Wirtschaft

Ich will raus!

ARAG Experte Tobias Klingelhöfer erklärt, wie man Verträge richtig kündigt

Nicht alles, was im Arbeitsvertrag steht, ist garantiert auch rechtlich haltbar

Vor allem online ist ein Vertrag schnell geschlossen, ein Klick genügt. Dabei sind nicht alle Verträge wieder kündbar. Oder sie verlängern sich automatisch, wenn man sie nicht rechtzeitig kündigt. Welche Verträge wie und mit welchen Fristen gekündigt werden können und wann Sonderkündigungsrechte bestehen, fasst ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer zusammen.

Was gilt grundsätzlich bei der Kündigung von Verträgen und worauf muss man achten?

Tobias Klingelhöfer: Als erstes rate ich dazu, die Vertragsbedingungen zu prüfen. Vor allem die Klauseln zur Kündigung sind dabei wichtig. Darin stehen Kündigungsfristen, -modalitäten und eventuelle Kündigungssperren. In den meisten Fällen ist eine schriftliche Kündigung erforderlich. Das Kündigungsschreiben sollte den Namen, die Adresse, die Vertragsnummer und das Datum der Kündigung enthalten. Kündigungsschreiben sollten unbedingt per Einwurfeinschreiben oder zumindest per Fax mit aussagekräftigem Sendebericht versandt werden, um im Fall der Fälle einen Nachweis zu haben. Und es müssen natürlich die vertraglich genannten Fristen eingehalten werden. Wenn Verbraucher während des Kündigungsprozesses telefonischen oder schriftlichen Kontakt mit dem Vertragspartner haben, sollte die gesamte Kommunikation dokumentiert werden. Am besten mit Datum, Uhrzeit, Inhalt des Gesprächs oder der Nachrichten und dem Namen der Gesprächspartner.

Manche Verträge kann man in Textform kündigen, für manche braucht es die Schriftform. Was ist der Unterschied?

Tobias Klingelhöfer: Nach Paragraf 126b, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind drei Voraussetzungen an die Textform zu stellen: Es muss eine lesbare Erklärung sein, in der die Person des Erklärenden in einem dauerhaften Datenträger genannt ist. Also in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise. Daher ist eine Kündigung als E-Mail, Fax oder sogar SMS oder Messenger möglich.

Im Gegensatz dazu gibt es die Schriftform. Sie braucht zwingend eine handschriftliche Unterschrift oder eine elektronische Signatur. Bestimmte Verträge, wie zum Beispiel Miet- oder Arbeitsverträge, müssen in der Regel unterschrieben werden, wenn sie geschlossen und gekündigt werden, hier zählt also nur die Schriftform.

Was muss man bei der Kündigung von Versicherungsverträgen beachten?

Tobias Klingelhöfer: Das Wichtigste: Die meisten Versicherungspolicen müssen in einer bestimmten Frist gekündigt werden, da sie sich ansonsten automatisch verlängern; meistens um ein Jahr. Das steht in den jeweiligen Versicherungsbedingungen, die man bei Vertragsschluss bekommt. Hier rate ich Verbrauchern, sich den Stichtag für eine mögliche Kündigung in den Kalender einzutragen und zu bedenken, dass sich die Frist immer nach dem Vertragsabschluss richtet. Entscheidend ist also nicht das Kalenderjahr. Endet das Versicherungsjahr beispielsweise am 30. April und die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Ende des Versicherungsjahres, muss die Kündigung spätestens am 31. Januar bei der Versicherung auf dem Tisch liegen. Den Postweg muss man in diese Frist einrechnen. Es reicht also nicht, den Brief am 31. Januar zur Post zu bringen.

Übrigens: Unter bestimmten Voraussetzungen haben Kunden bei manchen Versicherungen auch Sonderkündigungsrechte. Wenn z. B. die Beiträge erhöht werden oder nach einem Schaden kann man den Vertrag kündigen. Im Schadensfall kann aber auch das Versicherungsunternehmen dem Kunden eine außerordentliche Kündigung aussprechen. Passiert das vor Ende der Vertragslaufzeit, bekommt der Kunde im Voraus gezahlte Beiträge anteilig erstattet.

Was ist das Besondere an Online-Verträgen und wie sind sie kündbar?

Tobias Klingelhöfer: Zunächst einmal sind Online-Verträge besonders, weil es ein Kinderspiel ist, sie abzuschließen. Ein Klick genügt. Nicht selten geschieht das sogar aus Versehen. Bis vor einem Jahr war es dann teilweise schwierig, diese schnell oder versehentlich geklickten Verträge wieder zu kündigen. Erstens, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Angaben zur Form und Frist der Kündigung schwer zu finden waren. Und zweitens, weil die Kündigung im Gegensatz zum Vertragsschluss meist nicht online, sondern per Brief, Mail oder Fax erfolgen musste. Das hat sich seit Juli 2022 allerdings geändert. Seither müssen Online-Anbieter einen deutlich sichtbaren Kündigungs-Button vorhalten, der die Kündigung unkompliziert möglich macht. Wenn der fehlt, dürfen Kunden sogar sofort und ohne irgendwelche Fristen kündigen.

Welche Rolle spielt bei Vertragsabschlüssen das Gesetz für faire Verbraucherverträge aus 2022?

Tobias Klingelhöfer: Verbraucherverträge wie z. B. die von Fitnessstudios, Streaming-Diensten oder Mobilfunkanbietern dürfen seit letztem Jahr nur noch eine Laufzeit von maximal einem Jahr haben. Ist die Vertragslaufzeit länger, ist sie nur noch dann wirksam, wenn dem Verbraucher gleichzeitig auch ein Angebot über einen Einjahres-Vertrag mit gleicher Leistung gemacht wird. Dieses Angebot darf im Monatsdurchschnitt aber nicht mehr als 25 Prozent teurer sein als der Vertrag mit der längeren Laufzeit. Gleichzeitig dürfen sich Verträge nur noch dann über drei Monate bis zu einem Jahr automatisch verlängern, wenn der Kunde rechtzeitig auf Kündigungsmöglichkeiten hingewiesen wird. Zudem wurde die Kündigungsfrist von drei Monate auf einen Monat verkürzt.

Welche Kündigungs-Möglichkeiten haben Verbraucher, die einen telefonischen Vertrag abgeschlossen haben?

Tobias Klingelhöfer: Mit Ausnahme von Lotterieverträgen und Gewinnspielen sind telefonisch abgeschlossene Verträge grundsätzlich auch ohne schriftliche Bestätigung gültig. Wenn Verbraucher dem Angebot allerdings nicht explizit zugestimmt haben, ist rechtlich auch kein gültiger Vertrag zustande gekommen. Im Streitfall sind die Anbieter in der Pflicht, die Zusage zu beweisen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ungewollte Werbeanrufe und Bestellungen rechtswidrig sind.

Und wenn man versehentlich doch einen Vertrag im Internet, per Telefon, Post oder Fax abgeschlossen hat?

Tobias Klingelhöfer: Dann muss man schnell sein! Bei diesen sogenannten Fernabsatzverträgen besteht ein Widerrufsrecht mit einer Frist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware. Bei Dienstleistungen läuft die Frist ab Vertragsschluss. Sollte die entsprechende Belehrung über das Widerrufsrecht erst nach Vertragsschluss erfolgen, beträgt die Frist einen Monat.

Gelten bei Fernabsatzverträgen besondere Bedingungen, um Verbraucher zu schützen?

Tobias Klingelhöfer: Allerdings. Bei Fernabsatzverträgen haben Anbieter eine besondere Informationspflicht (Paragraf 312 BGB). Sie müssen dem Verbraucher zu Gesprächsbeginn genau erklären, welche Absicht der Anruf hat. Tut der Anbieter das nicht und der Angerufene war sich gar nicht bewusst, dass er einen Vertrag geschlossen hat, kann man den Vertragsschluss vorsorglich wegen Täuschung und Irrtums anfechten. Außerdem rate ich, den Vertrag hilfsweise zu kündigen.

Weitere interessante Informationen unter:
https://www.arag.de/service/infos-und-news/rechtstipps-und-gerichtsurteile/job-und-finanzen/

(ARAG)

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