Mit der erhöhten Inflation ist auch die Sorge vor steileren Zinsstrukturkurven verbunden – insbesondere in den USA. Welche Szenarien sind möglich? Wir halten eine Phase abflachender Zinsstrukturkurven für wahrscheinlich, gerade wenn die Märkte eine frühe geldpolitische Straffung aggressiver einpreisen.
Doch im Falle flacherer Zinsstrukturkurven in Verbindung mit höheren Renditen würden sich die finanziellen Rahmenbedingungen deutlich verschärfen. Was sind die wahrscheinlichsten Szenarien für die Entwicklung der Zinsstrukturkurven in den nächsten zwei Jahren?
Mit erhöhter Inflation steigt Sorge um langfristige Renditen
Die Inflation ist im April überall gestiegen und die Gesamtinflationsraten werden voraussichtlich in den kommenden Monaten im Jahresvergleich über den Zielen der meisten Zentralbanken liegen.
Das erzeugt den Eindruck, dass die Zentralbanken der Entwicklung hinterherhinken und möglichst schnell mit dem Abbau der akkommodierenden Maßnahmen beginnen sollten. Als dieses Argument Anfang des Jahres aufkam, führte es zu einem Anstieg der weltweiten Anleiherenditen und steileren Zinsstrukturkurven.
Die Zentralbanken antworteten mit einem entschiedenen „Nein“ auf die Frage, ob sie ihre Haltung überdenken würden. Eine weit verbreitete Sorge an den Märkten ist, dass die langfristigen Renditen wieder ansteigen und damit die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren, Credit Spreads und Gewinnerwartungen bedrohen.
Die Untersuchungen des AXA IM Rosenberg Equities Teams deuten darauf hin, dass im Falle eines Anstiegs der US-Zinsstrukturkurve Substanz- und Qualitätswerte weiterhin Wachstums- und Momentumwerte übertreffen werden.
Drei mögliche Szenarien
Es ist wichtig zu beachten, dass die Fed in früheren Zyklen steilerer Zinsstrukturkurven die Zinsen gesenkt hat. Der größte Teil der jüngsten Versteilerung fand statt, als die Fed die Zinsen anhielt. In dieser Situation gibt es drei mögliche Szenarien:
Erstens könnten die längerfristigen Zinssätze um weitere 100 Basispunkte steigen, während die Fed abwartet und die kurzfristigen Zinserwartungen gut verankert sind.
Zweitens könnte sich das gesamte Zinsniveau nach oben bewegen und der Straffungszyklus vorgezogen werden.
Oder drittens könnte die Zinsstrukturkurve abflachen, da eine geldpolitische Straffung realistischer wird.
Auf das harmlose Szenario ist kein Verlass
Das erste Szenario ist relativ harmlos, aber etwas weit hergeholt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Märkte die langfristigen Renditen um weitere 100 Basispunkte nach oben treiben würden, ohne aggressivere Erwartungen einer Straffung durch die Fed.
Das zweite Szenario ist wahrscheinlicher als das erste, aber voraussichtlich schädlich für Risikoanlagen, da es eine echte Verschärfung der finanziellen Bedingungen bedeuten würde.
Das dritte Szenario ist dasjenige, auf das wir uns mit Blick auf die nächsten ein bis zwei Jahre konzentrieren müssen. Im Fall höherer Inflation und überproportionalem Wachstum wird der Markt höhere Zinsen schneller einpreisen als die Fed. Im schlimmsten Fall kommt es dann zu einer Abflachung der Zinsstrukturkurve mit höheren Zinsen über die gesamte Kurve hinweg.
Empfehlenswerte Strategien
Die letzte Phase wirtschaftlicher Expansion war ungewöhnlich lang. Es dauerte sieben Jahre, bis die Fed die Zinsen anhob. Während dieser Zeit war die Zinsstrukturkurve relativ volatil mit einem Trend zur Abflachung (von 284 Basispunkten im Jahr 2010 auf null im Jahr 2019).
Nach ihrem eigenen Zeitplan hat die Fed eingeräumt, dass dieser Zyklus kürzer sein wird. Im Hinblick darauf empfiehlt sich eine lange Duration in festverzinslichen Wertpapieren bei einer Untergewichtung in kurzlaufenden Anleihen sowie das Zahlen von festen und das Annehmen von variablen Zinsen an den Swap-Märkten (im Wesentlichen ein „Kurvenverflacher“).
Wenn der Zyklus ausläuft, wird es voraussichtlich zu größeren Credit Spreads oder einer erhöhten Streuung an den Kreditmärkten kommen, ebenso wie einer Outperformance von Qualitäts-Wachstumswerten an den Aktienmärkten.
Zentralbanken stehen vor großen Herausforderungen
Die nächsten Jahre stellen die Zentralbanken vor Herausforderungen. Das Risiko einer fiskalischen Dominanz könnte ihre Unabhängigkeit zu einem Zeitpunkt einschränken, an dem sie versuchen sollten, das Bilanzwachstum zu entschleunigen und die Zinssätze wieder auf ein Niveau zu bringen, das keine Verzerrungen bei der Ressourcen-Allokation verursacht.
Hohe Verschuldung und „Zombie-Unternehmen“ verkomplizieren die Situation. Wegweiser in der heutigen, von Ungleichgewicht geprägten Zeit, sind entweder höhere Inflation, höhere Zinsen oder eine Fortsetzung der finanziellen Repression und fiskalischen Dominanz – mit noch unbekannten Auswirkungen auf die Finanzstabilität und allgemeinere Fragen der Gleichheit.
(AXA Investment Managers)