Wirtschaft

DIW zum Sondervermögen für Infrastruktur

Ein Investitionspaket von 500 Milliarden Euro würde der deutschen Wirtschaft aus der Krise helfen, so das DIW

Das von CDU/CSU und SPD bereits vor möglichen Koalitionsverhandlungen angekündigte Sondervermögen für Infrastruktur dürfte die deutsche Wirtschaft kräftig anschieben, sollte es tatsächlich verabschiedet werden – allerdings erst ab dem kommenden Jahr. Berechnungen des DIW Berlin zufolge würde die Wirtschaftsleistung infolge des 500-Milliarden-Euro-Investitionspakets im kommenden Jahr um etwa ein Prozent höher ausfallen und ab dem Jahr 2027 sogar um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr.

Die Bundestagswahl im Februar hat die politischen Ränder gestärkt. Dafür verantwortlich waren und sind wohl viele verschiedene Faktoren, nicht zuletzt aber auch eine seit Jahren schlechte wirtschaftliche Lage. Die öffentliche Infrastruktur zerbröselt vor aller Augen, Ämter und Behörden arbeiten an vielen Stellen ineffizient, analog und dysfunktional – um nur zwei Aspekte zu benennen. Deutschland lebt angesichts mangelnder Investitionen in die staatliche Infrastruktur seit Jahrzehnten von seiner Substanz.

Der Anteil der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt ist von 1970 bis zur Finanzkrise im Jahr 2010 auf ungefähr ein Drittel des ursprünglichen Wertes gesunken. Angesichts dieser Entwicklung haben sich CDU/CSU und SPD in ihren Sondierungsgesprächen laut einem Pressenstatement auf ein Investitionspaket geeinigt, über das diese und nächste Woche der Deutsche Bundestag beraten und abstimmen soll. Es hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre und soll über Sondervermögen für Infrastruktur finanziert werden.

Investitionspaket würde Deutschland Konjunkturschub verleihen

In diesem DIW aktuell wird der konjunkturelle Effekt des Sondervermögens für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre abgeschätzt. Dabei wird unterstellt, dass die zusätzlichen Investitionen ab dem Jahr 2026 getätigt werden. Die Berechnung erfolgt auf Basis eines empirischen Modells für Deutschland.info In diesem werden historische investive und konsumtive Staatsausgaben, Steuereinnahmen sowie deren Wechselwirkungen mit der Realwirtschaft abgebildet. Neu an dem Modell ist, wie die Art der Auswirkung öffentlicher Investitionen geschätzt wird. Dazu wurden der genaue Zeitpunkt und die Höhe von Investitionen des Bundes in den Archiven des Bundesministeriums der Finanzen erfasst und ein entsprechend für die deutsche Wirtschaft einzigartiger historischer Datensatz aufgebaut. Mit diesem kann der Zusammenhang zwischen öffentlichen Investitionen und der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft geschätzt werden.

Zu den staatlichen Investitionen gehören öffentliche Bauvorhaben (Wohnungs-, Hoch- und Tiefbau) und Ausgaben für Ausrüstung sowie immaterielle Güter (etwa Computerprogramme). Große Maßnahmenpakete der Vergangenheit beinhalteten Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau, die Regionalentwicklung, die deutsche Wiedervereinigung und die Bildungsinfrastruktur (Schulen und Universitäten).

Auf Basis des historischen Datensatzes unterstellt das analysierte Szenario, dass die öffentlichen Investitionen ab 2026 steigen (Abbildung 1). Dabei wird berücksichtigt, dass die öffentlichen Investitionen aufgrund einer administrativen Anlaufphase nur Schritt für Schritt hochgefahren werden können und ihren – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – Höchststand erst in den Jahren 2030 und 2031 erreichen. Der simulierte Ausgabenpfad berücksichtigt also den typischen Ausgabenverlauf bei öffentlichen Investitionen in Deutschland, der mit den historischen Daten geschätzt wurde. Investitionsprojekte müssen zunächst geplant, genehmigt, vergeben und dann umgesetzt werden – bis sie sich in der Wertschöpfung widerspiegeln, dauert es zwangsläufig eine Weile.

In das Modell werden deshalb für das kommende Jahr 2026 zunächst rund 20 Milliarden Euro eingestellt, was einem Anstieg des Anteils der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent entspricht. Im darauffolgenden Jahr 2027 lägen die öffentlichen Investitionen um rund ein Prozent höher als ohne das Sondervermögen und in den darauffolgenden Jahren bis 2030 um bis zu 1,4 Prozent. Die Reaktion der öffentlichen Investitionen auf den jeweiligen Impuls wird dann für jedes der Jahre summiert und übereinandergelegt.

Es wird also angenommen, dass die 500 Milliarden Euro vollumfänglich zusätzlich zur Verfügung stehen und dass es aufgrund des Sondervermögens nicht zu Haushaltskürzungen beziehungsweise Umlenkungen anderer Gelder in den öffentlichen Haushalten kommt. Die Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt, die privaten Investitionen, den privaten Konsum und die Inflation in Deutschland werden ebenso berechnet.

Eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen um 500 Milliarden Euro hätte laut den Berechnungen zur Folge, dass die Wirtschaftsleistung in den kommenden zehn Jahren um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr höher läge als ohne die Erhöhung (Abbildung 2). Nach einer Anlaufphase wären die größten Anstiege der Wirtschaftsleistung für die Jahre 2028 und 2029 zu erwarten. Nach zehn Jahren wäre das Bruttoinlandsprodukt immer noch deutlich höher als ohne die zusätzlichen Ausgaben.

Alles in allem stiege die Wirtschaftsleistung über den Simulationszeitraum etwa doppelt so stark wie die Ausgaben. Somit haben die öffentlichen Investitionen einen Multiplikator von ungefähr zwei. Aus diesen Effekten ergibt sich, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland aufgrund der Infrastrukturausgaben in den Jahren 2026, 2027 und 2028 um einen Prozentpunkt beziehungsweise um 1,5 und 0,7 Prozentpunkte höher ausfallen dürfte als ohne das Investitionspaket. Dies speist sich vor allem aus einem starken Anstieg der privaten Investitionen (Abbildung 3, linker Teil). Der private Konsum trägt ebenfalls zu dem Wirtschaftsaufschwung bei, wenngleich in deutlich geringerem Umfang (Abbildung 3, rechter Teil).

Sämtliche Schätzergebnisse sind allerdings mit Unsicherheit verbunden. Die Ergebnisse beruhen auf dem Punktschätzer, dieser ist für die betrachteten Größen jeweils statistisch signifikant positiv.

Warum öffentliche Investitionen das Bruttoinlandsprodukt erhöhen

Dafür, dass sich staatliche Investitionen positiv auswirken, gibt es verschiedene Gründe. Öffentliche Investitionen steigern direkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und das Einkommen. So erhöhen beispielsweise öffentliche Investitionen in den Straßenbau den Auftragsbestand bei den Tiefbauunternehmen. In der Folge steigen die gesamtwirtschaftlichen Einkommen der Beschäftigten und somit der private Konsum. Dieser Effekt ist in dem hier verwendeten Modell abgebildet und umfasst die temporären Wirkungen öffentlicher Investitionen auf die Wirtschaft.

Öffentliche Investitionen können auch private Dynamiken entfalten: So reduziert eine bessere Infrastruktur die privaten Investitionskosten – etwa indem Investitionsgüter schneller transportiert und Anträge schneller bearbeitet werden. Zudem erhöht ein höherer öffentlicher Kapitalstock die Produktivität der privaten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital.

Finanzmarktreaktionen legen nahe: Effekt auf Inflation wäre gering

Bei einem so umfangreichen Finanzpaket besteht das Risiko, dass die öffentlichen Mehrausgaben kräftige Preissteigerungen nach sich ziehen, statt tatsächlich die Produktion zu erhöhen. Die Modellergebnisse legen zwar nahe, dass die Inflation im Vergleich zum Fall ohne Infrastrukturpaket um durchschnittlich 0,5 Prozentpunkte pro Jahr höher läge (Abbildung 4). Diese Zunahme wäre aber vergleichsweise moderat – wohl auch deshalb, weil das hier verwendete Modell durch eine Zinsvariable die Reaktion der Zentralbank bereits abbildet. Auch die Markerwartungen an den Finanzmärkten deuten darauf hin, dass nicht mit einer starken Inflation gerechnet werden muss.

So zeigen die aus inflationsindexierten Staatsanleihen abgeleiteten Inflationserwartungen für die mittlere Frist, dass diese am Tag nach der Ankündigung des Investitionspakets von knapp 2,1 auf gut 2,2 Prozent gestiegen sind (Abbildung 5). Dass sich die öffentlichen Gelder voraussichtlich nicht in größeren Preiserhöhungen niederschlagen werden, liegt auch daran, dass die Produktionskapazitäten der deutschen Wirtschaft und speziell des Baus sowie des verarbeitenden Gewerbes seit Jahren unterausgelastet sind. Deutschland hat auch im vergangenen Jahr deutlich unterhalb seines Wachstumspotenzials gewirtschaftet. Die zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur kämen also zu einer Zeit, in der mit Blick auf die hiesigen Produktionskapazitäten einige Luft nach oben ist.

Die Reaktionen der Finanzmärkte legen zudem nahe, dass Befürchtungen einer beginnenden fiskalischen Dominanz im Euroraum ebenfalls übertrieben sind. Diese Befürchtungen werden dadurch genährt, dass unmittelbar nach der Ankündigung des Pakets nicht nur die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen gestiegen sind, sondern unter anderem auch die französischer und italienischer Anleihen. Damit nehmen die Refinanzierungskosten zweier Länder zu, die derzeit hohe öffentliche Defizite aufweisen.

Die höheren Zinszahlungen, die bei einer Umlage der Schulden und bei der Aufnahme neuer Schulden anfielen, würden die Haushalte zusätzlich belasten. Das könnte dann dazu führen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) künftig von Zinserhöhungen, die nötig wären, um eine mögliche Inflation zu bekämpfen, absieht. Darauf gab die erste Reaktion der Finanzmärkte allerdings keinen Hinweis. Da nicht sicher ist, dass die EZB die fiskalischen Defizite abfedern würde, hätten sich die Ausfallwahrscheinlichkeiten für französische und italienische Staatsanleihen erhöhen müssen. Das war aber nicht der Fall.

Auch wenn das skizzierte Szenario einer fiskalischen Dominanz nicht ausgeschlossen werden kann, ist auch mit Blick auf die europäische Geldpolitik ein positiver Aspekt des Sondervermögens, dass dieses die deutsche Wirtschaft kräftig ankurbeln wird. In den Jahren nach der Corona-Pandemie und dem Angriff Russlands auf die Ukraine agierte die EZB sehr vorsichtig und erhöhte die Zinsen in Reaktion auf die steigende Inflation nur langsam. Der Grund dafür war die heterogene Wirtschaftslage im Euroraum. Während sich Spanien in einem kräftigen Aufschwung befand, war die Lage in Deutschland eine andere. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nähme der EZB im wirtschaftlich heterogenen Euroraum zumindest eine Sorge über die Auswirkungen möglicher Zinserhöhungen.

Fazit: Besser spät als nie

Mit dem 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket könnte der kommenden Bundesregierung der nötige Befreiungsschlag gelingen, um die strukturellen Probleme Deutschlands, die seit langem auch die Konjunktur belasten, anzugehen. Die Wirtschaftsleistung fiele in den kommenden zehn Jahren infolge der zusätzlichen Ausgaben um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr höher aus. Damit könnte der negative Kreislauf aus schlechter konjunktureller Lage, geringeren Steuereinnahmen und weniger öffentlichen Investitionen durchbrochen werden. Die Simulationsergebnisse legen nahe, dass das Geld gut investiert wäre. Es würde die deutsche Wirtschaft ab dem kommenden Jahr aus der Stagnation hieven – zwar spät, aber besser als nie.

Infos hier

print

Tags: , , ,

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

-
Die Politik und die Märkte

Die Politik hat erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Märkte.

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein-Geld 01 | 2025

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben