Wirtschaft

Die Fed geht, die EZB steht

Aktueller Blick auf die Märkte von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Pixabay

Trotz der aktuellen Inflationszahlen in Europa, die das Ziel der EZB zum Teil sogar überschreiten, wird die EZB sich wohl vorerst nicht aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik herauslocken lassen. Viel zu gut wissen die Zentralbanker, dass die gegenwärtige Beschleunigung der Geldentwertung massiv durch Basiseffekte verzerrt ist.

Dies wird am deutlichsten, wenn man sich vor Augen führt, wo der Ölpreis heute steht, nämlich trotz zum Bersten gefüllter Lager in den USA immer noch knapp über 50 Dollar pro Fass, das ist fast doppelt so hoch wie am Tiefstand vor gut einem Jahr. Sinnvoller ist es also, auf die Kerninflationsrate zu blicken, und die weist mit 0,9% eine wesentlich schwächere Dynamik auf. Wir denken also, Mario Draghi und seine Kollegen tun gut daran, dem Druck der Falken zu widerstehen, die jetzt schon einen Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm fordern…….

Viel eindeutiger ist die geldpolitische Situation in den USA, denn dort hat die Fed spätestens seit den starken Arbeitsmarktdaten der letzten Woche keine Ausreden mehr. Um 235.000 wuchs die Zahl der neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft im Februar, viel mehr als Marktteilnehmer erwartet hatten (190.000) und sogar noch leicht oberhalb des ebenfalls robusten Januarwertes (227.000).

Die Arbeitslosenquote fiel weiter auf 4,7%, und das trotz leicht gestiegener Zahl der zur Verfügung stehenden Kräfte. Da war es zu verschmerzen, dass die Stundenlöhne etwas schwächer zulegten als erwartet. Immerhin stehen sie jetzt mit einer Jahresrate von 2,8% nur noch minimal unter der 3%-Schwelle, die als Voraussetzung für eine fundamental um rund 2% wachsende Kerninflationsrate, also geldpolitische Normalität, gilt.

Damit ist es höchste Zeit für die Fed, diese günstige Situation auszunutzen, um auch ihre Leitzinsen zu normalisieren. Eine Erhöhung der Fed Funds Target Rate um 25 Basispunkte am Mittwoch darf also als sicher gelten, die eingepreiste Wahrscheinlichkeit hierfür liegt bei rund 90%. Damit richtet sich der Blick nach vorn.

Wird Janet Yellen in der Pressekonferenz eventuell andeuten, dass es 2017 sogar mehr als die bisher angedeuteten drei Zinsschritte geben könnte? Wohl eher nicht, aber schon die Aussicht auf eine Fed, die tatsächlich die Zinserhöhungen liefert, welche sie am Ende des Vorjahres angekündigt hatte, wäre für die Zinsmärkte eine neue Erfahrung. Zu sehr hatte man sich in den beiden Vorjahren daran gewöhnt, dass die Fed bellte, ihr zum Beißen aber der Mut fehlte. Das könnte sich jetzt ändern.

Was bedeutet das für Anleger?

Damit richtet sich der Blick in dieser Woche natürlich nach Amerika, wo am morgigen Mittwoch um 19 Uhr unserer Zeit die Zinsentscheidung bekannt gegeben wird. Hierbei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass auch andere große Zentralbanken ihre Zinsentscheidungen präsentieren, nämlich die Bank of England und die Bank of Japan, beide am Donnerstag. Leitzinsänderungen werden aber weder in Großbritannien noch in Japan erwartet, sie sollten für die jeweiligen Währungsräume bei 0,25% bzw. -0.10% bleiben.

Wesentlich höher, nämlich bei 8%, steht der Leitzins der Türkischen Zentralbank, die im Zusammenhang der gegenwärtigen politischen Spannungen automatisch in den Fokus rückt. Sollte sich nämlich die Konfrontation zwischen der türkischen Regierung und mehreren EU-Ländern fortsetzen, könnte die Gefahr von weiteren Devisenabflüssen die Türkische Zentralbank zu Zinserhöhungen zwingen, die wiederum bei der Regierung vermutlich nicht auf Gegenliebe stoßen würden. Der politische Konflikt könnte somit schnell ökonomische Konsequenzen haben. Die Hauptleidtragenden dürften türkische Haushalte und Gewerbetreibende sein. Aber angesichts der Tatsache, dass die Türkei auch eines der größten Schwellenländer ist (gerechnet nach BIP Rang sieben hinter den BRIC-Ländern, Mexiko und Indonesien), wären eventuell sogar Verwerfungen für Schwellenlandanlagen zu befürchten.

Angesichts der politischen Spannungen des vergangenen Wochenendes schweift der Blick unweigerlich von der Türkei auf die Niederlande, wo an diesem Mittwoch ein neues Parlament gewählt wird. Selbst wenn die jüngsten Umfragen trügen sollten und der platinblondierte Populist Geert Wilders doch gewinnt, wird er wohl kaum Premierminister werden. In einem stark zersplitterten Parteienfeld (bis zu zehn Parteien werden im Parlament erwartet) scheint gegenwärtig kaum eine Gruppierung zur Koalition mit Wilders bereit, und die einzige, die dafür realistischerweise in Frage kommt (die Seniorenpartei 50Plus), würde ihm nur 5-6% der Stimmen bringen – viel zu wenig für eine Regierungsbildung.

Es sieht also so aus, als würde dieser Kelch an Europa vorbeigehen. Und damit wäre dann auch eine der Bremsen für eine Outperformance Europas an den Aktienmärkten gelöst. Anleger scheinen dies alles entspannt zur Kenntnis zu nehmen, worauf die sehr niedrige Volatilität europäischer Aktien (um die 15) hindeutet. Und auch amerikanische Investoren dürften wieder mit mehr Interesse auf Europa schauen, sobald das Gruselkabinett des hiesigen Wahlfrühlings hinter uns liegt. Nach Wilders droht Le Pen. Aber vielleicht lenken genau diese Drohgebilde davon ab, dass in Europa derzeit die Aussichten besser sind als sie aussehen. (BR)

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