Auf ihrer jüngsten Sitzung am 10. März hat nun die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldpolitik der Eurozone mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket weiter gelockert. Dabei senkte sie – für viele Marktteilnehmer überraschend – den Leitzins erstmals auf 0,0 Prozent.
Aufgrund des Rotationsprinzips war Bundesbank-Chef Jens Weidmann bei dieser Notenbanksitzung nicht stimmberechtigt. Neben der Leitzinssenkung hat EZB-Chef Mario Draghi – wie von Marktteilnehmern erwartet – den Einlagezins von Banken, den sie für ihr bei der EZB geparktes Geld zahlen, um zehn Basispunkte von -0,3 Prozent auf -0,4 Prozent gesenkt. Im Vorfeld der Sitzung wurde ebenfalls über die Ausweitung des Anleihekaufprogramms spekuliert. Die EZB beschloss, es von monatlich 60 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro aufzustocken und auch Unternehmensanleihen in das Programm einzubeziehen. Es soll mindestens bis März 2017 laufen. Darüber hinaus legte die Notenbank ein neues Programm auf, das Geschäftsbanken Refinanzierungsgeschäfte anbietet. Die Kreditkonditionen können hier so niedrig sein wie die Strafzinsen für Einlagen. Zudem sank der Spitzenrefinanzierungssatz auf 0,25 Prozent.
Mit der Lockerung der Geldpolitik will Draghi die Banken dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben. So will er das Wirtschaftswachstum stimulieren, um das langfristige Inflationsziel zu erreichen und letztendlich eine Deflation zu vermeiden.
Die Ausweitung der Liquidität hat die Notenbank vor dem Hintergrund eines abgeschwächten Wirtschaftswachstums und weiter sinkender Preise beschlossen. Im Februar lag die Inflationsrate im Euroraum infolge des niedrigen Ölpreises bei -0,2 Prozent. Damit ist die Inflation weit von der EZB-Zielmarke einer Preisstabilität von zwei Prozent entfernt. In ihrer Sitzung korrigierte die EZB ihre Prognose deutlich: Dieses Jahr erwartet sie eine Inflation von 0,1 Prozent (statt 1,0 Prozent), in 2017 1,3 Prozent (statt 1,6 Prozent).
„Paukenschlag“ für Banken und Sparer
Im Vorfeld dieser Notenbanksitzung hatte Draghi bereits eine weitere Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt – die nun getroffenen Maßnahmen übertreffen die Markterwartungen jedoch. Kritiker bezweifeln, dass die gewünschten Effekte eintreten werden. Manche Akteure werten es gar als Nervosität, die zeige, dass die Geldpolitik ihre Ziele bislang nicht erreichen konnte. Zudem werde der Handlungsdruck für wirtschaftliche Strukturreformen in den Eurostaaten gesenkt.
Der Banksektor spürt einen wachsenden Druck auf seine Erträge durch die anhaltende Niedrigzinsphase und die weitere Senkung der Einlagenzinsen.
Sparer können kaum noch Zinsen erzielen. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge, Lebensversicherungen und andere langfristige Sparformen leiden unter großen Belastungen.
Befürworter der expansiven Geldpolitik der EZB halten die Maßnahmen für ein notwendiges Übel, da die Notenbank der Preisstabilität verpflichtet ist.
USA: Wohin entwickelt sich der Leitzins?
Während in Europa die EZB den Leitzins gerade von 0,05 Prozent auf den Tiefstwert von 0,00 Prozent gesenkt hat, hat im Dezember 2015 auf der anderen Seite des Atlantiks die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins leicht erhöht. Ob sie diesen Kurs unmittelbar fortsetzt, zeigt sich auf ihrer nächsten Sitzung am 16. März.
Deutschland: Neue Spitzenwerte bei den Baugeld-Konditionen zu erwarten?
Des Sparers Leid, ist des Bauherren Freud. Im historischen Vergleich sind die Baugeld-Konditionen bereits heute sehr attraktiv. Das erneute Absenken des EZB-Leitzinses hat keinen direkten Einfluss auf die Baufinanzierungszinsen. Allerdings verlieren durch die Leitzinssenkung Anlagen mit kurzen Zinsbindungen an Attraktivität, so dass Anleger zum Kapitalmarkt wandern, wo mittel- und langfristig verzinste Anlagen gehandelt werden. Folglich gehen die Renditen von Staatsanleihen, Pfandbriefen zu denen sich Banken für ausgegebene Baufinanzierungsdarlehen refinanzieren können, und die Baufinanzierungszinsen zurück. Dies ist jedoch keine Kausalkette, sondern abhängig von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt.
Einen zinssenkenden Einfluss könnte die Ausweitung des Anleihekaufprogramms haben: Es führt zu steigenden Kursen bei den Staatsanleihen, deren Renditen fallen. Die sich an den Staatsanleihen orientierenden Renditen von Pfandbriefen sinken ebenso und folglich auch die Baufinanzierungszinsen. Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG rät: „Auch wenn die EZB von einer längeren Niedrigzinsphase ausgeht, sollten sich sich Darlehensnehmer heute immer gegen das zukünftige Zinsänderungsrisiko absichern. Das bedeutet lange Zinsbindungen, zum Beispiel Produktkombinationen mit Bausparvertrag oder Volltilger-Darlehen. Darüber hinaus ist eine Tilgung von zwei bis drei Prozent für eine schnelle Schuldenfreiheit in Kombination mit Sondertilgungsmöglichkeiten wichtig.“