Aus wirtschaftlicher Sicht könnte die Lage Argentiniens kaum schlechter sein. Aber rund eineinhalb Jahre nach dem Amtsantritt von Präsident Mauricio Macri, findet allmählich ein gewaltiger Wandel statt.
Macri kann als der erste nicht-populistische Präsident Argentiniens seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bezeichnet werden. Technokraten besetzen Schlüsselrollen in allen wichtigen Ministerien und in der Zentralbank.
Nur einige Monate nach Amtseinführung hatte die neue Regierung bereits die Barrieren im Devisenhandel beseitigt, die verzerrendsten Steuern abgeschafft oder gesenkt und den langjährigen Konflikt mit ausländischen Gläubigern beigelegt.
Macri würdigt auch die Sozialkosten von Reformen, was in einem lateinamerikanischen Kontext sicher nicht selbstverständlich ist. Das erklärt die sorgfältigen Versuche, die Löcher im Haushalt zu stopfen.
Statt einer Schocktherapie schlägt der Präsident einen langsameren Weg in Richtung Wandel ein. Staatliche Zuschüsse für die Menschen im Land werden reduziert, aber nur schrittweise und mit Ausgleichsleistungen für die niedrigsten Einkommensgruppen. Das hat bislang soziale Unruhen im Land verhindert.
Der Nachteil dieses vorsichtigen Ansatzes ist, dass das Haushaltsdefizit kaum geschrumpft ist. Auf Jahresbasis besteht immer noch eine Lücke von 6 Prozent, die finanziert werden muss.
Finanzierung abhängig von ausländischen Kapitalflüssen?
Die hohen Zinsen des Landes ziehen viele ausländische Investoren an, so dass es nicht schwierig ist, Anleihen zu emittieren. Das erhöht jedoch den Zufluss von Hartwährungen in das Land, und der aktuell starke Peso hat einen negativen Einfluss auf den inländischen Konsum und Investitionen.
Das ist Macris Hauptsorge. Das Wirtschaftswachstum zieht zwar leicht an, bleibt aber schwach. Für einen schnelleren Rückgang des Haushaltsdefizits ist es zu niedrig. Da die Gelddruckmaschine nur schrittweise heruntergefahren wird, ist die Inflation außerdem nach wie vor hoch.
Folglich können die Zinsen nur langsam sinken, und das Investitionswachstum legt kaum zu. Dennoch bewegt sich das Land eindeutig in die richtige Richtung.
Dieses Jahr werden die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen sowie der Konjunkturoptimismus in Argentinien unserer Ansicht nach deutlich steigen. Außerdem wird das Interesse ausländischer Investoren an einer Beteiligung im Energie-, Agrar- und Bausektor unseres Erachtens zunehmen.
Darüber hinaus verheißen leicht positive Wachstumszahlen bei den Reallöhnen Gutes für einen Konsumanstieg. Insgesamt wird die Wirtschaft dieses Jahr voraussichtlich rund 3 Prozent wachsen.
Es gibt auch andere Schwellenländer mit einer positiven Reformdynamik: Brasilien, Indien und Indonesien sind hier Beispiele. Argentinien hat jedoch sowohl in der Wirtschaft als auch hinsichtlich des Aktienmarkts eindeutig mehr Luft nach oben. Der Reformkurs mag vielleicht behutsam sein, aber die Kehrtwende ist vollzogen. (NN IP)