Wirtschaft

Das Potential der Geldpolitik scheint erschöpft

Man könne den Notenbankern wirklich nicht vorwerfen, zu wenig für die Stabilisierung der Weltwirtschaft zu tun.

Geldpolitik

Doch die Geldpolitik scheint erschöpft. „Es ist vielmehr die Politik, die ihre Hausaufgaben nicht macht und zwingend erforderliche strukturelle Reformen immer wieder verschiebt“ konstatiert Thomas Böckelmann, Investmentchef der Euroswitch, in seiner aktuellen Einschätzung der Kapitalmärkte. Vor allem in Europa sei vor dem Superwahljahr 2017 und nach dem Brexit-Schock der Reformunwillen besonders groß. Deutschland weigere sich beharrlich, das Geschenk negativer Zinsen anzunehmen und dringend erforderliche Milliarden in die Infrastruktur zu investieren. Auch die Notenbankvertreter bemühen sich redlich, weiter Überzeugungsarbeit in Richtung der politisch Verantwortlichen zu leisten.

Die US-Notenbankchefin Janet Yellen (FED) habe in den von den Marktteilnehmern mit Spannung erwarteten Reden erneute Zinsanhebungen in diesem Jahr nicht ausgeschlossen, gleichzeitig aber etwaige Rezessionsängste zerstreuen wollen. Nach Böckelmann sei der Spielraum für die Notenbanken angesichts der historisch niedrigen Zinsniveaus sehr gering bis nicht existent. „Stand heute müssen sich Mario Draghi (EZB) und Janet Yellen (FED) wie Prediger in der Wüste fühlen“, so Böckelmann. Es sei fraglich, ob und wann die Politik die faktisch erreichten Grenzen der Geldpolitik akzeptiere und wieder wirtschaftspolitisch gestaltende Verantwortung übernehme. Auf Dauer werde den Kapitalmärkten das gespannte Sicherheitsnetz der Notenbanken nicht mehr reichen – der Ruf nach fiskalischen Maßnahmen werde lauter.

Insbesondere Europa biete laut Böckelmann ein eigenes Schauspiel in scheinbar endlosen Akten. Frankreich boxe Minireformen gegen das Parlament mit Notgesetzen durch oder kassiere diese gerne nach Protesten der Straße wieder ein. In Portugal will die politische Linke tatsächlich die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, in dem diese gesetzlich verboten werde. Griechenland mache dem Leiter des Statistikamtes den Prozess wegen Landesverrats, nur weil dieser erstmals den griechischen Schuldenstand transparent offengelegt habe. Auch Deutschland weigere sich beharrlich, dringend erforderliche Milliarden in die Infrastruktur zu investieren. Zwar kann man Merkels jüngste Aussage, „der Stabilitätspakt enthält genug Flexibilität“, positiv im Sinne einer weiteren (leider erforderlichen) Verletzung der Kriterien deuten, verlassen kann man sich jedoch nicht darauf. Auch außerhalb von Europa zeigen sich die verantwortlichen Regierungen dies- und jenseits des Atlantiks zerstritten. Seit Jahren blockieren sich in den USA Demokraten und Republikaner in einer Patt-Situation. Japan stehe sich bei allem Gelddrucken selbst im Weg, da der dritte Pfeil der Strukturreformen nur eine Ankündigung und somit ungenutzt im Köcher bleibe.

Der Stillstand um das transatlantische Handelsabkommen TTIP und der jüngste plumpe Versuch der EU-Kommission, Apple für eine falsche Steuergesetzgebung zu bestrafen, wertet Böckelmann eher als weiteren Rückschlag für die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit europäischer Politik. Insofern bleibe jedes Wort der Notenbanker bis auf weiteres entscheidend für die Markteinschätzung der Investoren.

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