Wirtschaft

Kapitalmarktausblick 2022: Alles eine Frage der Zinsen

Von Dr. Jens Ehrhardt, Gründer und Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG

TBIT / Pixabay

Das Jahr 2022 steht ganz im Zeichen der Zinsentwicklung. Zwingt die Inflationsentwicklung die US-Zentralbank zu stärkeren Zinserhöhungen (am Terminmarkt waren schon bis zu drei per Jahresende 2022 eingepreist), so wird es höchstwahrscheinlich ein schlechtes Börsenjahr. Die gute Konjunkturentwicklung der letzten Jahre war nur aufgrund der durch die Notenbanken gedrückten Zinssätze möglich. Dadurch standen den rekordhohen Verschuldungsraten historische Tiefstände an Schuldendienst gegenüber. Sollten die Zinsen aber steigen, wird sich dies konjunkturell bei Konsum und Investitionen massiv negativ auswirken. An den Aktienmärkten kommt dann auch zum Tragen, dass die Bewertungen historisch hoch sind und die Überinvestierung der Anleger in Aktien historische Extreme erreicht hat.

Sieht die US-Zentralbank dagegen durch die laufende Inflationswelle hindurch und bleibt bei der Meinung, dass die Inflation im nächsten Jahr wieder deutlich fallen wird und sieht entsprechend von Zinserhöhungen ab, könnte 2022 erneut ein sehr gutes Börsenjahr werden. In der Vergangenheit sind allen Börsenjahren mit über 20 Prozent Indexplus (wie bisher in diesem Jahr) im Folgejahr in der Regel Aufwärtsbewegungen in zweistelliger Prozentzahl gefolgt. Bleiben die Zinsen tief, gibt es in der Tat keine Anlagealternative zu Aktien – und die augenblickliche Investitionswelle in den USA (die stärkste der Nachkriegszeit) dürfte sich fortsetzen. Damit wären weiter steigende Gewinne vorprogrammiert.

Keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht

Tatsächlich besteht Hoffnung, dass wichtige Inflationskomponenten wie der Ölpreis im kommenden Jahr wieder deutlich nachgeben. Die gestiegenen Güterpreise dürften ein steigendes Angebot auslösen, was nach dem üblichen Schweinezyklus auch wieder zu niedrigeren Preisen führen sollte. Schwieriger ist die Inflation im Dienstleistungssektor zu beurteilen. In den USA fehlt es besonders für unqualifizierte Arbeit an Mitarbeitern. Hier dürften die Löhne weiter zweistellig anziehen. Dagegen ist die Gehaltsentwicklung bei Mitarbeitern mit gehobener Ausbildung nicht anders als in der Vor-Pandemie-Zeit, so dass die Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale aus heutiger Sicht – ganz anders als in den 1970er-Jahren – nicht realistisch ist.

Dollar und Gold mit Aufwärtspotential

Bei den Währungen sollte der Dollar im Trend freundlich bleiben. Während die Bundesbank seinerzeit immer internationaler Vorreiter in der Inflationsbekämpfung war, zeigt die EZB weltweit am wenigsten Ansätze zu einer Anti-Inflationspolitik. Daher dürfte der Euro gegen den Dollar weiter abwerten – mit einer Fortsetzung der rekordhohen Inflation bei den deutschen Importpreisen. Entsprechend werden auch die Produzentenpreise in Deutschland, die bereits auf einem 30-Jahres-Hoch liegen, weiter steigen. Im Euro-Land Spanien stiegen die Produzentenpreise sogar um 31,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angesichts hoher Teuerungsraten ist eine Flucht in Sachwerte trotz der hohen Preise bei Immobilien und den Aktienindizes nicht ausgeschlossen. Dies würde dem üblichen Bild einer Abwertungshausse entsprechen.

Auch Gold sollte nach einem in Dollar gerechnet enttäuschenden Jahr wieder anziehen können. Allerdings stiegen die Goldpreise in Euro gerechnet in 2021 sogar leicht an. Die Käufer aus Indien und China sind 2021 wieder zurückgekehrt. Die bisher drückenden Verkäufe amerikanischer ETF-Anleger dürften bei weiterem Inflationsanstieg auslaufen. Sollten die Goldpreise anziehen, dürften Goldaktien überdurchschnittlich steigen.

Schwarzer Schwan: China bleibt Risikofaktor – besonders für Deutschland

Der schwarze Schwan des Jahres 2022 könnte China werden. Bisher war die Immobilienkonjunktur der Haupt-Konjunkturtreiber, was in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Die Immobilieneigentümerquote liegt mit 95 Prozent weit über dem deutschen Stand von unter 50 Prozent, die Bevölkerung geht zurück und die erheblich gewachsene Verstädterung scheint auszulaufen. Die hohen Leerstände (Chinesen legen ihre Ersparnisse weitestgehend in Immobilien an) könnten auf die Preise drücken, was wiederum Verkäufe leerstehender Immobilien bewirken dürfte. Die im Gegensatz zum Westen sehr hohen chinesischen Zinsen dürften die in den letzten Jahren erheblich gewachsene Verschuldung bei Privaten und besonders bei Unternehmen zum Problem machen. Eine schlechte Konjunktur würde besonders Deutschland als größtes Exportland der Welt außerhalb Chinas treffen.

Covid – das Damoklesschwert über Chinas Wirtschaft

Unberechenbar bleibt die Covid-Problematik. Zwar versucht man, aus wirtschaftlicher Sicht weltweit Lockdowns zu vermeiden, aber trotzdem dürfte das Konsumverhalten gedrückt werden. Dieses ist in China aufgrund der Immobilienkrise ohnehin schon stark verschlechtert. Während westliche Länder in Sachen Covid offen oder versteckt auf die Immunisierungsstrategie setzen, mit der Schweden begonnen hatte, hat China als einziges Land mit seiner Null-Covid-Strategie einen anderen Weg eingeschlagen. Bei einer nur begrenzten Öffnung wie zuletzt in den USA könnte auf China ein bisher von keiner Seite erwartetes massives Covid-Problem zukommen. China hat also die Wahl: Null-Covid-Strategie und damit anhaltend schwaches Wachstum, welches das Land seit Jahrzehnten nicht gekannt hat, oder die Öffnung und mehr Wirtschaftswachstum, aber Infektionszahlen von vielleicht über einer Millionen Menschen pro Tag.

(DJE-Gruppe)

print

Tags: , , , ,

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

25 Jahre Mein Geld
Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

-
Welche Neuerungen gibt es zum BAV-Geschäft?

Im bAV Geschäft gibt es immer wieder neue Trends und verbesserte Tarife. Was können Berater und Vermittler für 202472025 erwarten?

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein Geld 03 | 2024

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben