Das signalisiert der saisonbereinigte S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) für den Monat Juni. Der wichtige Konjunktur-Frühindikator für die größte Volkswirtschaft Europas ging von 54,8 Punkten im Mai auf aktuell 52,0 zurück. Das ist der niedrigste Wert seit fast zwei Jahren.
„Die anhaltenden geopolitischen Spannungen und die damit verbundene Unsicherheit an den internationalen Märkten beeinträchtigen die Geschäftsabläufe vieler Unternehmen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich der EMI im Juni nur noch knapp über der Referenzlinie von 50 Punkten gehalten hat“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Montag in Eschborn. Da sich der EMI-Teilindex Jahresausblick seit Januar kontinuierlich eingetrübt hat, dürfte die Lage in der deutschen Industrie nach Einschätzung von Frau Ullah auch in den nächsten Monaten schwierig bleiben.
„Der jüngste EMI weist auf weitere Abwärtsrisiken hin. Nicht nur, dass die Angebotsseite weiterhin durch Lieferschwierigkeiten eingeschränkt wird, jetzt lässt auch noch die Nachfrage nach“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Montag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Es werde deutlich, dass die Kausalität bei Preisen in beide Richtungen gehen könne: Eine große Nachfrage treibt die Preise, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. „Dann können sich viele Güter und Dienstleistungen nicht mehr leisten. Dieser Punkt scheint bei Inflationsraten um die acht Prozent erreicht. Die wirtschaftliche Entwicklung wird sich wohl weiter abschwächen. Sollten vonseiten der Lieferketten und des Ukraine-Krieges keine weiteren Preissteigerungen mehr kommen, ist davon auszugehen, dass auch der Gipfel bei den Inflationsraten erreicht ist. Bis es zu deutlich niedrigen Raten kommt, wird es aber wohl noch eine ganze Weile dauern. Die Stagflation zeigt alle ihre Facetten“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
„Die gefährdete Energieversorgung durch die russische Invasion entwickelt sich immer mehr zum Rezessionsauslöser in vielen Volkswirtschaften Europas“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Montag dem BME.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Montag dem BME folgende Einschätzung: „Der Preisrückgang bei den börsennotierten Rohstoffen setzte sich im Juni weiter fort. Hauptgrund ist die Sorge, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine länger dauert und eine Rezession in Europa zur Folge hat. Gleichzeitig sinken aber auch die Börsenbestände. Bei Aluminium sind diese auf den niedrigsten Stand seit über 15 Jahren gefallen. Sollte es nach dem Sommer zu einer Belebung der Nachfrage kommen, dürften starke Preisauftriebe die Folge sein. Am meisten befürchtet die deutsche Industrie aber einen möglichen kompletten Lieferstopp von russischem Erdgas schon im Juli.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Das Produktionsniveau ging im Juni zum zweiten Mal in den vergangenen drei Monaten – wenngleich nur geringfügig – zurück, nachdem es im Mai noch leichte Zuwächse gab. Blickt man nur auf die Produktion, war das zweite Quartal das schlechteste seit zwei Jahren. Während einige Hersteller über Lieferengpässe klagten, fuhren andere ihre Fertigung angesichts der sinkenden Nachfrage gezielt herunter.
Auftragseingang: Der Rückgang der Neuaufträge hat sich mit Beginn des Sommers weiter beschleunigt. Der saisonbereinigte Teilindex notierte zum dritten Mal hintereinander unter der Schwelle von 50,0 Punkten und fiel auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020. Etwa 30 Prozent der Umfrageteilnehmer verbuchten ein Minus beim Auftragseingang und schrieben dies den hohen Preisen, der zunehmenden Unsicherheit an den Märkten, dem schleppenden Exportgeschäft oder der Sättigung der Nachfrage nach Ende des Lockdowns zu.
Auftragseingang Export: Die Neuaufträge aus dem Ausland schrumpften nicht nur den vierten Monat in Folge, sondern auch stärker als zuletzt. Viele Befragte machten dafür zum wiederholten Male die anhaltend rückläufige Nachfrage aus China aufgrund der dortigen lokalen Lockdowns verantwortlich. Daneben beklagten einige Firmen erhebliche Geschäftsverluste in Folge des Krieges in der Ukraine.
Jahresausblick: Deutschlands Hersteller schätzten ihre Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist im Juni noch schlechter ein als zuletzt. So rutschte der entsprechende Teilindex noch weiter unter die Referenzlinie von 50,0 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020, obgleich der Pessimismus zu Beginn der Pandemie noch größer war. Der Mehrheit der Umfrageteilnehmer bereiten vor allem die rückläufige Nachfrage, die hohe Inflation und die anhaltenden Lieferprobleme große Sorgen.
Beschäftigung: Trotz der Negativtrends bei Produktion und Auftragseingang setzten die Hersteller ihren Stellenaufbau fort. Das Wachstum hat sich gegenüber Mai zwar leicht abgeschwächt, blieb verglichen mit historischen Daten aber weiter solide und spiegelt die anhaltenden Bemühungen der Unternehmen wider, die Kapazitäten zu erweitern.
Einkaufspreise: Der Kostendruck blieb auch im Juni enorm hoch. Zahlreiche Umfrageteilnehmer verwiesen abermals auf die teils exorbitant steigenden Rohstoff-, Energie- und Transportpreise. Die Inflationsrate blieb auf historisch hohem Niveau, schwächte sich allerdings den zweiten Monat in Folge ab und sank auf den niedrigsten Stand seit Februar 2021.
Verkaufspreise: Wie die Einkaufspreise stiegen auch die Verkaufspreise weniger stark an als zuletzt. Der saisonbereinigte Teilindex notierte zwar höher als jemals zuvor vor Juni 2021, gab aber gegenüber den vergangenen zwei Monaten deutlich nach und sank auf den niedrigsten Stand seit Jahresbeginn. In allen drei erfassten Teilbereichen der Industrie schwächte sich die Inflationsrate ab.
(EMI)