Es ist da! Das neue Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB): die Inflationsrate in der Eurozone soll in Zukunft „jährlich zwei Prozent“ erreichen.
Ergänzend hierzu darf die EZB zeitweise sogar „moderat über dem Zielwert“ liegende Inflationsraten akzeptieren – ein sogenanntes symmetrisches Inflationsziel. Das ist das Ergebnis der über ein Jahr dauernden Analysen der hausinternen Strategieüberprüfung (Strategic Review).
Enttäuschung für Sparer
Das ist nicht für jeden von Vorteil. „Während Schuldner wie die europäischen Staaten, Unternehmen, aber auch Privathaushalte sowie Besitzer von Sachwerten – zu denen auch Aktieninvestoren zählen – von der jetzt noch aggressiveren Teuerungsratenpolitik der Notenbank profitieren sollten, dürften Sparer hochgradig enttäuscht sein“, ist Zoltan Schaumburger, Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch überzeugt.
Der Experte warnt: „Sollte die Europäische Zentralbank das von Christine Lagarde verkündete Ziel in zehn Jahren erreichen, würde dies für Besitzer von Sparguthaben einen realen Vermögensverlust von 20 Prozent bedeuten, 40 Prozent in 20 Jahren und so weiter.“
Kontrollierte Zerstörung
Das Strategic Review der EZB hat ergeben, dass die Preisentwicklung für selbstgenutztes Wohneigentum nach wie vor nicht im Warenkorb der Inflationsmessung, dem sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex, Berücksichtigung finden kann. Immobilienpreissteigerungen werden somit nur über die Miet-Komponente in der Teuerungsrate inkludiert.
„In der Realität bedeutet das, dass diese Steigerungen je nach individueller, persönlicher Situation, zum Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank zu addieren sind – insbesondere für diejenigen, die sich ihren Immobilientraum erfüllen möchten“, weiß Schaumburger.
Die Notenbank versucht über ihre neu aufgesetzte Strategie möglichst kontrolliert jährlich zwei Prozent an nominalen Werten zu zerstören.
Dazu der Experte: „Es ist zu hoffen, dass es nicht zu Kontrollverlusten kommt – sei es durch nachhaltig erhöhte Teuerungsquoten oder zunehmende soziale Spannungen.“ Auch das Image der Zentralbank könnte stark in Mitleidenschaft gezogen werden, sollten Zweifel daran aufkommen, dass sie Herr der Lage ist.
Die Welt auf der anderen Seite
Gegen Kontrollverlust versucht man sich auch in China zu stemmen: Die Regulatoren haben strenge Vorschriften erlassen, unter anderem um die „Datensicherheit, den grenzüberschreitenden Datenfluss und die Verwaltung vertraulicher Informationen“ chinesischer Unternehmen sicherzustellen.
„Im Kern geht es der Kommunistischen Partei wohl vielmehr darum, die Marktmacht der Plattformunternehmen zu minimieren bzw. zum Teil unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn: Wer die Kontrolle über die Daten hat, hat die Kontrolle über das System“, sagt der Portfoliomanager.
Die erhöhte Kontrolle betrifft vor allem Aktien aus den sich in den vergangenen Jahren besonders dynamisch entwickelnden Sektoren der Technologiebranche und dem Bildungsbereich.
Unter Pekings Kontrolle
Im Bildungssektor soll es demnach für privat geführte Unternehmen, die nach dem Lehrplan der staatlichen Schulen unterrichten, in Zukunft nicht mehr möglich sein, Profite zu erzielen – somit sollten einige Geschäftsmodelle in dieser Branche durchaus kritisch hinterfragt werden.
Auch Technologie-Firmen unterliegen zunehmend einer verschärften Kontrolle durch die Pekinger Regierung. Dies tangiert besonders dynamisch wachsende und mittlerweile sehr groß gewordene – teilweise monopolistisch anmutende – Konzerne.
Schaumburger betrachtet dies kritisch: „Mit dem Kontrollzwang geht eine erhöhte Gefahr einher, dass Investoren verschreckt werden und dies zu einer Kapitalflucht aus chinesischen Aktienengagements führt.
Ob diese Kontrolle – insbesondere von US-Technologiefirmen – als nächstes in Europa verstärkt in den Fokus rückt, werden die kommenden Monate zeigen.“
Kaum mehr Kursanstiege
Die Unternehmensergebnisse für das abgelaufene zweite Quartal haben bislang die ohnehin schon sehr hohen Erwartungen übertroffen. Allerdings führen herausragende Quartalsabschlüsse kaum mehr zu Kursanstiegen.
Dazu Schaumburger: „Selbst kleinere Enttäuschungen werden vom Markt teils heftig mit Kursabschlägen beantwortet. Alles in allem nicht überraschend für einen Markt, der von Liquidität und Hoffnung getrieben, bereits sehr viel von der erfreulichen realwirtschaftlichen Erholung vorweggenommen hat.
Die zu beobachtende Volatilität sollte uns daher noch eine Weile erhalten bleiben, bis sich der Nebel aus Konflikten in und um China, dem Verhalten der Notenbanken und der Beurteilung von Staatenverschuldung und Inflationsentwicklung etwas gelichtet hat.“
(Euroswitch) / surpress