Der wichtige Frühindikator für die konjunkturelle Lage in der Verarbeitenden Industrie überschritt damit erstmals seit Dezember 2018 wieder die Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit in London mit. Gleichzeitig entfernte sich der deutsche PMI auch weiter von seinem Tiefpunkt (34,5) im April dieses Jahres als weite Teile der Industrie infolge der Corona-bedingten Restriktionen stillstanden. Ausschlaggebend für den Spitzenwert im Juli sei vor allem das kräftige Plus im Auftragseingang gewesen, in dessen Folge auch die Produktionsrate deutlich anstieg.
„Die aktuellen EMI-Daten geben Anlass zur Hoffnung, dass sich der jetzt zu beobachtende Aufwärtstrend im dritten Quartal fortsetzt und weiter verfestigt. Angesichts der noch nicht überwundenen Coronavirus-Pandemie sind allerdings Rückschläge jederzeit möglich“, betonte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Dienstag in Eschborn.
„Wie schön ist es, den EMI wieder im Expansionsbereich zu sehen. Das zweite Quartal war mit einem Rückgang von 10,1 Prozent schlimmer als in der Finanzkrise und voraussichtlich wird der Jahresdurchschnitt 2020 mit 6,4 Prozent auch schlechter sein als damals mit 5,7 Prozent. Obwohl die Infektionszahlen weiter hoch sind, zeichnet sich eine Erholung im zweiten Halbjahr ab“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Dienstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die expansive Geld- und Fiskalpolitik wirkten unterstützend. Solange es zu keinem nationalen Lockdown mehr komme, gehe das Wirtschaftsgeschehen wieder seinen Weg – Strukturveränderungen inbegriffen. „2021 erwarten wir in Deutschland ein BIP-Wachstum von fünf Prozent. Vor Ende nächsten Jahres wird das Vorkrisenniveau jedoch nicht wieder erreicht werden“, fügte die Helaba-Bankdirektorin hinzu.
„Die guten Stimmungswerte zeigen, dass wir uns noch in dem Bereich der V-förmigen Erholung der Wirtschaft vom Lockdown befinden. Diese Phase wird bald auslaufen und danach werden einige hartnäckige Probleme zum Vorschein kommen“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Dienstag dem BME. Es fehle Nachfrage, besonders aus dem Ausland, und viele Unternehmen müssten deutliche Kostensenkungen angehen. „Die letzten Meter des Aufholens werden schwer“, so Kater abschließend.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Dienstag dem BME: „Die deutlich verbesserten Erwartungen der Wirtschaft zeigen sich auch an den anziehenden Rohstoffpreisen. So konnte sich der Rohölpreis nachhaltig über 40 US-Dollar je Barrel Brent festigen. Kupfer und einige andere Industriemetalle zogen ebenfalls deutlich an. Zuletzt scheint sogar der Rückgang der Strompreise gestoppt. Eine Sondersituation ist jedoch bei Gold und Silber zu beobachten: Deren Preisanstieg spiegelt immer noch eine große Verunsicherung wider – mit entsprechend spekulativer Nachfrage. Zudem stützt der schwache Dollar.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Der saisonbereinigte Teilindex Produktion setzte seinen steilen Aufwärtstrend im Juli fort und verbesserte sich weiter vom Rekordtief im April. Zudem wurde erstmals seit über anderthalb Jahren wieder die Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten überschritten. Laut Befragten ging das jüngste Plus auf einen kräftigen Schwung an Neuaufträgen zurück.
Auftragseingang insgesamt/Auftragseingang Export: Die über die vergangenen Monate angestaute Nachfrage entlud sich im Juli in einer regelrechten Flut an Neuaufträgen. Das Ergebnis markiert eine Trendwende gegenüber dem Rekordminus im Auftragseingang zu Beginn des zweiten Quartals. Der saisonbereinigte Teilindex notiert damit zum ersten Mal seit September 2018 wieder auf Wachstumsterrain und erreichte gleichzeitig den höchsten Wert seit zweieinhalb Jahren – der auch deutlich über dem der Produktion liegt.
Auch die Exportorder stiegen im Juli kräftig an. Nach einer 22-monatigen Schrumpfungsphase – inklusive dem Allzeittief im April – kehrte dieser Teilindex ebenfalls in die Wachstumszone zurück und erreichte den höchsten Wert seit April 2018 (wenngleich noch deutlich unter dem Gesamt-Auftragseingang). Vor allem aus China kamen mehr Aufträge; aber auch in etlichen europäischen Ländern zog die Nachfrage wieder an.
Jahresausblick: Die Hersteller zeigen sich zunehmend optimistischer hinsichtlich ihrer zukünftigen Produktion. Demnach hofft die Mehrheit, dass die Nachfrage weiter anzieht und die Corona-bedingten Restriktionen weltweit nach und nach gelockert werden. Der entsprechende Teilindex stieg auf den besten Wert seit August 2018. Allerdings gaben viele Manager an, dass jegliches Wachstum von einem niedrigen Level startet und die Geschäftstätigkeit noch eine ganze Weile unter dem Niveau, das vor der Pandemie herrschte, bleiben wird.
Beschäftigung: Die aktuellen Daten signalisieren einen weiteren deutlichen Rückgang der Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe. Mehr noch, die Schrumpfungsrate zog gegenüber dem Vormonat an und erreichte fast den Wert vom 11-Jahrestief im Mai. Etwa 30 Prozent der Umfrageteilnehmer meldeten Kürzungen beim Personal, die zumeist mit der Kündigung von Leiharbeitern sowie der Nichtbesetzung von offenen Stellen erreicht wurden.
Einkaufs-/Verkaufspreise: Der erbitterte Wettbewerb unter den Zulieferern sowie die fallenden Rohstoffkosten bewirkten, dass die durchschnittlichen Einkaufspreise abermals sanken. Die Rückgangsrate blieb kräftig, schwächte sich aber den zweiten Monat in Folge ab. Das fünfzehnte Minus hintereinander markierte die längste Schrumpfung in dieser Kategorie seit Beginn der Umfrage im Jahr 1996.
Auch zu Beginn des dritten Quartals war die Preismacht der Hersteller begrenzt. Der enorme Wettbewerbsdruck ermöglichte es vielen Kunden, teils vehement Rabatte zu fordern.
(EMI)