Wirtschaft

J.P. Morgan Asset Management: Zinserhöhung in Europa noch dieses Jahr sinnvoll – europäische Aktien und Small Caps unterbewertet

Erkenntnisse der Chief Investment Officer für Aktien und Anleihen

mohamed_hassan / Pixabay

Dass sich die globale Inflation aktuell auf einem 20-Jahres-Hoch befindet, erfüllt Anlegerinnen und Anleger mit Sorge. Anlässlich einer Investorenkonferenz haben die Anlagechefs für die Anlageklassen Anleihen und Aktien von J.P. Morgan Asset Management vorgestellt, wie sie die aktuelle Situation einschätzen, wie sich am besten durch das aktuelle Klima navigieren lässt und in welchem Segment sie derzeit die attraktivsten Anlagegelegenheiten sehen.

Bob Michele, CIO und Head of Global Fixed Income, Currency and Commodities bei J.P. Morgan Asset Management:
„Die globalen Zentralbanken hinken der Entwicklung hinterher und viele Marktteilnehmer sind enttäuscht, weil sie ein Versprechen gebrochen haben, das sie vor 30 Jahren gegeben haben. Denn es sollte nie mehr ein Inflationsumfeld geben, wie während der Ölschocks der 70er Jahre. Und doch sind wir nun wieder an einem solchen Punkt angelangt. Nun gibt es rund um den Globus hohe Inflation und die meisten großen Zentralbanken haben bisher absolut nichts getan, um diese einzudämmen. Dabei wäre es anzuraten, dass sie aktiver werden, als sie oder der Markt bisher für dieses Jahr antizipieren.

Was die EZB angeht, würden wir uns von der Konsensmeinung entfernen. Die EZB hat bisher kommuniziert, dass sie die Zinsen 2022 nicht erhöhen wird – aber wir glauben, dass das Wunschdenken ist. Wenn wir uns die aktuelle Inflationsbilanz in Europa ansehen, die durch den Angebotsdruck und den Arbeitsmarkt verschärft wird, wächst die Überzeugung, dass sie die Zinserhöhungen in dieses Jahr vorziehen müsste. Nur so ließe sich eine größere Konsistenz mit der US-Notenbank (Fed), der Bank of England und anderen Zentralbanken Industrieländer erreichen.

Vor diesem Hintergrund vermeiden wir eine lange Duration, da wir mit einem deutlichen Anstieg der Renditen rechnen, wenn die Zentralbanken beginnen, aus dem Markt auszusteigen. Als Investoren mögen wir in diesem Umfeld Qualität, vor allem die Schnittmenge von Qualitätsemittenten mit starken Bilanzen. Unser Ziel ist, so wenig Zinssensitivität wie möglich zu haben, weshalb wir zu verbrieften Krediten, Bankdarlehen und Unternehmensanleihen mit kurzer Laufzeit tendieren.

Die Schwellenländer befinden sich auf einem anderen geldpolitischen Kurs. Achtzehn Zentralbanken der Schwellenländer haben die Zinsen im letzten Jahr bereits 70 Mal angehoben, um den Inflationsdruck zu dämpfen. Das bietet nun Anlagegelegenheiten bei Staatsanleihen aus Schwellenländern, die positive Realrenditen bieten, während bei den meisten Staatsanleihen der Industrieländer negative Realrenditen zu finden sind. Die chinesische Zentralbank (PBOC) zeigt sich wiederum unterstützen und schafft damit Rückenwind für ihren Anleihenmarkt, wo die Renditen deutlich höher sind als an den entwickelten Staatsanleihenmärkten.

Im Jahr 2021 wurden auf dem Markt für Unternehmensanleihen eine Billion Dollar an grünen und an Nachhaltigkeit gekoppelten Anleihen emittiert – das ist doppelt so viel wie im Jahr 2020. Dieses Jahr wird sie sich dieses Volumen unserer Meinung nach noch einmal verdoppeln. Aus Eigenkapitalsicht sollten sich Unternehmen mit den besten Nachhaltigkeitswerten günstiger finanzieren können. Dies bedeutet jedoch eine niedrigere Verzinsung und Rendite. Investoren müssen also bereit sein, etwas niedrigere Renditen zu akzeptieren, um Nachhaltigkeit und umweltfreundliche Emissionen zu finanzieren. Wer Nachholbedarf bei den ESG-Kriterien hat, wird entsprechend mit höheren Finanzierungskosten bestraft. Sicherlich ist es verlockend, dass eine höhere Rendite im Laufe der Zeit zu höheren Erträgen führt. Da wir uns jedoch gemeinsam darauf konzentrieren, im Sinne der Nachhaltigkeit das Richtige zu tun, müssen wir alle dazu bereit sein, eine etwas geringere Rendite in Kauf zu nehmen.“

Paul Quinsee, CIO und Head of Global Equities bei J.P. Morgan Asset Management:

„Die Aussichten für die Unternehmensgewinne bleiben positiv. Im vergangenen Jahr erzielten die 2.500 Unternehmen, die wir in den Industrieländern weltweit analysierten, Gewinne in Höhe von 3 Billionen US-Dollar. Das sind ganze 50 Prozent mehr als 2020 und 25 Prozent mehr als 2019. In diesem Jahr erwarten wir nicht das gleiche Wachstum wie im Jahr 2021, aber die Gewinnaussichten sehen immer noch vielversprechend aus.

Bei globalen Aktien sehen wir weiterhin viel Potenzial, aber es ist wichtig, über die Wachstums- und Technologieaktien hinausblicken, die in den letzten 10 bis 15 Jahren alles vorangetrieben haben. Wir halten es daher für wichtig, eine zu große Positionierung bei den etablierten Unternehmen zu vermeiden. Es gibt deutlich aussichtsreichere Marktsegmente. Die Bewertungen von Value-Aktien liegen beispielsweise weiterhin auf Durchschnittsniveau, Small-Cap-Aktien haben einen Rekordabschlag und europäische Aktien sind insgesamt sehr günstig bewertet. Unser Mantra ist es, die Dinge einfach zu halten – deshalb konzentrieren wir uns auf Qualität, Substanz und Dividenden. Damit lässt sich auch in diesem Jahr mit globalen Aktien Geld verdienen.

China hat ein schwieriges Jahr durchgemacht, aber viele der Sorgen sind jetzt eingepreist. Basierend auf unserem Research sind die erwarteten Erträge für China von ganz unten nach oben gestiegen. Insbesondere auf Sicht von fünf Jahren sind wir optimistisch. Wir glauben an die chinesische Wirtschaft und die langfristigen Trends, die sie treiben und für geduldige Anlegerinnen und Anleger sind wie bereits in der Vergangenheit große Gewinne möglich. Wir denken daher, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, vorsichtig und schrittweise damit zu beginnen, Allokationen in chinesischen Aktien und Schwellenländer insgesamt zu ergänzen.

Ob man seine Investments gezielt nachhaltig ausrichtet oder nicht: die in vielen Ländern der Welt immer stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Gesetzgebung beeinflusst die Fundamentaldaten von Unternehmen, und dies wirkt sich zwangsläufig auch auf die Investments aus. Wir haben bereits seit einiger Zeit Nachhaltigkeit in unsere Investmentprozesse für Aktien integriert und alle unsere Research-Analysten bewerten jedes Unternehmen anhand von 40-Kriterien, um die Risiken und Chancen zu verstehen, die sich aus der sich immer starker nachhaltig ausrichtenden Welt ergeben.

Und natürlich gelten auch im Segment der Nachhaltigkeit die gleichen Regeln wie für alle unsere Investments: wir brauchen gute Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen, die letztendlich in der Lage sind, Geld verdienen und ihre Investoren zu entlohnen. Dies gilt es, bei aller Freude über die Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit auch weiter im Fokus zu behalten. So setzen wir beispielsweise auf traditionelle Unternehmen, die massiv investieren, um weiterhin relevant zu bleiben. Für mich ergeben sich die besten Chancen aus dem Erkennen von Veränderungen und zukunftsorientiertem Denken in etablierten Unternehmen – dort finden Sie wahrscheinlich die beste Chancen-Risiko-Profil.“
 

(J.P. Morgan Asset Management)

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