Wirtschaft

Euler Hermes Studie: Welthandel schwächelt, Risiken steigen – die sieben Zwerge sind am Werk

Welthandel wächst um lediglich 2,8% in 2016 und 3% in 2017 - das ist rund die Hälfte der Wachstumsraten von durchschnittlich 6% zwischen 2000-2010 Die 7 Zwerge des Welthandels: Die Wachstumstreiber sind sehr klein, Unternehmen werden von diesen kaum profitieren können Steigendes Risiko: Weltweite Insolvenzen steigen 2016 voraussichtlich erstmals seit 2009 wieder um 1% an Schwellenländer kämpfen mit dem China-Effekt, niedrigen Rohstoff- und Ölpreisen, der US-Geldpolitik und daraus resultierenden Abwertungen

Die Wachstumstreiber der Weltwirtschaft 2016 sind klein. Sehr klein. Quasi Zwerge. Zu diesem Schluss kommt der führende Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Studie „Die 7 Zwerge des Welthandels“. Ein reales Wachstum von 2,8% erwarten die Volkswirte von Euler Hermes für 2016 – und damit zum sechsten Mal in Folge ein Zuwachs unterhalb der 3%Marke. Die gute Nachricht: Die „sieben Zwerge“ haben ein langsam erwachendes Schneewittchen in Form von Unternehmensinvestitionen an ihrer Seite. Die schlechte: Sie kämpfen gegen die vergifteten Äpfel der bösen Insolvenz-Schwiegermutter. Euler Hermes erwartet 2016 erstmals wieder einen leichten Anstieg bei den weltweiten Insolvenzen. Im November des vergangenen Jahres waren die Experten noch von stagnierenden Zahlen ausgegangen.

„Die geopolitischen Risiken sind weiterhin hoch und der Welthandel wächst nur sehr langsam“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt bei der Euler Hermes Gruppe. „Zudem ist die Volatilität hoch, die Rohstoffpreise im Keller und die Schwellenländer leiden unter der China-Grippe und den Zinsanhebungen der Fed. In vielen Märkten steigt die Unsicherheit und wir erwarten aufgrund der jüngsten Entwicklungen für 2016 erstmals wieder einen Anstieg der weltweiten Unternehmenspleiten um +1% nach einem Rückgang um 5% im vergangenen Jahr.“

Die Treiber des Welthandels sind zu klein, um ein wirklicher Motor für die Weltwirtschaft zu sein. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen:

„Die gute Nachricht ist, dass die Privatinvestitionen endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen“, sagte Subran. „Das könnte das Wachstum etwas stützen. In Europa sehen wir zudem steigende Umsätze, eine verbesserte Profitabilität und geringere Kapitalkosten. Die Schatzkammern sind ganz gut gefüllt, was zu positiven Überraschungen führen könnte. Die amerikanische Wirtschaft kämpft hingegen mit den niedrigen Öl- und Gaspreisen. Es wird schwierig, dies durch die anderen Branchen auszugleichen. Hinzu kommen die rezessionsgeplagten Länder wie Brasilien oder Russland, die viele Exportnationen belasten. Immerhin wächst der Wert des Welthandels 2016 aber um voraussichtlich 0,9%. Das ist zwar sehr wenig, aber im Vergleich zu den -9% in 2015 beim Wert der global gehandelten Waren und Dienstleistungen eine deutliche Steigerung.“

Die sieben Zwerge des Welthandels im Detail:

Zwerg Schlafmütze („Sleepy dwarf“) – müder Handel:

Euler Hermes erwartet, dass der weltweite Handel 2016 um +0,9 % im Wert und um +3,7 % im Volumen wächst – insgesamt also ein reales Wachstum von 2,8%. Im Vergleich dazu lagen die Wachstumsraten zwischen 2000 und 2010 bei rund 6% jährlich und damit etwa doppelt so hoch. 2015 verzeichnete der Welthandel aufgrund niedriger Rohstoffpreise und Währungsturbulenzen sogar einen Einbruch von -9 % im Wert der gehandelten Güter. Tiefgreifende strukturelle Korrekturen sind daher notwendig:

  • Wertschöpfungsketten verkürzen sich, weil technologische Entwicklungen und steigende Löhne die Wettbewerbsvorteile von Produktionsländern in Asien und Mitteleuropa schwinden lassen.
  • Chinas Neuausrichtung weg von der Industrie und hin zum Dienstleistungssektor führt dazu, dass sich die Absatzchancen von Lieferanten von Primärgütern und Zwischenerzeugnissen verringern.

Zwerg Brummbär („Grumpy dwarf“) – schlecht gelaunte Schwellenländer:

2015 war für Schwellenländer ein sehr hartes Jahr und einige Länder bleiben auch 2016 sehr anfällig für wirtschaftliche Erschütterungen. Brasilien, Russland, Nigeria, die Türkei und Südafrika (die BRuNTS-Länder) sehen sich verschärften externen Finanzierungsbedingungen, Währungsabwertungen und schwierigen politischen Entscheidungen gegenüber. Ursachen dafür sind die dauerhaft niedrigen Einnahmen aus Rohstoffverkäufen, die sich abschwächende Konjunktur in China und die Geldpolitik der USA. Außerdem leiden diese Staaten unter Problemen im eigenen Land wie Inflation, Rückgang der Inlands-nachfrage und soziopolitischen Spannungen.

Zwerg Pimpel („Timid Dwarf“) – schüchterne Rohstoffpreise:

Die Ölpreise werden über längere Zeit hinweg niedrig bleiben. Dies verschafft nettoölimportierenden Ländern einen starken Rückenwind, während die Nettoölexporteure weiterhin darunter leiden. Selbst wenn sich die Brent-Preise auf Niedrigrekordniveaus stabilisieren, ist das Geschäftsmodell der Länder in Frage gestellt, deren Staatshaushalte und monetären Entscheidungen stark vom Ölexport abhängen.

Zwerg Hatschi („Sneezy Dwarf“) – verschnupfte Finanzmärkte:

Die Finanzmärkte bleiben auch 2016 volatil. Dabei erhöht sich der Druck auf die Währungen der Rohstoffexporteure durch die schwierigen Rohstoffmärkte noch weiter. Die Euler Hermes Volkswirte gehen davon aus, dass sich die Preise für Grundrohstoffe wie Nickel, Sojabohnen und Zink 2016 stabilisieren. Im Gegensatz dazu sehen die Prognosen für Rohstoff-Preise, die in der Fertigungsindustrie verwendet werden (Kohle, Kupfer, Eisenerz oder Stahl), düsterer aus. Diese könnten erneut um bis zu 10 % fallen. Auch bei den Währungen könnte es zu einer zweiten Abwertungsrunde (-5 % bis -10 %) kommen, vor allem in Brasilien, China, Russland, Südafrika und der Türkei.

Zwerg Happy („Happy Dwarf“) – erfreuliche Inlandsnachfrage:

Angesichts der globalen Turbulenzen und strukturellen Veränderungen im weltweiten Handel wenden sich viele Länder dem heimischen Markt zu und stimulieren mittels protektionistischer Maßnahmen das Wachstum des Binnenkonsums. Dieser Trend ist besonders in Schwellenländern wie Indien auffällig, wo der Konsum seit 2013 um 13,2 % gestiegen ist, obwohl sich die Einfuhren nur um schwache 2 % erhöht haben. Unterdessen wird der Aufschwung in den Industrieländern durch die niedrigen Ölpreise nachlassen, da die Inflation langsam anzieht und dabei das Lohnwachstum überflügelt. Das wiederum verringert die Kaufkraft.

Zwerg Chef („Doc Dwarf“) – gemeinsame Steuerung:

Trotz der sinkenden Reserven der Schwellenländer wird es dank der Anleihenaufkäufe durch die Japanische Zentralbank, die EZB und die Chinesische Volksbank auch 2016 zu keinen weltweiten Liquiditätsengpässen kommen. Gleichzeitig wird die Fiskalpolitik in einigen großen Volkswirtschaften statt des bisherigen deutlichen Gegenwinds einen moderaten Rückenwind verspüren. In China hilft ein starker Anstieg bei den Staatsausgaben, das Wachstum auf Kurs zu halten. In Europa ist der strikte Sparkurs vorbei: Die meisten Länder haben für 2016 Änderungen bei den Körperschaftssteuersätzen oder gezielte Konjunkturprogramme angekündigt.

Zwerg Seppl („Dopey Dwarf“) – schlecht durchdachte Entscheidungen und politische Risiken:

Die weltpolitische Lage ist 2016 erneut äußerst unsicher, was den Unternehmen den Blick in die Zukunft erschwert. Vom „Brexit“-Risiko über Entscheidungen zu Sanktionen gegen Russland bis hin zu Wahlen in einigen der größten Volkswirtschaften im Laufe des Jahres, darunter in den USA, herrscht reichlich Ungewissheit.

Resümee

„2015 war für die Weltwirtschaft ein hartes Jahr, nicht zuletzt wegen der Erkenntnis, dass der chinesische Konsument die Welt nicht retten kann. Die Reaktion der Kapitalmärkte in den ersten Wochen dieses Jahres haben gezeigt, dass das Vertrauen weiter schwach bleibt und dass man sensibel auf politische Änderungen und Nachrichten reagiert, die aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde kommen. Lassen Sie uns aber auch noch über Positives sprechen: Die Eurozone findet endlich wieder ihren Weg zurück zum Wachstum, und einige Schwergewichte wie Indien, Indonesien und Mexiko, haben ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Turbulenzen auf den Schwellenländern bewiesen. 2016 wird es daher stärker als je zuvor um ‚Differenzierung‘ gehen“, fasst Subran die Lage zusammen.

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