Mit einem VW-Bus fährt sie über die Lande, macht für die SPD Wahlkampf vor den Supermärkten um Ingolstadt und Eichstätt. Die zierliche Frau strampelt sich ab für ein Bundestagsmandat – auf dem nahezu aussichtslosen Listenplatz 30. Das passt nicht so recht zu dem Bild der ehrgeizigen, karrierebesessenen Frau, die mehr als 30 Jahre lang die Sozialpolitik maßgeblich beeinflusst hat. Vor drei Jahren musste sie ihr Amt als DGB-Vize nach einer dramatischen Kampfabstimmung aufgeben. Jetzt nimmt sie sich in einem Buch (Kämpfen mit Herz und Verstand. Mein Leben, Verlag Fackelträger, ab 3. August im Handel) diejenigen vor, denen sie stets im Weg stand, gegen die sie sich als Sozialpolitikerin immer wieder wehren musste – meist Kollegen und Genossen aus DGB und SPD.
Markenzeichen: blonde Mähne, adrettes Kostüm in hellen Farben, wahlweise Hosenanzug, zielgerichteter Blick – und Sprechen im Stakkato. Ihre Schlagfertigkeit war gefürchtet. Spitznamen: Mrs Njet, Quengelen-Kefer, Quengelen-Keifer, Frau DGB. Gegner: Quer durch alle politischen Lager, vor allem aber Männer wie Helmut Kohl (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Jürgen Peters (IG Metall), Frank Bsirske (Ver.di).
Gegner in allen politischen Lager
Als linke Sozialpolitikerin hatte sie reichlich Feinde. Die Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) waren sich in der Abfälligkeit ihr gegenüber einig. Kein Wunder, machte sie doch Stimmung gegen wesentliche Veränderungen wie zum Beispiel die Arbeitsmarkt- und die Rentenreform. Noch heute wettert sie gegen die Rente ab 67. Den Gewerkschaftern um Jürgen Peters und Frank Bsirske war die DGB-Frontfrau dennoch nicht links genug. Sie machte den taktischen Kurs gegen SPD und für die Linkspartei nicht mit, wollte den Gewerkschaftsdachverband aus den politischen Spielchen der mächtigen Einzelgewerkschaften heraushalten. Das war ihr Karriereende. Noch heute sagt sie über den Linksschwenk: „ich habe nie nur Visionen verkauft. Ziele muss ich realisieren können.“ Und: „Ich kann die Linkspartei nicht akzeptieren, weil einige Kapitel in ihrer Geschichte noch nicht geklärt sind.“
In ihrem Buch offenbart Engelen-Kefer die dunkle Seite der Gewerkschaften. Was nach außen propagiert wird, gilt in der Organisation noch lange nicht. So zum Beispiel in der Gleichberechtigung. Sie beschreibt die Gewerkschaften als frauenfeindlich und bilanziert selbstkritisch ihre Karriere als Frau beim DGB: „In den dreieinhalb Jahrzehnten meiner Gewerkschaftsarbeit ist es mir nicht gelungen, die ‚gläserne Decke‘ für Frauen auch bei den Gewerkschaften zu durchbrechen. Ich habe vielmehr den Eindruck, es gibt eine Bewegung zurück.
Die Gewerkschaften als Intrigantenstadel
Mit einer Energie, die wahrscheinlich für mehrere Tarifstreiks gereicht hätte, machten sich 2006 die Vorsitzenden der Gewerkschaften daran, die ihnen lästige kleine Person aus dem DGB-Vorstand zu kicken. Bsirske und Peters wollten politisch Genehme im DGB-Vorstand sitzen haben. Und so kam es, dass die damals 62-Jährige plötzlich zu alt war für den Vize-Posten. Würde sie wiedergewählt, so die Begründung, würde sie noch während ihrer Amtsperiode 65. Die Betroffene kann in ihrem Buch ihren Groll kaum verhehlen: „Ich bin wütend über so viel Heuchelei vonseiten derer, für die ich mich nachweislich erfolgreich über Jahrzehnte eingesetzt hatte.“
Die ewige Zweite
Damit endete eine Karriere voller Konflikte, die die resolute 66-Jährige als permanenten Kampf der Geschlechter und ein Streiten gegen Sozialabbau beschreibt. 1970 trat sie in die Gewerkschaft HBV und 1972 in die SPD ein. 1978 schickte der DGB die Arbeitsmarktexpertin in den Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit nach Nürnberg. Dort trat sie sofort auf die Bremse, als die BA die Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose verschärfte. Bremsspuren in Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik wurden zum Markenzeichen der Sozialpolitikerin.
Zur Arbeitsblockade drohte gar das Gerangel zwischen ihr und Heinrich Franke (CDU) auszuarten. 1984 wurde Franke BA-Präsident, Engelen-Kefer seine Stellvertreterin. Der Präsident unternahm alles, um seine Vize aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Die Medienpräsenz der Gewerkschafterin war ihm ein Dorn im Auge. So schreibt Engelen-Kefer: „Die chauvinistischen älteren Herren mit Präsident Franke an der Spitze waren der Meinung: Eine Frau gehört hier nicht hin.“ Den heutigen BA-Chef Frank-Jürgen Weise dagegen nennt sie einen „Glücksfall“.
Auch im DGB blieb ihr der Weg an die Spitze letztlich versperrt. Nach dem Tod von Heinz-Werner Meyer kam erst einmal nur sie als Nachfolgerin in Frage. Nicht in den Augen der Gewerkschaftschefs. Sie wählten den IG-Metall-Mann Dieter Schulte ins Amt. Vize: Engelen-Kefer. Jetzt kämpft sie für die SPD, in deren Vorstand sie nach wie vor sitzt.