Deutschlands Wirtschaft ist besser durch den Winter gekommen als ursprünglich erwartet, ein selbsttragender Aufschwung ist aber vorerst nicht in Sicht. Eine Reihe von Gründen spricht eher dafür, dass es nach einer kurzen zwischenzeitlichen Erholung erneut zu einem wirtschaftlichen Abschwung kommt.
Staatliche Preisbremsen verpuffen
Die Preisdeckel für Strom und Gas wirken nur kurzfristig. Auf Dauer können sie massive Kaufkraftverluste nicht verhindern. So ist im Jahresverlauf erneut mit steigenden Energiepreisen – insbesondere für Erdgas – zu rechnen, weil Deutschland zur Kompensation bisheriger Lieferungen aus Russland zusätzlich Gas auf dem Weltmarkt nachfragen muss, während das globale Angebot stabil bleibt. Die privaten Haushalte können die steigenden Energiekosten immer weniger durch vorhandene Reserven auffangen, da die Sparquote bereits unter den langjährigen Durchschnittswert gesunken ist und auch die Sichteinlagen deutscher Haushalte bei Banken spürbar unter dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie liegen. Vor diesem Hintergrund muss mit einer weiterhin schwachen Entwicklung des privaten Konsums gerechnet werden.
Restriktive Geldpolitik zeigt Wirkung
Auch die geldpolitische Straffung der EZB hinterlässt inzwischen sichtbare Spuren in der Kreditvergabe: Eine Stagnation bei den Unternehmenskrediten und nachlassendes Wachstum bei den Hypothekendarlehen führen im Ergebnis dazu, dass die Investitionstätigkeit insgesamt sinkt. Die Bauinvestitionen sind bereits seit Mitte des Jahres 2022 rückläufig. Zu befürchten ist, dass sich der Abwärtstrend hier beschleunigt: Zusätzlich zu den gestiegenen Zinsen führen deutlich gestiegene Baukosten dazu, dass viele Bauprojekte auf Eis gelegt und neue erst gar nicht in Angriff genommen werden. Das Ergebnis wird ein spürbarer Einbruch der Bauproduktion sein.
Kaum Impulse aus China
Die Industrie profitiert zwar von hohen Auftragsbeständen und kann diese angesichts deutlich verringerter Angebotsstörungen abarbeiten. Es bleiben jedoch erhebliche Unsicherheiten, insbesondere in den energieintensiven Industriebranchen, die um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit fürchten müssen. China dürfte außerdem als Impulsgeber für die deutsche Industrie ausfallen, weil sich der Großteil der Erholung der chinesischen Wirtschaft im Inland abspielen und dort insbesondere Dienstleistungssektoren begünstigen wird. Ein Boom der Exporte nach China ist also nicht zu erwarten.
Zusammengenommen führen diese Faktoren dazu, dass die Dynamik der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden Quartalen voraussichtlich zwar positiv, insgesamt aber nur geringfügig über der Null-Linie liegen wird. Die gesamtwirtschaftliche Leistung dürfte am Ende des Jahres 2023 noch immer auf dem Niveau vom dritten Quartal des Jahres 2022 liegen.
US-Rezession als zusätzliche Belastung
Eine weitere Verschlechterung ergäbe sich durch eine Rezession der US-Wirtschaft, die sich in der zweiten Jahreshälfte als Ergebnis der restriktiven Geldpolitik der amerikanischen Notenbank bereits abzeichnet. Die USA sind nach wie vor der größte Handelspartner Deutschlands. Trifft eine US-Rezession auf eine bereits angeschlagene deutsche Wirtschaft, droht ein Rückfall in eine negative Wirtschaftsentwicklung zur Jahreswende 2023/24 – eine klassische Double-Dip-Entwicklung. Erst im Jahresverlauf 2024 könnte die Wachstumsdynamik spürbar zulegen. Für das Jahr 2024 ist deshalb insgesamt nochmals mit einem sehr schwachen BIP-Wachstum von etwa 0,4 Prozent zu rechnen.
(FERI Gruppe)