Wirtschaft

Kein Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik in Sicht

Bei der gestrigen Sitzung der europäischen Zentralbank stand die Frage im Raum, ob EZB-Chef Mario Draghi es seiner amerikanischen Notenbankkollegin gleichtun und den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik einläuten werde.

Skepsis gegenüber Kaufprogramm der EZB

 

Nach der Sitzung ist klar: Draghi bleibt vorsichtig und wagt nur leichte Vorstöße. Zwar setzt er das Anleihekaufprogramm fort – reduziert jedoch die maximale monatliche Ankaufsumme. „Weder proklamiert die EZB weitere konkrete Schritte, noch hat sie einen Zeitpunkt für den Ausstieg aus dem Kaufprogramm genannt,“ fasst Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG, die Sitzung zusammen.

„Damit haben die meisten Marktteilnehmer aber auch nicht gerechnet. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) ist der EZB hinsichtlich des Ausstiegs aus der expansiven Geldpolitik und den damit verbundenen Zinsanhebungen deutlich voraus“, so Neumann weiter.

Die Inflationsrate ist nahezu konstant: In Deutschland beträgt sie den zweiten Monat in Folge 1,8 Prozent, in der Eurozone 1,5 Prozent. „Die Inflationsrate ist noch entfernt von der Zielmarke von zwei Prozent. Auch deshalb lastet kein Druck auf der EZB, die Zinsen zu erhöhen oder eine Ankündigung in diese Richtung zu machen. Letzteres würde die Zinsen bereits signifikant beeinflussen“, stellt Neumann fest.

Viele Namen im Karussell um Yellen-Nachfolge

Die Amtszeit der derzeitigen Fed-Chefin geht Anfang Februar 2018 zu Ende. Während des Wahlkampfs schloss Trump eine Fortsetzung kategorisch aus. Doch auch nachdem sich die Rhetorik des US-Präsidenten gegenüber Yellen entschärft hat, bleibt diese Option unwahrscheinlich. Der Hauptvorwurf Trumps: Yellen sei nicht unabhängig. Momentan sind fünf Kandidaten im Rennen, darunter ein Stanford-Professor, der derzeitige Fed-Direktor und ein ehemaliger Goldman Sachs-Manager und aktueller Wirtschaftsberater Trumps.

Derzeit gibt es drei weitere freie Positionen innerhalb des Fed-Gremiums. Trump hätte demnach wie kaum ein anderer Präsident vor ihm die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Trump ist ein Freund niedriger Zinsen, doch fast alle Kandidaten scheinen sich in diesem Punkt einig: Die Zinsen müssen langsam steigen. Noch vor einer Asienreise am 3. November will Trump seine endgültige Entscheidung bekannt geben. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen sich daraus für den derzeitigen Kurs der Fed ergeben und ob Abstrahleffekte auf die EZB resultieren.

Politische Entwicklungen in Europa und ihre Auswirkungen: Katalonien und Deutschland

Der Katalonien-Konflikt hat bisher keine Auswirkungen auf die Börsenmärkte. Das könnte sich kurzfristig ändern, wenn es zu einer gewalttätigen Eskalation käme. „Diese Entwicklung gilt am Markt derzeit als eher unwahrscheinlich“, schätzt Michael Neumann die Situation ein. „Katalonien wäre als unabhängiger Staat zunächst kein EU-Mitglied. Das hätte massive wirtschaftliche Nachteile zur Folge, insofern teile ich die Einschätzung des Marktes.“

Nachdem die Ergebnisse der Bundestagswahl feststanden, wurde schnell klar, dass die Regierungsbildung etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Diese Entwicklung ist am Markt eingepreist. „Ob ein Koalitionsvertrag vor Weihnachten oder kurz danach zustande kommt, ist für die Zinsentwicklung von untergeordneter Bedeutung“, resümiert Neumann. „Mit einer Ausnahme: Es könnte sich ein kleiner psychologischer Effekt einstellen, wenn viele Börsianer ihre Positionen vor den Weihnachtsfeiertagen glattstellen und bei weiterhin bestehender Unklarheit dann eher auf der Verkäuferseite stehen“, so der Zinsexperte weiter.

Baufinanzierungszinsen stabil

Die Baufinanzierungszinsen haben sich binnen der letzten vier Wochen nur marginal verändert und seitwärts bewegt. Der aktuelle Bestzins für ein Immobiliendarlehen mit einer Zinsfestschreibung von zehn Jahren beträgt ein Prozent. „Auch in der nahen Zukunft erwarte ich keine Zinssprünge“, konstatiert Neumann. „Die Rahmenbedingungen für Immobilienkäufer bleiben attraktiv.“

Tendenz

Kurzfristig: schwankend seitwärts
Langfristig: steigend

(drklein)

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