Nach vier Tagen und drei schlaflosen Nächten intensiver Verhandlungen einigten sich die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten am Mittwoch, den 21. Juli 2020, in Brüssel auf ein Konjunkturprogramm zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft. Ob wir sie jetzt Corona- oder Eurobonds nennen, Europa hat damit einen Schritt in Richtung Haushaltssolidarität getan, denn diese Anleihen werden gemeinsam im Namen der Europäischen Union begeben. Wenn auch nur vorübergehend, sollen sie den Ländern, die von der durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschaftskrise am schwersten getroffen wurden, unter die Arme greifen und markieren eine wichtige Neuerung. Wieder einmal rückt die EU in einer existenziellen Krise enger zusammen, denn wenn Europa eine Krise durchmacht, geht es meist gestärkt daraus hervor. Die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nach der Griechenland-Krise 2012 war bereits eine große Herausforderung. Dieses Mal dürfte der Brexit, durch den das Gewicht der sogenannten „sparsamen“ Länder geringer wurde, in dieser Hinsicht geholfen haben.
Konkret verpflichteten sich die EU-Länder auf diesem Gipfel auf einen Konjunkturplan in Höhe von 750 Milliarden Euro. Dies entspricht 5,3 % des BIP der EU. Mehr als die Hälfte wird den schwächsten Mitgliedern als Zuschuss gewährt und am Ende von allen 27 Ländern zurückgezahlt.
Renditespreads verengt, Euro gestärkt
Als unmittelbare Folge dieser Beschlüsse gingen die Anleihenrenditen der europäischen Länder weiter zurück, und die Renditespreads zwischen den Ländern verengten sich abermals. Ein logischer Trend, denn gemeinsam haben die europäischen Staaten ein AAA-Rating, also die höchste Bewertung der Ratingagenturen, während beispielsweise Italien je nach Agentur lediglich ein Rating von BBB oder BBB- aufweist. Eine Fortsetzung dieser Renditebewegungen dürfte auch angesichts der massiven Hilfen der EZB und ihrer Bereitschaft, im Falle einer zweiten Pandemiewelle noch weiter zu gehen, wahrscheinlich sein.
Ein weiterer Effekt der erzielten Einigung ist die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar, seinem größten Rivalen. Der Euro kehrte auf zuletzt 2018 verzeichnete Niveaus zurück. Dies ist alles in allem logisch, denn in den Augen der internationalen Anleger hebt die Einigung eine Besonderheit der Eurozone teilweise auf: eine Währung für 19 unterschiedliche Ansätze in der Haushalts- und Fiskalpolitik.
Nach 60 Jahren erweisen sich die Worte Robert Schumans, einem der Gründerväter der EU, als äußerst weitsichtig: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlag herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen“.
(LFDE)