Viele Jahre blieben wir in Europa vor Geldentwertung verschont. Bereits in den Jahren vor der Finanzkrise im Jahr 2008 hatte die EZB die Inflation im Griff – und auch in den Krisenjahren danach. Obwohl sie ihre Bilanz massiv aufgebläht und unentwegt Geld in die Märkte gepumpt hatte, blieb der Euro über die Jahre stabil. Doch mit jeder neuen Maßnahme, um die Kapitalmärkte, den Euro, aber auch Staaten zu stützen, meldeten sich die Skeptiker und warnten vor der gefürchteten Geldentwertung. Aber sie wollte einfach nicht kommen. Bis zu dem Zeitpunkt als Lieferkettenprobleme und steigende Rohstoffpreise im Corona-Erholungsjahr 2021 einen Vorgeschmack lieferten, was es bedeuten würde, wenn Preise schnell steigen. Der Ukraine-Krieg verschärft diese Entwicklungen nun, sodass wir uns mit Preissteigerungen konfrontiert sehen, die viele von uns in dieser Höhe noch nie oder allenfalls vor Jahrzehnten erlebt haben. Und die begrenzte Handlungsfähigkeit der Notenbanken wird sichtbar, denn das Mittel der Wahl gegen Inflation – die Zinserhöhung – würde das Wirtschaftswachstum bremsen.
Dieses aber schwächt sich aktuell rasant ab. Daher versuchen die Währungshüter, die Inflation vor allem mit verbalen Interventionen einzufangen, während der Leitzins im Europäischen Währungsraum im Juli nur um 0,25 Prozentpunkte angehoben werden soll. Eine homöopathische Dosis. Zusätzlich sah sich die EZB aufgrund von Marktverwerfungen jüngst gezwungen, eine überraschende Dringlichkeitssitzung einzuberufen. Dabei ging es vor allem um die steigenden Renditen in der europäischen Peripherie, also die hoch verschuldeten südeuropäischen Staaten, und die Sorgen vor einer sich wiederholenden Euro- Staatsschuldenkrise. Beschlossen wurden auf diesem außerplanmäßigen Treffen im Wesentlichen zwei Punkte: Künftig werden fällige Anleihen aus der Bilanz der Notenbank flexibel reinvestiert und vermutlich vor allem in Anleihen der Peripherie angelegt. Zudem soll ein neues Instrument geschaffen werden, das sprunghafte Anstiege der Renditeaufschläge der Peripherie verhindern soll. Dabei setzt man darauf, dass dieses Instrument nicht eingesetzt werden muss, da die pure Existenz ausreichen soll, um genügend Vertrauen zu schaffen. Einzelheiten wurden noch nicht bekannt, aber vermutlich beinhaltet das Instrument auch den Kauf von Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten.
Inflation und Leitzinsanhebungen führen zu Renditeanstiegen
Der Rentenmarkt steht in diesem Jahr stark unter Druck. Die Zeiten negativer Renditen scheinen vorbei, selbst kurz laufende deutsche Staatsanleihen rentieren wieder klar über Null. Die Inflation ist hoch, die Notenbanken erhöhen die Zinsen. Zwei Hauptgründe, warum die Renditen steigen. In den USA, wo die Wirtschaftsentwicklung stabiler läuft als bei uns, erhöhte die Notenbank Fed die Leitzinsen dieses Jahr bereits um insgesamt 1,50 Prozentpunkte, zuletzt gleich um 0,75 Prozentpunkte und damit so deutlich wie seit 28 Jahren nicht mehr. Zusätzlich deuteten die US-Währungshüter für ihre nächste Sitzung eine weitere Steigerung in gleicher Größenordnung an, wodurch die Leitzinsen ein „neutrales Niveau“ erreichen würden. Als neutrales Zinsniveau wird dabei eine Höhe angesehen, welche die Wirtschaft weder stützt noch bremst. Die Weltwirtschaft kühlt sich derzeit jedoch merklich ab. In Zeiten der Wirtschaftsabschwächung steigen zudem die Risikoaufschläge für riskante Anleihen, also zum Beispiel für Hochzinsanleihen, weswegen wir für diese Anlagen skeptischer werden. Renditeanstiege gehen mit fallenden Kursen einher, sie bieten natürlich daher ab einem gewissen Zeitpunkt Wiedereinstiegsmöglichkeiten. In der aktuellen Situation würden wir damit jedoch noch warten.
Der Aktienmarkt im Sinkflug
Die Aktienmarktentwicklung war zuletzt von fast schon panikartigen Verkäufen geprägt. Deutliche Verluste führen die Leitindizes in die Richtung neuer Jahrestiefpunkte, womit die jüngste Kurserholung wieder beendet ist. Viele Indizes sind vom letzten Hochpunkt zu Jahresbeginn nun abermals über 20 Prozent im Minus, was nach gängiger Interpretation als „Bärenmarkt“ bezeichnet wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass Aktienkurse über einen längeren Zeitraum fallen – nun schon seit sechs Monaten. Damit zeigt sich zunehmend das Marktverhalten, welches wir in Rezessionsphasen sehen konnten. Wir erwarten unverändert keine schwerwiegende Rezession, auch wenn die Risiken dafür aufgrund der Lieferengpässe und des Ukraine-Kriegs unverkennbar gestiegen sind. Entsprechend erwarten wir auch für die Unternehmen keinen deutlichen Gewinneinbruch, sondern vielmehr positive Wachstumsraten – mit allerdings nachlassender Dynamik. Unsere Einschätzung basiert auf den Erkenntnissen der abgelaufene Berichtssaison zum ersten Quartal 2022. Die Unternehmen überraschten zum Großteil positiv, und auch die Ausblicke der Firmen sind zwar vorsichtig, vom Grundton aber grundsätzlich weiter positiv. Die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind schließlich voll, die Kapazitätsauslastung hoch. Gleichzeitig ist die Bewertung der Aktien in vielen Sektoren wieder auf Normalniveau. Vor diesem Hintergrund fühlen wir uns mit einem eher defensiven Portfolio und einer ausgewogenen Mischung aus fundamental starken Wachstums- und Valueaktien für diese Marktphase gut positioniert.
(Weberbank)