Diesmal: Die EZB zeigt sich bezüglich der Inflation besorgt – doch noch ist kein Kurswechsel in Sicht.
Und ansonsten? Neue Covid-Varianten, anhaltende Unterbrechungen der Lieferketten, hohe Energiepreise und geopolitische Fragen wirken sich kurzfristig sowohl wachstumshemmend als auch preistreibend aus.
Silvia Dall’Angelo, Senior Economist:
„Im Rahmen der gestrigen EZB-Sitzung sollte eigentlich keine Kehrtwende in der Geldpolitik vollzogen werden. Doch die unerwartet hohe Inflationsrate im Januar zwang Präsidentin Lagarde zu einem deutlich hawkishen Ton, der darauf hindeutete, dass die nächste Phase der Normalisierung der Geldpolitik früher als bisher erwartet erfolgen könnte. Insbesondere musste sie ihre Aussage aus Dezember zurücknehmen, dass eine Zinserhöhung im Jahr 2022 sehr unwahrscheinlich sei.
Sie bekräftigte die zeitliche Abfolge der EZB-Leitlinien (ein früherer Beginn des Zinserhöhungszyklus würde ein früheres Ende der Nettokäufe voraussetzen), betonte den Gradualismus und die Datenabhängigkeit, konnte aber einen Zinsschritt im Jahr 2022 nicht ausschließen.
Die Entwicklungen seit der Dezember-Sitzung der EZB haben gezeigt, dass sich die kurzfristigen Zielkonflikte, mit denen die EZB konfrontiert ist, weiter verschärft haben – was weitgehend mit den Herausforderungen übereinstimmt, mit denen andere Zentralbanken konfrontiert sind.
Neue Covid-Varianten, anhaltende Unterbrechungen der Lieferketten, hohe Energiepreise und geopolitische Fragen wirken sich kurzfristig sowohl wachstumshemmend als auch preistreibend aus. Die Auswirkungen der hohen Energiepreise und der Lieferunterbrechung haben bereits im Januar zu einer sequenziellen Aufwärtsüberraschung bei der Inflation geführt, als der Verbraucherpreisindex (HVPI) mit 5,1 % ein Rekordhoch in der Geschichte der Eurozone erreichte.
Präsidentin Lagarde musste einräumen, dass die jüngsten Inflationszahlen „einhellige Besorgnis“ auslösten und dass die Aufwärtsrisiken für die Inflationsaussichten zugenommen haben: Je länger die real existierende Inflation hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass sie durch Nebeneffekte verfestigt wird.
In Zukunft wird die Lohndynamik vor dem Hintergrund eines sich festigenden Arbeitsmarktes entscheidend sein. Das Lohnwachstum war bisher gedämpft, was die akkommodierende Haltung der EZB und das langsame Vorgehen bei der Normalisierung rechtfertigt.
Die EZB könnte sich jedoch gegen das Risiko einer Preis-Lohn-Spirale absichern wollen, so wie es andere große Zentralbanken bereits getan haben. Alle Augen richten sich nun auf die März-Sitzung, auf der eine neue Reihe von Prognosen und eine detaillierte Analyse des Inflationsbildes wahrscheinlich zu einem etwas schnelleren Tempo des Tapering führen und die Tür für eine Aufhebung der Geldpolitik zur Jahreswende öffnen werden. Eine leichte Beschleunigung der EZB-Pläne zur Normalisierung der Geldpolitik scheint in Sicht zu sein, aber die Aussichten sind immer noch sehr unsicher. Aus diesem Grund werden „Flexibilität und Optionalität“ wahrscheinlich weiterhin das Mantra der EZB bleiben und in beide Richtungen genutzt werden können.“
Geir Lode, Head of Global Equities:
„Die Anleger sorgten sich bezüglich der US-Notenbank Fed sowie der hartnäckigen Inflation. Sie gingen aber davon aus, dass eine starke Gewinnsaison diese Sorgen ausräumen würde. Die schwachen Geschäftszahlen der Technologieunternehmen haben jedoch dazu geführt, dass sich die Anleger zu Value-Titel umorientieren, die weniger empfindlich auf höhere Zinssätze reagieren. Außerdem sind die Anleger besorgt, dass die politischen Entscheidungsträger die Inflation zu langsam bekämpfen könnten – was zu wesentlich stärkeren Zinserhöhungen führen würde, welche Aktien wiederum weniger attraktiv machen würden.
Die Pandemie-Sorgen der Anleger schwinden hingegen, da immer mehr Länder ihre Beschränkungen aufheben. Die Null-Toleranz-Politik in China hat sehr erfolgreich dazu beigetragen, die Infektionsrate auf einem extrem niedrigen Niveau zu halten. Allerdings: Der Antikörperspiegel in der chinesischen Bevölkerung ist infolgedessen sehr niedrig, was das Risiko zukünftiger großer Ausbrüche erhöht. Künftige große Covid-Ausbrüche in China würden die globale Lieferkette weiter einschränken und zu höherer Inflation und höheren Zinsen führen.
Angesichts des hohen Bewertungsniveaus, des enttäuschenden Gewinnzuwachses, der höheren Inflation und der höheren Zinssätze halten wir Aktien mit niedrigen Bewertungen, starken Bilanzen und sicheren Dividenden für attraktiver. Ein größerer Ausbruch von Covid in China würde das globale Wirtschaftswachstum weiter einschränken und den Aufwärtstrend bei Aktien begrenzen.“
(Instinctif Partners)