Wirtschaft

Italien: Nur Wachstum hilft

Alleinige Konzentration auf Sanierung der Staatsfinanzen hätte desaströse Folgen

skylark / Pixabay

Wenn die italienische Regierung in den kommenden Tagen ihren Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 vorstellt, wird die Aufmerksamkeit vor allem auf das geplante Defizit im Staatshaushalt gerichtet sein. Sollte Italien tatsächlich die EU-Schuldengrenze überschreiten und ein Haushaltsdefizit von deutlich mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung ansteuern, dürften die Renditen italienischer Staatsanleihen weiter steigen. Daraus resultierende höhere Finanzierungskosten für den italienischen Staat würden das Vertrauen in die Fähigkeit zur Rückzahlung der Schulden weiter untergraben, was einen weiteren Anstieg der Renditen zur Folge hätte und schlimmstenfalls in eine Negativspirale münden könnte.

Tatsächlich ist die Finanzlage der öffentlichen Haushalte Italiens besorgniserregend. Insbesondere der hohe Schuldenstand von mehr als 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung weckt berechtigte Zweifel an der nachhaltigen Tragfähigkeit der Verbindlichkeiten. Dennoch wäre es ökonomisch zu kurz gegriffen, wenn der Fokus nur auf die Defizitzahlen gerichtet wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass es der Regierung endlich gelingt, das Wachstum zu stimulieren, zur Not auch mit höheren Schulden. Die italienische Wirtschaftsleistung liegt noch immer um mehr als 5 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2008, die Arbeitslosenquote verharrt seit Ende vergangenen Jahres auf einem Niveau von knapp 11 Prozent, die Produktivität ist seit 20 Jahren nicht gestiegen, und entsprechend stagniert auch das Einkommen der meisten Menschen. Die hohe Staatsverschuldung ist auch auf diese desaströse Bilanz zurückzuführen. Das Wahlergebnis vom Frühjahr spiegelt denn auch eine tiefe Frustration der italienischen Bürger wider und den Wunsch, dass es jedenfalls nicht so weitergehen möge wie in den vergangenen zwanzig Jahren.

Wohin steuert Italien?

Man darf gespannt sein, welchen Weg die Regierung in Italien einschlägt. Eine Sanierung der Staatsfinanzen um jeden Preis ist nicht zu erwarten, und sie wäre auf jeden Fall gefährlich. Das Beispiel Griechenlands hat gezeigt, wohin ein striktes Austeritätsprogramm führt. Dort sank die Wirtschaftsleistung insgesamt um 25 Prozent, während der Schuldenstand trotz aller Sparprogramme höher ist als jemals zuvor. Eine ähnliche Entwicklung in Italien wäre der sichere Weg zum Austritt des Landes aus der Europäischen Währungsunion, was unabsehbare Folgen für die übrigen Mitglieder der Währungsunion hätte.

Stattdessen könnte die italienische Regierung versuchen, durch eine Steuerreform das Wachstum anzukurbeln, was auch tatsächlich Teil ihres Wahlprogramms war. Sinkende Steuern würden die private Nachfrage und die Investitionen anregen. Zumindest ein Teil der Einnahmeausfälle kann der Staat auch hinnehmen, zumal sich eine positive wirtschaftliche Entwicklung im Zeitablauf günstig auf die Steuereinnahmen auswirkt. Leider erschöpfen sich die Absichten der beiden Regierungsparteien nicht auf solche Maßnahmen. So wird offen über die Rücknahme von Reformansätzen der jüngeren Vergangenheit diskutiert. Doch ein geringeres Renteneintrittsalter oder neue Regulierungen der Arbeitsmärkte hätten mit Sicherheit keine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Dynamik zur Folge, würden aber sehr wohl den Staatshaushalt langfristig weiter belasten.

Grundsätzlich sollte die EU-Kommission die ausgewiesenen Defizitzahlen nicht nur der Höhe nach bewerten, sondern auch die Qualität der zugrunde liegenden Politik beachten. Auch für die Finanzmärkte ist es relevant, dass temporär höhere Defizite letztlich stabilisierend wirken könnten, wenn sie eine Politik unterstützen, die Wachstum anstrebt. Ist dies nicht der Fall, wird sich die Regierung mit steigenden Finanzierungskosten des riesigen Schuldenberges konfrontiert sehen: Allein der durch die Regierungsbildung ausgelöste Zinsanstieg schlägt im kommenden Jahr mit 4,5 Milliarden Euro zu Buche. Für jeden weiteren Anstieg der Langfristzinsen um 100 Basispunkte müsste der italienische Finanzminister weitere gut 4 Milliarden Euro an Zinszahlungen in seinen Haushalt einstellen. Es bleibt zu hoffen, dass davon ein Disziplinierungseffekt ausgeht und sowohl die italienische Regierung als auch die EU-Kommission mit Augenmaß und unter Berücksichtigung ökonomischer Zusammenhänge handeln.

(FERI Gruppe) 

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