Die Analyse offenbart eine auffällig große Diskrepanz hinsichtlich der Corporate Governance-Standards von Aktiengesellschaften auf internationaler Ebene. Insgesamt hat AllianzGI im vergangenen Jahr weltweit an 8.535 (2017: 7.961) Hauptversammlungen teilgenommen. Bei 75 Prozent der Aktionärsversammlungen stimmte AllianzGI gegen mindestens einen Tagesordnungspunkt oder enthielt sich der Stimme (2017: 68 Prozent). Insgesamt wurden 24 Prozent aller Vorschläge im treuhänderischen Interesse der Anleger abgelehnt (2017: 24 Prozent).
Umstritten waren 2018 vor allem Vergütungsvorschläge des Managements, die weltweit in 52 Prozent aller Fälle abgelehnt wurden. Gegenüber 2017 ist dies eine Steigerung um zehn Prozentpunkte. Zumeist beruhte die Kritik darauf, dass die Entlohnung der Führungskräfte nicht ausreichend an die Unternehmensstrategie und -leistung gekoppelt war und/oder die Anreizsysteme nicht hinreichend transparent waren.
Besonders stark ausgeprägt war dieser Mangel in Hongkong, wo AllianzGI gegen 95 Prozent der Vergütungsvorschläge stimmte. In Großbritannien wurden dagegen nur 16 Prozent(2017: 14 Prozent) aller Vergütungsvorschläge abgelehnt. Damit haben britische Unternehmen mit Blick auf die Einhaltung von Corporate Governance-Standards international die Nase vorn .
Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates beziehungsweise der Boards hinsichtlich fachlicher Kompetenz, Unabhängigkeit sowie Vielfalt war ein weiterer Kritikpunkt. Hier standen mit 27 Prozent ähnlich viele Management-Beschlüsse wie 2017 (28 Prozent) nicht im Einklang mit den Standards von AllianzGI. Wie beim Vergütungsthema gab es auch hier im Ländervergleich große Unterschiede: In Japan stimmte AllianzGI mit 48 Prozent (2017: 31 Prozent) am häufigsten gegen Beschlüsse hinsichtlich der Zusammensetzung der Unternehmensführung, wohingegen es in Großbritannien nur in sieben Prozent der Fälle eine Ablehnung gab (2017: sieben Prozent).
Eugenia Unanyants-Jackson, Global Head of ESG Research bei Allianz Global Investors, erläutert das Abstimmungsverhalten: „Bei der Managementvergütung sind klare Informationen über Leistungskennzahlen und Ziele entscheidend, damit Investoren die Angemessenheit von Performance-Messungen beurteilen können. Wir würden uns darüber hinaus wünschen, dass im Rahmen des Gesamtpakets für die Vorstandsvergütung deutlich mehr Wert auf die langfristige Entwicklung von erfolgskritischen Faktoren gelegt wird. Was die Zusammensetzung der Aufsichtsräte beziehungsweise Boards betrifft, wünschen wir uns insgesamt einen größeren Anteil wirklich unabhängiger Mitglieder. Zum Erreichen hoher Governance-Standards reicht dies allein aber nicht aus. Das Gremium sollte vielmehr auch eine Vielfalt an Hintergründen, Erfahrungen und Fähigkeiten widerspiegeln, die für das Unternehmen relevant und hilfreich ist. Darüber hinaus achten wir sehr darauf, dass die Ausübung des Mandats nicht durch eine Vielzahl weiterer Mandate beeinträchtigt wird.“
Nachholbedarf in Deutschland
„Auch bei Aktiengesellschaften in Deutschland gibt es noch Nachholbedarf. Zu wenig Transparenz und Ganzheitlichkeit bei der Ausgestaltung der Vorstandsvergütung sind dabei häufig ein Stein des Anstoßes. Ebenso findet der bei Unternehmen weit verbreitete Wunsch, Kapitalerhöhungen ohne konkrete Zweckbindung durchführen zu wollen und dabei die Anteilsverhältnisse der bestehenden Aktionäre zu verwässern, nicht unsere Zustimmung. Wir wollen wissen, in welche Richtung sich die Strategie eines Unternehmens entwickelt und stellen keinen Blankoscheck für Akquisitionspläne aus“, sagt Jörg de Vries-Hippen, CIO Equities Europe bei Allianz GIobal Investors.
Deutschland lag mit Blick auf Corporate-Governance-Standards während der letztjährigen Hauptversammlungssaison in vielen Fragen im Mittelfeld. So lag die Ablehnungsquote mit insgesamt 26 Prozent aller Vorschläge nur etwas höher als im internationalen Vergleich (24 Prozent). Bei den Fragen der Vorstandsvergütung (Ablehnungsquote von 49 Prozent) schnitten deutsche Unternehmen allerdings leicht besser ab als der weltweite Durchschnitt. Daneben wurde mit 46 Prozent fast jeder zweite Vorschlag auf Kapitalerhöhung abgelehnt. Mit 21 Prozent hat AllianzGI deutlich häufiger als im Vorjahr (elf Prozent) die Zustimmung bei Fragen der Aufsichtsratsbesetzung versagt.
Aktives Stewardship ist mehr als HV-Abstimmung
„Das sorgfältige Abwägen, welchen Abstimmungsvorlagen auf Hauptversammlungen wir unsere Zustimmung geben bzw. versagen können ist im treuhänderischen Interesse wichtig, aber nicht alles. Darüber hinaus ist AllianzGI auch unterjährig im konstruktiv-kritischen Dialog mit den Unternehmen zu allen Themen, die für deren Zukunft der Unternehmen und der Gesellschaft von Bedeutung sind: von der Unternehmensstrategie und dem Kapitalmanagement über Corporate Governance- und Vergütungsfragen bis hin zu den Themen Umwelt, Klimawandel und Menschenrechte“, fasst Eugenia Unanyants-Jackson zusammen.
(AllianzGI)