen Flugzeug-Werkshalle für die Konstruktion seines nächsten Flugzeugs angekündigt. Dadurch sollen die «weit verzweigten Designprozesse zusammengeführt werden». Laut Chief Engineer Greg Hyslop gehen 70% der Qualitätsprobleme auf Mängel im Designprozess zurück (5). Durch die Schaffung einer immersiven 3D-Umgebung, gepaart mit Robotern, die miteinander kommunizieren und indem Mechaniker auf der ganzen Welt mit HoloLens-Headsets von Microsoft im Wert von 3.500 US-Dollar ausgestattet und verbunden werden, wird es seiner Ansicht nach möglich sein, den Prozess zu straffen und zu verbessern.

Diese Beispiele aus dem Einzelhandel und der Produktion vermitteln lediglich einen rudimentären Eindruck der unmittelbaren Chancen, die unser Thema Digital 4.0 bietet. Eine jüngst von Grayscale veröffentlichte Studie prognostiziert, dass das Metaversum einen Markt im Wert von 1 Billionen US-Dollar darstellen wird (6). Er dürfte bei Weitem größer sein. Eine Reihe neuer Unternehmen werden die neuen Plattformgewinner des Web 3.0 sein, wie es die FAANG-Unternehmen Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google (jetzt Alphabet) beim Web 2.0 waren. Das nächste Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Billionen US-Dollar zu finden, ist eine Chance und wäre eine Art «Großwildjagd». Es wird jedoch viele heute bereits existierende, ausgereifte Unternehmen geben, die in ihrem jeweiligen Markt führend sind und sich durch ihr Engagement im Metaversum neue und erhebliche zusätzliche Umsatz- und Gewinnquellen erschließen. Diese Unternehmen unter die disruptive Lupe zu nehmen, wird von entscheidender Bedeutung sein, um die Gewinner und Verlierer zu ermitteln.

(Instinctif Partners)

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