Wirtschaft

Mehr als nur lästig

Die Welt ist für europäische Unternehmen nicht einfach. Da sitzen sie auf riesigen Cashbergen - Schätzungen für die im Stoxx 600 enthaltenen Unternehmen gehen derzeit von rund 2,3 Bill. Euro aus -

und genießen außergewöhnlich günstige Finanzierungskonditionen, nicht zuletzt dank der Europäischen Zentralbank. Doch das immer noch anämisch anmutende Wirtschaftswachstum, technologische Herausforderungen und politische und regulatorische Unwägbarkeiten lassen sie vor Investitionen zurückscheuen.

Wenn investiert wird, dann womöglich am falschen Ort, zu teuer oder unter so hohem Innovationsdruck, dass Forschung und Entwicklung realistischerweise stärker von Versuch und Irrtum als von bald messbaren Resultaten geprägt ist. Für die Mehrheit der Unternehmen dürfte es derzeit schwierig sein, ihre Kapitalrendite substanziell nach oben zu bringen. So fehlt auch der Treibstoff für anhaltend steigende Kurse am Aktienmarkt.

Möglich, dass Investoren dies zunehmend als Missstand wahrnehmen. Die spannende Frage ist, ob sich ihr Verhalten ändern wird. Aus angelsächsischer Sicht gelten europäische Investoren als zahm, wenig konfrontativ und als Berater denn als Sparringpartner. Auch, weil europäische Unternehmen anders als amerikanische traditionell engere Bande mit Banken als mit Investoren pflegen.

Es wird sich zeigen, ob sich dieses Modell der „Cohabitation“ überholt hat. Das Umfeld bleibt schwierig – für beide Seiten. Woher soll im Nullzins- und Kaum-Wachstum-Umfeld die Rendite herfliegen? Ist dabei die Qualität des Geschäftsmodells, in das investiert wird, und die des Managements hinreichend? Der Raum auch in Europa für stärker aktivistisch geprägtes Selbstverständnis ist offen. Seit 2010 haben sich aktivistische Kampagnen laut dem Magazin „Forbes“ in Europa mehr als verdoppelt. Deutschland steht nicht im Fokus, die meisten Kampagnen fanden in Großbritannien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und Irland statt.

Glückliches Deutschland, weil hier die Unternehmen besser gemanagt sind? Mag sein, auch der schlechte Ruf von Aktivisten als „Heuschrecken“ dürfte mit dazu beitragen. Aktivisten sind meist öffentlichkeitssüchtig. Dabei sind ausdrücklich nicht Leerverkäufer vom Schlage Muddy Waters gemeint, die auch im Kapitalmarkt als „Anomalie“ gelten. Die Ruhe könnte aber für das Management vieler Unternehmen trügerisch sein, wenn die Renditen institutioneller Investoren immer mehr als unzureichend angesehen werden.

Aktivisten spalten die Kapitalmarktakteure genauso wie die breite Öffentlichkeit, derer sie sich im Erreichen ihrer Ziele gern bedienen. Die Erwartung ist rational, den Investments von Aktivisten wie Bill Ackman, David Einhorn, Carl Icahn oder in Europa vielleicht von Cevian oder Tito Tettamanti zu folgen. Unternehmen, an denen Aktivisten beteiligt sind, weisen eine höhere Rendite auf das investierte Kapital (ROIC) und eine bessere Aktienperformance in einem Drei- bis Fünfjahreszeitraum nach Einstig eines Aktivisten auf. Dies belegen verschiedene Erhebungen. Leider ist unklar, warum: Stieg die Rendite, weil ein Aktivist an Bord kam, oder war das Management ohnehin bereits mit der Verbesserung des Kapitaleinsatzes befasst, und der Aktivist sprang nur auf einen fahrenden Zug auf?

Es gibt gute Argumente, Aktivisten für lästig zu halten. Eins ist der Zeithorizont: Laut S&P Global Market Intelligence ist die durchschnittliche Haltedauer von Beteiligungen unter US-Aktivisten in drei Viertel der Fälle unter einem Jahr (vgl. Grafik) – in völliger Abkehr von der Zeit, die es braucht, ein Unternehmen zu reformieren. Verzerrt wird das Bild aber durch Beteiligungen an Schwergewichten wie Alphabet, Allergan oder Microsoft, die Aktivisten vor allem als kurzfristige Trading-Gelegenheit sehen. Im Schnitt halten aktivistische Investoren aber ihre Positionen viel kürzer, als sich die CEOs im S&P 1500-Index – der 90% der US-Marktkapitalisierung abdeckt – halten. Die kommen auf fast acht Jahre.

Aktivistisch deklarierte Anleger sind zudem eine Minderheit. Ende 2015 hielten sie in den USA mit ihren Beteiligungen an Firmen mit über 1 Mrd. Dollar Marktwert nur 0,6% der Marktkapitalisierung der S&P 1500-Gesellschaften. Es gilt also die Proportionen zu wahren, was ihren Einfluss betrifft. Wer ihnen folgt, muss sich trotzdem im Klaren sein, ob es sich um jemanden handelt, der viel Lärm zur Erreichung kurzfristiger Renditeziele produziert, oder ob es um eine langfristige Verbesserung geht. Dann wäre der Aktivist mehr als einfach nur einfach lästig oder destruktiv und ein wertvoller Katalysator für Wachstum.

print

Tags: , , , , , , , , , , , ,

ASCORE Auszeichnung

Es gibt viele gute Tarife – für die Auszeichnung „Tarif des Monats“ gehört mehr dazu. Lesen Sie hier, was die ausgezeichneten Tarife zu bieten haben.

Tarife des Monats im Überblick

ETF-News

ETF-News

Aktuelle News zu börsengehandelten Indexfonds.

zu den News

ESG Impact Investing

In jeder Ausgabe stellt "Mein Geld" ein UN-Entwicklungsziel und dazu passende Investmentfonds vor.

Un-Entwicklungsziele im Überblick

Guided Content

Guided Content ist ein crossmediales Konzept, welches dem Leser das Vergleichen von Finanzprodukten veranschaulicht und ein fundiertes Hintergrundwissen liefert.

Die Ausgaben im Überblick

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mein Geld Newsletter

Melden Sie sich für unseren 14-tägigen Newsletter an.

zur Newsletteranmeldung

Icon

Mein Geld TV

Das aktuelle Video

Mein Geld Jahresrückblick 2024

Vielen Dank für ein erfolgreiches Jahr 2024 – Auf in ein spannendes 2025

zum Video | alle Videos
Icon

Mein Geld Magazin

Die aktuelle Ausgabe

Mein Geld 05 | 2024

Die Zeitschrift Mein Geld - Anlegermagazin liefert in fünf Ausgaben im Jahr Hintergrundinformationen und Nachrichten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Finanzen.

zur Ausgabe | alle Ausgaben