Wirtschaft

Die Trumpisierung der Welt

Aktueller Blick auf die Märkte von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock

USA Flagge

Die präsidentialen Dekrete, die Donald Trump in den ersten Tagen seiner Amtszeit unterzeichnet hat, lesen sich wie ein Gruselkabinett politischer Unkorrektheiten. Die Mauer zu Mexiko, das Aus für TPP (das Freihandelsabkommen der Pazifikanrainerstaaten), das Eindampfen von Obamacare oder den Einreisebann für Menschen aus diversen muslimischen Ländern, all das nimmt die Weltöffentlichkeit mit der gebotenen Empörung zur Kenntnis. Überraschend ist dabei allerdings eher die allseitige Überraschung, denn genau diese Maßnahmen hatte Trump im Wahlkampf und auch danach immer wieder angekündigt. Der neue Präsident tut also nichts anderes als seine Wahlversprechen einzulösen.

Abgesehen von dem ungläubigen Aufschrei rund um den Globus wird bei allen Ankündigungen, die jetzt und in naher Zukunft aus dem Weißen Haus dringen, nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wurde. Zwar ist das Amt des US-Präsidenten mit umfangreicher exekutiver Macht ausgestattet, dennoch werden für eine Reihe von Vorhaben Kompromisse mit den beiden Kammern des Kongresses notwendig sein.

Darüber hinaus wird Trump vermutlich realisieren, dass einige der radikal klingenden Ankündigungen, etwa seine Haltung gegenüber Muslimen oder die Befürwortung von Folter, wohl bei den extremen Teilen seiner Wählerschaft auf Zustimmung stoßen, in der weit überwiegenden Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung aber nicht mehrheitsfähig sind. Da wir unterstellen, dass Donald Trump primär von dem Wunsch getrieben wird, von möglichst vielen anerkannt und gemocht zu werden, halten wir eine Mäßigung seiner Positionen im Zeitablauf für wahrscheinlich.

Wenig Einfluss muss der neue Präsident derzeit auf die wirtschaftliche Lage des Landes nehmen, denn um diese ist es recht gut bestellt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Frühindikatoren wie etwa der Einkaufsmanagerindex letzte Woche deuten auf Wachstum in der Größenordnung von bis zu 2,5% für das Gesamtjahr hin, und sogar die Inflation nähert sich der Zielmarke von 2%.

Es wird für Trump also eher darum gehen, mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen in seiner Anhängerschaft zu punkten, also etwa Industriearbeitsplätze vor Abwanderung ins böse Mexiko zu schützen bzw. sogar „aus China zurückzuholen“, America First-Aktionen spektakulär aber möglichst ohne volkswirtschaftliche Folgeschäden anzuschieben oder an der Grenze zu Mexiko tatsächlich ein Stück Mauer errichten zu lassen, und sei es auch nur für die Fotografen.

Weniger wird dagegen klassisches Deficit Spending im Mittelpunkt stehen. Einen massiven fiskalischen Anschub hat die US-Wirtschaft derzeit nicht nötig. Selbst dem Politiknovizen und VWL-Erstsemester Donald Trump ist klar, dass derartige Wirtschaftspolitik fehlgeleitet wäre.

Davon, dass die Kerninflationsrate wie in den USA in der Nähe von 2% liegt (Core CPI knapp darüber, Core PCE knapp darunter), ist Europa weit entfernt. Immerhin dürfte aber die gesamte Inflationszahl, also einschließlich Energie- und Nahrungsmittelpreise, für Januar wieder deutlich näher an 2% heranrücken. Die Konsensusschätzung von 1,5% für die Eurozone erscheint uns plausibel. Leider ist dieser Wert nur eine Momentaufnahme, denn sobald sich der ölpreisbedingte Basiseffekt (der Ölpreis erreichte seinen Tiefstand am 20. Januar 2016) verflüchtigt hat, dürfte auch die gesamte Inflationsrate wieder durchsacken.

Was bedeutet das für Anleger?

Nachdem die EZB am 19. Januar vorgelegt hat, steht nun am Mittwoch auch der Jahresauftakt der Fed ins Haus. Wie fast alle rechnen auch wir damit, dass die Leitzinsen unverändert bleiben. Darauf deutet schon die Tatsache hin, dass es sich beim 1. Februar um ein FOMC-Meeting ohne anschließende Pressekonferenz handelt. Zinsänderungen, die nicht ausgiebig der Presse dargelegt werden können, hat es in der Vergangenheit sehr selten gegeben. Auch spricht gegen eine Zinsänderung, dass Yellen & Co. vermutlich abwarten wollen, wie sich die neue Regierung positioniert. Und das ist bis auf weiteres schwierig zu lesen. Siehe oben.

Wie es mit den Finanzmärkten in diesem Jahr weitergeht, wird zu einem guten Teil von politischen Ereignissen in Europa abhängen. Für die Wahlen in Frankreich und Deutschland stehen jetzt die sozialdemokratischen Spitzenkandidaten fest, aber wir bezweifeln, dass Benoit Hamon und Martin Schulz die Dinge wirklich zugunsten ihrer Lager werden wenden können.

Zu abgeschlagen liegt in Frankreich der Parti Socialiste hinter der Konkurrenz zurück, um ernsthaft an das Erreichen der Stichwahl am 7. Mai zu glauben. Und zu sehr ist der ehemalige EU-Parlamentspräsident Schulz mit der europäischen Nomenklatura verbandelt, zu sehr betont er, Europa sei die Lösung und nicht das Problem, als dass er für eine breite Schicht von potentiellen SPD-Wählern attraktiver wäre als Sigmar Gabriel.

Für Anleger bedeutet dies, dass sich der Blick auf die Risiken der Wahlen durch die sozialdemokratischen Personalien nicht wesentlich verändert. Auch Hamon und Schulz verhindern nicht, dass ein Sieg Le Pens in Frankreich im Bereich des Möglichen liegt und die AfD zweistellig in den Bundestag einziehen dürfte. (BlackRock)

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