Die künstliche Intelligenz (KI) dringt inzwischen auch in alle Ausdrucksformen der Kunst vor und verschiebt die Grenzen des kreativen Prozesses. Mittlerweile können Computer mithilfe der künstlichen Intelligenz Bilder malen, Musik komponieren und sogar Autos sind in der Lage, Bücher zu schreiben, woraus sich interessante Ertragschancen ergeben. Das glauben Sie nicht? Hier ein paar Beispiele:
Im Jahr 2016 fertigte Microsoft das Bild The Next Rembrandt an, indem eine an einen Drucker angeschlossene Software mit Pinselstrich-Daten sämtlicher Rembrandt-Porträts gefüttert wurde. Am Ende wurde ein Gemälde mit allen stilistischen Merkmalen ausgedruckt, welches das Werk des berühmten Malers täuschend ähnlich reproduzierte.
Ein weiteres Beispiel ist das Porträt von Edmond de Belamy, das auf dem Markt für zeitgenössische Kunst für viel Aufsehen sorgte. Es wurde im Herbst 2018 von Christie’s für rund 430.000 US-Dollar verkauft und damit an diesem Tag deutlich höher gehandelt als ein Druck von Andy Warhol, der für 75.000 US-Dollar den Besitzer wechselte. Das Ergebnis ist deshalb so beeindruckend, da mit bloßem Auge nicht erkennbar ist, ob es sich um ein Werk von KI oder das eines Malers handelt.
Möglich sind derart bahnbrechende Entwicklungen dank fortschrittlicher Lerntechniken wie Machine Learning (maschinelles Lernen) und ihrer Weiterentwicklung, dem Deep Learning (maschinelles Lernen durch neuronale Netze). Das Deep Learning ist ein besonders bedeutender Entwicklungsschritt, denn es strebt die Imitation von Denkprozessen des menschlichen Gehirns durch die Nutzung künstlicher neuronaler Netze an. Je mehr Daten in ein Machine Learning-System eingegeben werden, umso schneller lernt der Algorithmus und umso präziser kann er abstrahieren. Die Optimierung der Lernkurve und die Automatisierung der Datenanalyse werden durch Big Data ermöglicht.
Im Bereich der Literatur schließlich schrieb im Jahr 2017 tatsächlich ein Cadillac den Roman 1 the Road. Das Buch beschreibt in Anlehnung an den berühmten Roman On the Road von Jack Kerouac die Reise einer Gruppe von Freunden von New York nach New Orleans. Aufgeschrieben wurde der Text von einem KI-System, das zuvor mit 200 englischen Klassikern gefüttert worden war, und während der Fahrt mit Daten einer Überwachungskamera, eines GPS-Systems und eines Mikrophons, das die Unterhaltungen im Wagen aufzeichnete, versorgt wurde. Während des Roadtrips entstand das Manuskript Zeile für Zeile auf Papier. Initiator Ross Goodwin veröffentlichte den Text im Jahr 2018 ohne Änderungen.
Eine weitere Kunstform und ideale Anwendung für KI ist die Musik. Anlässlich des 334. Geburtstags von Johann Sebastian Bach hat Google seinen Nutzern erlaubt, eine Partitur im Stil des Meisters zu komponieren, während Huawei die 8. Symphonie von Schubert, die „Unvollendete“ aus dem Jahr 1822, artifiziell vollendet hat. Nicht zuletzt hat die KI des luxemburgischen Startups Aiva – Artificial Intelligence Virtual Artist – ein Klavierstück von Dvorak 115 Jahre nach dessen Tod komponiert. Zuvor waren 30.000 Partituren und 115 Werke des Komponisten eingegeben worden. Mithilfe von Deep Learning entwickelte Aiva die Kunst der Komposition weiter und analysierte dazu 15.000 Partituren berühmter Komponisten mit einem Algorithmus. Dieser generierte ein intuitives mathematisches Modell der Musik und kann nun auf Wunsch musikalische Kompositionen aller Stile erstellen.
Abseits solch spektakulärer „Spielereien“ lassen sich aus den KI-Fähigkeiten durchaus Geschäftsmodelle ableiten. Zu Aivas Kunden zählen bereits Pioneer, Nvidia, IBM und Google – und damit Unternehmen, die die Entwicklung kommerzieller Anwendungen, wie beispielsweise die Musik für Videospiele, vorantreiben. Schließlich verdrießt nichts einen Gamer mehr als ein spannendes Videospiel, dessen Stimmung durch sich wiederholende Musiksequenzen verdorben wird – und das über Stunden. Mit der KI von Aiva werden Videospiele mit einem umfangreichen Musikkatalog ausgestattet, der sich allen Situationen anpasst und die Spiele deshalb spannender macht und die Nutzer stärker in den Bann zieht.
Der boomende Kunstmarkt wird sich dank KI weiter verändern, denn KI verschiebt die Grenzen der Kreation – doch dabei wird es nicht bleiben. Seriösen Schätzungen zufolge wird die Bruttowertschöpfung der Sektoren Kunst, Unterhaltung und Freizeit in den Industrieländern 2035 voraussichtlich 453 Milliarden US-Dollar betragen und inklusive der Berücksichtigung des KI-Beitrags sogar auf 541 Milliarden US-Dollar ansteigen, was in etwa dem BIP von Belgien entspricht.
(LFDE)