Wirtschaft

REYL Market Insight: sind Chinas Investitionsströme rückläufig?

Sind Chinas Investitionsströme rückläufig?

Manchmal kann man zu viel von einer guten Sache bekommen: Chinesisches Geld von Privaten und Firmen zum Beispiel wurde einst mit offenen Armen empfangen, da die Zuflüsse die Wirtschaftstätigkeit ankurbeln sollten. Die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch darauf hin, dass die offenen Arme vermehrt ablehnend verschränkt werden angesichts einer wachsenden Gegenreaktion gegen chinesische Investitionen.

Ein Teil der Angst, die eines der Themen hinter dem anhaltenden Handelsstreits zwischen der USA und China ist, scheint der strategische Wettbewerb zu sein. Es ist die Sorge, dass China ausländisches geistiges Eigentum erwirbt, das chinesischen Unternehmen helfen wird, ihre westlichen Konkurrenten zu überholen und schliesslich aus dem Geschäft zu drängen. Diese Bedenken haben die USA veranlasst, die Aufsicht des Ausschusses für Auslandsinvestitionen in den USA (Committee on Foreign Investment in the United States, CFIUS) auf Joint Venture-Vereinbarungen und sogar Minderheitsbeteiligungen auszudehnen. CFIUS konnte bisher nur ausländische Transaktionen blockieren, die eine Mehrheitsbeteiligung an US-Unternehmen erwarben und als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen wurden. Im August 2018 verabschiedeten die USA auch den Export Control Reform Act (ECRA), der nicht nur den Export von Waren einschränken kann, sondern auch Technologielizenzvereinbarungen einbezieht und sogar Arbeitsverträge umfassen kann. Eine Überprüfung der bestehenden Lizenzvereinbarungen ist derzeit im Gange und soll bis Mai abgeschlossen sein. Dies könnte aber zu strengeren Vorschriften für chinesische Unternehmen führen, die geistiges Eigentum der USA lizenzieren. Diesseits des Atlantiks hat auch Europa mit der Einführung eines neuen EU-Rahmens für die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen eine ähnliche Haltung eingenommen. Diese Initiative wurde als Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch chinesische Unternehmen ergriffen, die europäische Technologien erwerben wollen.

Auswirkungen auch im Privatbereich

Auch das individuelle chinesische Privatvermögen steht einer ähnlichen Gegenreaktion gegenüber: Chinesischen Investoren wird vorgeworfen, die Immobilienpreise an Orten wie Vancouver und Auckland in die Höhe getrieben zu haben. Im vergangenen August folgte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ihrem Wahlversprechen, den Anstieg der Immobilienpreise einzudämmen: Sie verbot nicht ansässigen Ausländern den Kauf von Wohnungen. Chinesische Privatinvestoren sind wohl leichte Ziele, auf die man mit dem Finger zeigen kann, auch wenn die Statistiken nicht belegen, dass ausländische Investoren einen grossen Anteil am gesamten Wohnungsumsatz in Neuseeland ausmachen.

Abgesehen vom nicht sehr gastfreundlichen Empfang für chinesische Investoren erschweren Veränderungen in der chinesischen Kapitalkontrollpolitik auch Institutionen und Einzelpersonen Investitionen im Ausland. Die von privaten Konglomeraten wie Anbang, Dalian Wanda und HNA angeführte Akquisitionsflut in Übersee wurde im Keim erstickt. Die Regierung befürchtete, dass diese fremdfinanzierten Übernahmen von Anlage-Trophäen nicht nur breitere systemische Risiken mit sich bringen, sondern dass die hohen Kapitalabflüsse auch den Renminbi unter Druck setzen würden. Die erwähnten Konglomerate haben inzwischen durch die Veräusserung ausländischen Vermögenswerte einen umfangreichen Schuldenabbauplan gestartet.

Verstärkte Kontrollen

Die chinesische Regierung scheint auch die Kontrolle über ihre reich dotierten im Ausland geparkten Fonds zu verstärken. Seit September 2018 tauscht China Finanzinformationen mit über 100 Ländern im Rahmen des Common Reporting Standard aus. Das bedeutet, dass die Behörden ihre Massnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung verstärken. Die chinesische Schauspielerin Fan Bingbing, angeblich der höchstbezahlte chinesische Filmstar,  war die erste bekannte Persönlichkeit, die öffentlich diffamiert wurde, da sie angeblich 129 Millionen US-Dollar an unbezahlten Steuern und Geldbussen zahlen oder mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen musste.

All diese Faktoren deuten darauf hin, dass sich die jüngste Verlangsamung der Kapitalzufuhr aus China auf absehbare Zeit fortsetzen wird. Das liegt auch daran, dass der Bedarf an Kapital im eigenen Land grösser ist. Die chinesische Regierung wird wahrscheinlich weiterhin mehr Mittel für den Ausbau der inländischen Kapazitäten bereitstellen, um die Abhängigkeit von ausländischen Technologien zu verringern.

Greater Bay Area

Eine dieser möglichen Investitionen könnte die Entwicklung der Greater Bay Area sein. Ein neues Papier, das Mitte Februar angekündigt wurde, stellte das Konzept einer Guangdong-Hongkong-Macao Greater Bay Area vor. Das ist die dritte dieser grossen verbundenen Regionen in China nach der Beijing-Tianjin-Hebei-Region und dem Yangtze River Economic Belt. Im Erfolgsfall wäre die Greater Bay Area nach New York, San Francisco und Tokio die viertgrösste Bucht der Welt.

Das Einzigartige an der Greater Bay Area ist, dass sie zwei besondere Verwaltungsregionen umfasst – Hongkong und Macao sowie neun chinesische Festlandstädte. Jede Stadt hat eine spezifische Positionierung: Hongkong wäre das Zentrum für internationale Finanzen und Handel. Macao würde die Tourismushauptstadt und das Zentrum für Geschäfte mit portugiesisch sprachigen Ländern. Shenzhen als Hauptsitz von vielen chinesischen Technologieunternehmen wäre die führende chinesische Stadt in Bezug auf internationale Patentanmeldungen und würde das internationale Innovationszentrum werden. Guangzhou wird das internationale Dienstleistungszentrum für die Industrie sein, das die Produktion in der Umgebung koordiniert.

Während der Plan auf dem Papier gut aussieht, steckt der Teufel im Detail und liegt in der Umsetzung. Die grosse Frage ist, wie die beiden autonomen Regionen mit den Festlandstädten zusammengeschlossen werden können.

Einführung von 5G

Eine unmittelbarere Initiative ist die bevorstehende Markteinführung von 5G. 5G hat das Potenzial, eine universell einsetzbare Transformationstechnologie zu werden, die das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) sowie intelligente Städte, intelligente Fabriken und selbstfahrende Fahrzeuge ermöglicht. Das Xintong Institute schätzt, dass 5G im Zeitraum von 2020 bis 2025 rund 11,7 Billionen Renminbi an wirtschaftlicher Wertschöpfung auslösen und über drei Millionen Arbeitsplätze schaffen könnte. China hat gesehen, wie die USA als Pionier von der Einführung von 4G-Netzen profitieren konnten, welche die Erfindung innovativer neuer Anwendungen im Silicon Valley auslösten. Damit sieht China als erstes Land die Einführung von 5G im ganzen Land als Schlüsselfaktor, um möglicherweise die Führung beim IoT zu übernehmen.
Die Situation ist dynamisch, aber die Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich das Blatt wenden könnte und ausländische Investoren vielleicht mehr Aufmerksamkeit darauf richten werden, was im chinesischen Inland geschieht.

(Reyl)

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