Einem alten Bonmot zufolge besteht Wirtschaft zu 50 Prozent aus Psychologie, und in diesen dunklen Dezembertagen kann ein wenig Aufmunterung sicher nicht schaden. Ein paar gute Nachrichten gab es zuletzt tatsächlich: Die Erdgasspeicher sind so gut gefüllt, dass eine echte Gasmangellage mit der zwangsweisen Stilllegung von Produktionsprozessen sehr unwahrscheinlich geworden ist. Die Inflation ist im November leicht gesunken, und die Stimmung hat sich sowohl unter den Verbrauchern als auch in den Unternehmen etwas aufgehellt. Insgesamt lässt sich aus heutiger Sicht sagen: Manches Katastrophenszenario von vor ein paar Monaten hat sich als zu pessimistisch herausgestellt.
Dieser erfreuliche Befund kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Wirtschaft höchstwahrscheinlich schon im laufenden Quartal auf dem Weg in eine Rezession ist. Der genauere Blick auf die Daten zeigt, dass nicht alles Gold ist, was auf den ersten Blick glänzt: Der Rückgang der Inflationsrate beruhte fast ausschließlich auf niedrigeren Energiepreisen. Die übrigen Preise stiegen auch im November mit nahezu unverminderter Dynamik weiter an. Es ist deshalb noch ein weiter Weg, bis die Inflationsrate wieder auf ein akzeptables Niveau von etwa 2 Prozent gesunken sein wird. Auch der Ifo-Index entpuppt sich bei näherem Hinsehen bestenfalls zur Hälfte als gute Nachricht: Die Lageeinschätzung der Unternehmen hat sich nämlich auch im November weiter verschlechtert, und die Verbesserung der Erwartungskomponente vollzog sich von einem extrem niedrigen Niveau aus.
Scharfer Gegenwind für die deutsche Wirtschaft
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird in den kommenden Monaten mit einigen Widerständen konfrontiert. Vier Faktoren spielen hierbei eine Rolle:
Erstens wird der private Konsum in den nächsten beiden Quartalen sinken, weil viele Haushalte nur begrenzt dazu in der Lage sind die Preissteigerungen, insbesondere für Gas und Strom, mit einem Abbau von Ersparnissen zu kompensieren. Die deutlich gesunkene Sparquote und die rückläufige Entwicklung der Sichteinlagen bei den Banken verdeutlichen dies.
Zweitens verschlechtern die stark gestiegenen Zinsen die Finanzierungsbedingungen. Die realwirtschaftlichen Folgen sind deutlich im Bausektor zu sehen, dessen Wertschöpfung bereits seit zwei Quartalen sinkt. Eine Verbesserung ist vorerst nicht in Sicht, zumal die Kreditzinsen weiter steigen werden.
Drittens lassen das Scheitern der Null-Covid-Politik und die erneuten Lockdowns in China dort vorerst eine sehr schwache Wirtschaftsentwicklung und damit stark begrenzte Exportaussichten erwarten. Darunter leidet vor allem die exportorientierte deutsche Wirtschaft.
Viertens schließlich werden sich möglicherweise auch die Exportaussichten in die USA eintrüben, denn die dortige Straffung der Geldpolitik hat die Wahrscheinlichkeit einer Rezession auch in den USA signifikant erhöht.
Insgesamt spricht vieles dafür, dass die Rezession vergleichsweise milde verlaufen und die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 insgesamt um weniger als 1 Prozent schrumpfen wird. Dennoch gibt es keinen Grund zum Zurücklehnen: Wenn auf die milde Rezession ein Aufschwung folgen soll, muss die Energieversorgung auch im nächsten Winter 2023/24 ohne russisches Gas gewährleistet werden. Die Sicherung oder Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bleibt also eine ebenso herausfordernde wie vielschichtige Aufgabe.