„Nach der letzten Veröffentlichung der Protokolle des Monetary Policy Committee der Federal Reserve erwarteten die Märkte, dass die Fed den Leitzins im Juni oder Juli anheben würde. Die geringe Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze in den USA, die im Mai veröffentlicht wurde, hat sie kalt erwischt: Inzwischen gehen sie nur von einer einzigen Leitzinserhöhung über die nächsten 12 Monate aus. An den Märkten herrscht derzeit Verwirrung, die nicht zuletzt von der Fed selbst verursacht wird. Einerseits lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie die Zinsen anheben wird, andererseits macht sie aber keine Aussage über den Zeitpunkt.
Unsere Lesart hat sich indes nicht geändert. Die Zahlen vom Arbeitsmarkt sind sicherlich enttäuschend, aber eine Zahl allein macht keinen Trend. Das langsamere Tempo in der Schaffung von Arbeitsplätzen kann auch als Zeichen der Reife im US-Konjunkturzyklus interpretiert werden. Zwei Elemente im Beschäftigungsbericht unterstützen unsere Überzeugung, dass zumindest eine Erhöhung im Jahr 2016 zu erwarten ist: Die Zahl der Ansprüche auf Arbeitslosengeld ist auf dem niedrigsten Stand seit 1970 (1,3% der US-Erwerbsbevölkerung). Und die zunehmende Verknappung der Arbeit verändert das Machtgefüge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zugunsten letzterer, sodass mit Lohnerhöhungen zu rechnen ist.
Auf ihrer Sitzung in dieser Woche dürfte die Fed diese Faktoren berücksichtigen, wenn sie wie jedes Quartal den Ausblick für Inflation, Wirtschaftswachstum und die Leitzinsentwicklung für die nächsten drei Jahre aktualisiert. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie weiterhin zwei Zinserhöhungen im Jahr 2016 vorsieht. Eine derartige Ankündigung, auf die die Märkte nicht vorbereitet sind, würde die Volatilität erhöhen und zu einer Korrektur der kurzen und mittelfristigen Teile der US-Zinsstrukturkurve führen.“