Der Goldpreis könnte dem ETP-Anbieter WisdomTree zufolge innerhalb der nächsten zwölf Monate auf 1.910 US-Dollar steigen. Das entspräche einem Wertzuwachs von rund 15 Prozent im Vergleich zu Ende September dieses Jahres. Zwar bekäme das Edelmetall Gegenwind aus Richtung des US-Dollars und der Anleihemärkte, es werde aber gleichzeitig durch eine hohe Inflation unterstützt.
„In unserem Basisszenario erwarten wir, dass sich weitere Zuwächse beim US-Dollar und den Anleiherenditen verlangsamen werden (sie werden aber nichtsdestotrotz steigen)“, schreibt Nitesh Shah, Leiter Rohstoff- und Makro-Research Europa bei WisdomTree, in einem aktuellen Marktkommentar.
„Eine Inflation deutlich oberhalb des Zielwerts der Fed bietet Gold Unterstützung, und die Anlegerstimmung wird im Hinblick auf das Metall möglicherweise nicht weiter zurückgehen. Dies könnte bei Gold zu einem merklichen Anstieg führen.“
In einer der stärkster Inversionen seit 1981
WisdomTree geht von einem steigenden Rezessionsrisiko aus. Als Indiz dafür führt Shah die Inversion der Zinsstrukturkurve am Anleihenmarkt an: „Wir befinden uns heute in einer der stärksten, durch einen Bärenmarkt ausgelösten Inversionen seit 1981. Dies lässt auf eine Kraftquelle für Gold schließen, wie sie bereits seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war.“
Der Experte verweist unter anderem auf den Zeitraum zwischen August 1978 und Juli 1982: Damals sei die Inversion der Kurve positiv für den Goldpreis gewesen, bei einer kumulierten Nominalrendite von 66 Prozent. Auch zwischen Juni 2006 und Juni 2007 habe der Goldpreis die Inversion der Kurve positiv widergespiegelt, die kumulierte Nominalrendite habe sich auf zehn Prozent belaufen.
Wehrmutstropfen: der starke US-Dollar
Eine hohe Inflation ist nach Ansicht von WisdomTree ebenfalls tendenziell günstig für den Goldpreis. „Betrachtet man historische monatliche Daten von Januar 1980 bis August 2022, stellt man fest, dass Gold in Zeiten mit einer Inflation von über 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr im Durchschnitt ein Plus von neun Prozent erzielte.“
Ein Wehrmutstropfen sei der starke US-Dollar: Filtere man die historischen Daten nach Monaten, in denen der US-Dollar gegenüber dem Vorjahr eine Aufwertung von mehr als zehn Prozent verzeichnete, werde deutlich, dass Gold im Durchschnitt 16 Prozent an Wert verlor.
Daraus schlussfolgert der Experte, der eine weitere Aufwertung der US-Währung für nicht unwahrscheinlich hält: „Ein starker Dollar, wie dies heute der Fall ist, wird selten mit einem starken Goldpreis in Verbindung gebracht – selbst in Zeiten einer hohen Inflation.“
Tatsächlich nur um fünf Prozent rückläufig
Gemäß WisdomTree sei jedoch auch die Inversion der Zinsstrukturkurve in Verbindung mit dem Rezessionsrisiko einzubeziehen. Diese sei zwar nicht explizit Teil des eigenen Prognosemodells. Sie könne aber eventuell erklären, warum sich Gold womöglich besser entwickelt als erwartet.
So sei es auch in den vergangenen Monaten gewesen: „Unser Modell signalisiert, dass Gold aufgrund der Belastung durch einen starken US-Dollar und sinkende Anleihekurse im August 2022 gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 15 Prozent hätte verzeichnen sollen. Doch tatsächlich war Gold nur um fünf Prozent rückläufig.“ Diese Entwicklung könne anhalten: „Es könnte sein, dass das Rezessionsrisiko Gold weiterhin stärker unterstützt, als unser Modell dies für die Zukunft vorhersagt.“
(WisdomTree)