Wirtschaft

Lässt sich eine Rezession noch vermeiden?

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

Soft Landing (sanfte Landung). Dieser Begriff, der eine Konjunkturschwäche bezeichnet, die aber nicht zu einer Rezession führt, war das Losungswort der seit einigen Monaten andauernden Aktienmarktrally.

Einhergehend mit der Erwartung einer schnellen Desinflation spiegelt er die Hoffnung wider, dass die Phase der stärksten Inflation seit 40 Jahren und einer der härtesten geldpolitischen Straffungszyklen der Geschichte schadlos zu Ende gehen.

Diese sanfte Landung der Wirtschaft stand auch im Mittelpunkt der Debatten der letzten Wochen: Der Begriff wird in fast 20 % der Artikel von Bloomberg erwähnt. Auf so großes Interesse stieß dieser Ausdruck zuletzt in den Jahren 2001 und 2007, also unmittelbar vor den beiden letzten wirtschaftlichen Rezessionen in den USA – von Covid einmal abgesehen.

Handelt es sich hier also eher um ein Zeichen der Selbstgefälligkeit als um rationalen Optimismus? Wenn man sich die Fundamentaldaten ansieht, deutet alles darauf hin.

Zeichen eindeutig im Vorfeld einer Rezession

Zahlreiche US-Wirtschaftsindikatoren liegen nämlich auf Niveaus, die sie sonst nur in Rezessionsphasen oder kurz vor Beginn einer Rezession erreichen. Nehmen wir beispielsweise den geringen Anteil von Industriesektoren, die noch ein Wachstum verzeichnen (30 %), den Rückgang der Baugenehmigungen (-40 % in einem Jahr), die jüngste Erhebung der Fed von Philadelphia zur Aktivität im Fertigungssektor oder aber den vom Conference Board berechneten wirtschaftlichen Frühindikator.

Hinzu kommt die Prognose der Fed von New York, die eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten für wahrscheinlich hält und sich dabei auf die Zinssätze stützt, die so hoch sind wie seit den 1980er-Jahren nicht mehr.

Zudem sind einige Faktoren, die eine gewisse Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft suggerieren, trügerisch. Das gilt insbesondere für die Beschäftigung. Wenngleich die Schaffung von Arbeitsplätzen weiterhin auf einem hohen Niveau liegt, das im Januar überraschend stark angestiegen war, vollzieht sich eine strukturelle Veränderung des Arbeitsmarktes.

Denn bei den jüngst geschaffenen Arbeitsplätzen handelt es sich zunehmend um Teilzeitstellen. Dies hat zur Folge, dass der Anteil von Teilzeitstellen am gesamten Arbeitsmarkt größer wird. Diese Umkehr der Dynamik zwischen Vollzeit- und Teilzeitstellen ist ebenfalls typisch im Vorfeld einer Rezession.

Erhebliche Gefahr einer Korrektur der Aktienmärkte

Es geht also gar nicht um die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA, sondern vielmehr um ihr Timing. Kurzfristig scheint in der Bewertung der Aktienmärkte, die mittlerweile wieder ihren historischen Durchschnitt erreicht hat, kein Rezessionsszenario eingepreist zu sein.

Die Gefahr einer Korrektur in den kommenden Monaten scheint also erheblich, umso mehr als die jüngsten Inflationszahlen eine langsamere Desinflation erkennen lassen als erwartet und damit die Hypothese einer schnellen geldpolitischen Unterstützung zunichtemachen.

Auf lange Sicht hingegen ist für uns eine Rezession, die die Beseitigung bestimmter Ungleichgewichte in der Wirtschaft ermöglicht, für Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sorgt, die Desinflation beschleunigt und damit der Zentralbank wieder Handlungsspielraum verschafft, das gesündeste Szenario für Risikoanlagen. Für Investoren lautet die Frage also nicht, ob man an den Aktienmärkten investieren sollte – sondern wann.

(LFDE / Manuela Blisse / surpress)

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