Wirtschaft

DAX und Familienunternehmen zwei eigene Welten

Aktuelle Untersuchung: Chefs haben nur selten selbst schon für die andere Seite gearbeitet Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen DAX-Konzerne und die Vorsitzenden der Geschäftsführung von Familienunternehmen bleiben gerne jeweils unter sich.

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Nur fünf DAX-Chefs haben zuvor schon einmal bei einem nicht notierten Unternehmen im Privatbesitz gearbeitet. Von den 30 größten nicht an der Börse gelisteten Unternehmen in Familienhand haben nur sieben Geschäftsführer bereits früher einen Konzern als Arbeitgeber gehabt. Dabei kann es gerade in der Zeit der disruptiven Geschäftsmodelle von Vorteil sein, in beiden Systemen gearbeitet und gelebt zu haben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung* der Executive-Search- und Talent-Management-Beratung Korn Ferry.

Stefan Heidenreich (Beiersdorf), Elmar Degenhart (Continental), Ulf Schneider (Fresenius), Bernd Scheifele (HeidelbergCement) und Rolf Buch (Vonovia) kennen den Unterschied zwischen dem Management von frei an der Börse handelbaren Unternehmen und Firmen, die sich vollständig im Privatbesitz befinden. Auf der anderen Seite haben Oliver Windholz (Phoenix), Klaus Rosenfeld (Schaeffler), Mohsen Sohi (Freudenberg), Hubert Lienhart (Voith) sowie die drei Co-Geschäftsführer von DKV Mobility Services – Werner Grünewald, Alexander Hufnagel und Christian Koch – vor ihrer Tätigkeit für das Unternehmen in Privatbesitz auch schon für gelistete Konzerne gearbeitet.

„Schon sehr früh legen sich die Manager meist unbewusst fest, in welcher Unternehmensform sie Karriere machen werden. Häufig wird dies schon mit der ersten beruflichen Station entschieden“, sagt Hubertus Graf Douglas, Geschäftsführer von Korn Ferry in Deutschland. „Nicht nur Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien gelten untereinander als kaum durchlässig. Einen ähnlichen Effekt können Sie in der Wirtschaft auch zwischen den Welten Konzern und Privatunternehmen feststellen.“

Dabei haben die heutigen Top-Manager vergleichsweise ähnliche Ausbildungen zu Beginn ihres Berufslebens. Nur sechs der DAX-Chefs haben eine Berufsausbildung absolviert. Öffentlich belegbar* ist dies die gleiche Zahl bei den Vorständen/Geschäftsführern bei Unternehmen, die sich mehrheitlich in privater Hand befinden. Mehr als ein Drittel hat jeweils Betriebswirtschaftslehre studiert, dahinter kommen Ingenieurswissenschaften, Jura oder vereinzelt Naturwissenschaften. Mit Matthias Müller bei Volkswagen steht ein Diplom-Informatiker (FH) an der Spitze eines DAX-Konzerns. Auffällig ist: Während mehr als ein Fünftel der DAX-Chefs Ingenieure sind, sind dies nur knapp zehn Prozent der Vorsitzenden der Geschäftsführung oder Vorstände bei den großen Familienunternehmen. Währenddessen heute kein DAX-CEO nicht studiert hat, gibt es diese Fälle in Familienunternehmen  noch durchaus. Sowohl angestellte Manager wie Klaus Gehrig (Schwarz-Gruppe) oder auch Inhaber wie Dirk Roßmann (Rossmann) haben nie eine Universität oder Fachhochschule besucht und sind sehr  erfolgreich geworden.

„In der Ausbildung ist der Grund für die Versäulung von Konzernen und Privatunternehmen daher nicht festzumachen. Doch Tatsache ist: Ohne akademisches Studium hat man für die Führungsspitze heutzutage keine Chance mehr“, sagt Douglas. „Die Entscheidung für ein System fällt im Normalfall mit der ersten beruflichen Station. Für die Spitze in Frage kommende Kandidaten verstehen sehr rasch die besonderen Anforderungen der jeweiligen Systeme – besonders an die Persönlichkeit. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Konzern und Unternehmen im Privatbesitz. Während es in der einen Welt vor allem darum geht, eine Vielzahl an Investoren und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen gerecht zu werden, dreht sich in der anderen Welt häufig alles um eins: die Zufriedenheit der Eigentümer und Gesellschafter. Dies wirkt sich deutlich auf Führungsmodelle und Unternehmenskultur aus. Diejenigen, die ihren Weg nach oben finden wollen, richten verständlicherweise darum ihr Verhalten und ihre Entscheidungen schon sehr frühzeitig auf die unterschiedlichen Anforderungen der jeweilige Kulturen aus.“

Insgesamt haben die heutigen Top-Manager ihren Arbeitgeber nur vergleichsweise selten gewechselt. Sechs Vorstandsvorsitzende haben ihre Karriere schon dort begonnen, wo sie heute an der Spitze stehen. Ein Drittel hatte davor einen einzigen anderen Arbeitgeber. Bei mehr als vier Unternehmen zuvor haben nur 16 Prozent der DAX-Chefs gearbeitet. Bei den Unternehmen im Privatbesitz mit einer vergleichbaren Größe waren es sogar nur zwei Geschäftsführ/Vorstände, die in ihrer gesamten Karriere schon mehr als vier Arbeitgeber hatten. Dagegen gibt es zehn, die ihr Unternehmen nie gewechselt haben.

Graf Douglas sagt: „Um ins Top-Management zu kommen, zahlt sich früher wie heute vor allem Konstanz aus. Stallgeruch ist und bleibt ein wichtiger Bonus für die Wahl des neuen Chefs. Externe Besetzungen haben es immer schwerer, wie prominente Fälle zeigen. Und der Wechsel zu einer Firma bringt immer das Risiko mit sich, mit der Kultur nicht zurecht zu kommen. Führungskräfte scheitern nicht wegen fehlender Fachkenntnisse, sondern weil sie nicht die neue Kultur hineinfinden. Das ist auch der eigentliche Grund, warum wir kaum eine Karrierevermischung zwischen Konzernen und Familienunternehmen bei Top-Managern feststellen können.“

„Die scheinbar wenig vorherrschende Kompatibilität zwischen diesen beiden Welten ist es, die viele Jahre die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland ausgemacht hat“, sagt Hubertus Douglas. „Doch eine zunehmende Flexibilisierung ist erkennbar. Der permanente Veränderungsdruck und die teils disruptiven Entwicklungen in den Märkten zwingen Unternehmen dazu, noch stärker auf Eignung und Qualifikation der Führungskräfte  zu setzen – sowohl im operativen Management als auch in den Aufsichtsorganen und Beiräten. Gerade Manager, die sich bereits in verschiedenen Systemen bewährt haben, bieten heute die größte Chance, Unternehmen durch diese Zeit sicher zu lotsen. Denn sie haben bewiesen, dass sie ihre Fähigkeiten nicht nur unter gegebenen Rahmenbedingungen einsetzen können. Sie haben die notwendige Anpassungsfähigkeit, um systemische Veränderungen schnell zu adaptieren.“

* Untersucht wurden die 31 (Co)-Vorstandsvorsitzenden der deutschen DAX-Konzerne sowie die 33 (Co)-Vorsitzenden der Geschäftsführung der 30 größten deutschen Konzerne in Familienbesitz auf Basis öffentlich zugänglicher Quellen. Während die Vorstandsvorsitzenden von DAX-Unternehmen beinahe zu 100 Prozent transparent ihre Vita öffentlich zugänglich gemacht haben, ist dies bei den Vorsitzenden der Geschäftsführung von Familienunternehmen nicht der Fall. Diese Untersuchung verwendet daher nur öffentlich einsichtbare Informationen, um die Privatsphäre der einzelnen Personen zu schützen.

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