„Die EU ähnelt immer mehr dem Reich der Habsburger in seiner Endzeit, als innere und äußere Kräfte Richtung Zerfall strebten. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und das Parlament müssen gegensteuern. Zuerst muss die EU alles tun, um einen harten Brexit Ende März unbedingt zu vermeiden“, sagte Fuest am Dienstag in Brüssel bei der Vorstellung des Europa-Report 2019 der Forschergruppe EEAG. „Angesichts der Handelsturbulenzen sollte sich Europa auch darauf besinnen, dass es eine der letzten Bastionen einer regelbasierten, multilateralen internationalen Ordnung ist. Die EU sollte daher eng zusammenarbeiten mit ähnlich ausgerichteten Staaten wie Kanada, Australien, Japan, Indien, den Ländern Südostasiens und, wo möglich, China.“ Gleichzeitig sollte die EU aber chinesische Investitionen hier nicht behindern, fügte Fuest hinzu, sondern Druck ausüben, damit die Bedingungen für europäische Investitionen in China ebenso verbessert werden.
„Um den inneren Zusammenhalt der Eurozone zu stärken, müssen die Finanzmärkte stärker integriert werden. Notwendig ist es außerdem, die Banken-Union zu vervollständigen“, so Fuest weiter. Dies könne helfen, die Risiko-Teilung zu verbessern. Außerdem ist es notwendig für Länder mit wirtschaftlichen Problemen, insbesondere Italien, zukunftsgerichtete Reformen anzugehen, statt Rezepte der Vergangenheit aufzuwärmen. Fuest verwies auf Beispiele wie Dänemark, Schweden, Finnland und die Niederlanden. „Diese Länder haben mit Reformen ihre wirtschaftliche Leistungskraft erheblich verbessert“, sagte er. „Das könnte auch für Italien ein Weg sein, aus der jahrelangen Stagnation herauszukommen, allerdings mit Reformmaßnahmen, die auf die italienische Situation ausgerichtet sind.“ Angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump regte Fuest an, dass die EU-Länder in der Verteidigungspolitik stärker kooperieren. „Wir können offenbar nicht mehr alles von den USA erwarten.“
Die Forschergruppe EEAG rechnet für 2019 mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums der EU auf 1,5 Prozent, von 1,9 Prozent im Vorjahr und 2,5 Prozent 2017. Das Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich dabei 2019 abschwächen auf 3,0 Prozent, von 3,2 Prozent im vergangenen Jahr und 3,3 Prozent 2017.
(EconPol)